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       # taz.de -- PR-Inszenierung für neuen Film: Paris-Hilton-Schlüpfer-rutscht-Syndrom
       
       > Mit einem ausgedachten Selbstmordattentat in Kalifornien foppen zwei
       > Filmemacher deutsche Medien. Die dpa reagiert zerknirscht, bild.de ist
       > beleidigt.
       
   IMG Bild: Jake Morgan? Rainer Petersen? Jan Henrik Stahlberg?
       
       Stellen Sie sich vor, Sie sind deutscher Journalist und bei Ihnen in der
       Redaktion ruft einen Tag vor dem 11. September ein junger Mann an, der sich
       als deutscher Kollege bei einem kalifornischen Lokalsender ausgibt.
       Aufgeregt berichtet er von einem Selbstmordattentat in einem Kaff, von
       dessen Existenz Sie bislang nichts ahnten. Im Hintergrund sind
       Polizeisirenen zu hören.
       
       Werden Sie misstrauisch?
       
       Und stellen Sie sich jetzt bitte noch vor, ebenjener "Rainer Petersen"
       meldet sich keine Stunde später erneut ungefragt bei Ihnen, jetzt
       allerdings mit einer noch abstruseren Geschichte - nämlich dass es sich bei
       dem Attentat um einen Fake handelt, initiiert von drei mediengeilen
       deutschen Rappern mit dem originellen Namen "Berlin Boys".
       
       Müssten Sie nicht spätestens jetzt misstrauisch werden?
       
       Zahlreiche Journalisten sind es am Donnerstag nicht geworden. Haben sich
       nicht gewundert, warum dieser Rainer Petersen ausgerechnet deutsche Medien
       auf den angeblichen Anschlag aufmerksam macht, wo er doch eigentlich
       Wichtigeres zu tun hätte. Und haben beide Meldungen weitestgehend ungeprüft
       online verbreitet. Dabei handelte es sich um eine PR-Aktion für [1]["Short
       Cut to Hollywood"], den neuen Kinofilm von Marcus Mittermeier und Jan
       Henrik Stahlberg, den Machern der Selbstjustiz-Pseudodoku
       "Muxmäuschenstill". Auf [2][www.denunziant.com] rekrutierten Sie damals
       Mitstreiter für eine Bürgerwehr - und Zuschauer für ihren Film.
       
       Für "Short Cut to Hollywood" trieben Stahlberg und Mittermeier die
       Vermischung von Realität und Fiktion nun noch eine Spur weiter. "Wir
       wollten den Film in die Realität bringen", sagt Stahlberg. Dass es so
       leicht sein würde, Journalisten zu narren und eine Falschmeldung zu
       lancieren, bestätigt die These des Films, dass "über alles, was einen
       Skandal bringt, auch berichtet wird". Stahlberg nennt es das
       "Paris-Hilton-Schlüpfer-rutscht-Syndrom". Dass ausgerechnet bild.de am
       beleidigtsten auf die Aktion reagiert hat ("Alles Lüge!", "Makabrer
       Werbegag!", "Wir wurden fast sechs Stunden zum Narren gehalten!"), zeigt
       eindrücklich die Boulevard-Doppelmoral: Skandale, schön und gut - aber
       bitte nur solche, die wir selbst inszeniert haben.
       
       Die Reaktion von dpa, die am Donnerstag um 9.39 Uhr als Erstes meldete "TV:
       Anschlag in kalifornischer Kleinstadt", las sich am späten Nachmittag
       wesentlich zerknirschter: "Die Nachrichtenagentur dpa bedauert, auf die
       Fälschung hereingefallen zu sein. Die dpa überprüft nach dem Vorfall ihre
       Regeln für den Umgang mit Informationen aus dem Internet und wird sie wo
       nötig verschärfen."
       
       Aus dem Internet? Befremdlich an dieser Erklärung ist, dass dpa es so
       darzustellen versucht, als sei das Internet das Problem und nicht die
       Gutgläubigkeit und Bequemlichkeit mancher Journalisten - auch in ihrem
       Hause. "Stiff penalty", eine harte Strafe für die "Berlin Boys", wünschte
       sich der dpa-Kollege am Ende des Telefonats mit dem fiktiven Chef des
       fiktiven Lokalsenders VPK7, Jake Morgan. Oder war es mit Sergeant Philipps?
       Oder dem Mann von der Feuerwehr? Alle Anrufe landeten nämlich beim gleichen
       Schauspieler.
       
       Was dpa in einer reichlich durchsichtigen Verteidigungsstrategie eine
       "geschickte Inszenierung" nennt, war nicht mehr als einige gefakte Websites
       mit ebenso gefakten Videos und nur scheinbar in die USA führende
       Telefonnummern. Tatsächlich erreichte man unter den Nummern ein
       schmuckloses Erdgeschossbüro in Berlin-Friedrichshain, wo drei junge
       Männer, darunter auch Filmemacher Stahlberg selbst, sich mit komischen
       Brillen auf den Nasen als Rainer Petersen ausgaben. Im Hintergrund
       verbreiteten zwei amerikanische Schauspieler Hektik, unterstützt von einer
       Polizeisirenen-Endlosschleife aus dem iPod.
       
       Stahlberg mag die verharmlosende Umschreibung "PR-Gag" für seine Aktion
       übrigens überhaupt nicht. "Für mich ist das kein Gag", stellt er klar. Man
       kann ihn verstehen, hat er doch am Donnerstag mit vergleichsweise
       lächerlichem Aufwand bewiesen, dass es vom Gag zum GAU nur ein Buchstabe
       ist.
       
       14 Sep 2009
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.youtube.com/watch?v=7HmVl760my4
   DIR [2] http://www.denunziant.com/
       
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