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       # taz.de -- Bundeswehr in Afghanistan: Erst töten, dann fragen
       
       > Die Bundeswehr laviert in Afghanistan zwischen Kriegs- und Friedensrecht.
       > Ob Kollateralschäden an Zivilisten zulässig sind, will sie nicht
       > diskutieren.
       
   IMG Bild: Dürfen sie Zivilisten töten oder nicht? Bundeswehrsoldaten in Kundus.
       
       BERLIN taz | Die Bundeswehr sieht sich in Afghanistan nicht im Krieg. Die
       Taliban gelten als Terroristen und Verbrecher, nicht als feindliche
       Soldaten. Daraus ergeben sich zwei naheliegende Fragen: Dürfen, rechtlich
       gesehen, Taliban-Kämpfer einfach so weggebombt werden? Und wenn ja: Sind
       dabei (wie im Krieg) zivile Opfer in gewissem Rahmen als Kollateralschäden
       zulässig oder muss jedes zivile Opfer vermieden werden?
       
       Die Bundeswehr geht offensichtlich davon aus, dass sie in Afghanistan nicht
       nur in Notwehrsituationen schießen darf. Dies wurde deutlich bei der
       Diskussion um die sogenannte Taschenkarte, die eigentlich ein mehrseitiges
       Merkblatt ist und den Soldaten in Afghanistan die Rechtslage beim Einsatz
       von Waffengewalt verdeutlichen soll. Seit Ende Juli heißt es dort, dass
       präventive Angriffe auf Personen, die "Angriffe planen, vorbereiten,
       unterstützen oder ein sonstiges feindseliges Verhalten zeigen", durch das
       Isaf-Mandat gedeckt seien. Die Bundeswehr müsse also nicht erst warten, bis
       sie beschossen wird. In der Öffentlichkeit wurde dies als Ausweitung der
       Befugnisse der Soldaten wahrgenommen, während die Bundeswehr dies nicht als
       Veränderung der Rechtslage, sondern nur als geänderte Kommunikation
       gegenüber den Soldaten verstanden wissen wollte.
       
       Außerdem schreibt die "Taschenkarte" vor, dass die Bundeswehr das jeweils
       mildeste Mittel wählen soll - vorausgesetzt, dass dabei keine Soldaten
       "einer erheblichen Gefahr" ausgesetzt werden. Mit Blick auf den Vorfall von
       Kundus kann man das so übersetzen: Auch ein Bombenabwurf aus der Luft kann
       das mildeste Mittel sein, wenn Bodentruppen bei der Sicherung der
       Tanklastwagen ein Gefecht droht. Bei Luftangriffen ist allerdings die
       Gefahr, dass Zivilisten getötet werden, besonders hoch. Deshalb hat ja auch
       der neue US-Befehlshaber in Afghanistan, Stanley McChrystal, ausdrücklich
       zur Zurückhaltung bei Luftangriffen aufgerufen.
       
       Die Bundeswehr und Verteidigungsminister Franz Josef Jung versuchten bisher
       jedoch der Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit von Kollateralschäden
       einfach aus dem Weg zu gehen, weil sie dafür bislang keine Antwort haben
       oder diese nicht öffentlich geben wollen. Deshalb versuchte man bisher, die
       in Kundus getöteten Zivilisten einfach wegzudefinieren. Man habe geglaubt,
       bei den Personen in der Nähe der Tanklastwagen habe es sich "ausschließlich
       um regierungsfeindliche Kräfte" und nicht um "unbeteiligte Zivilpersonen"
       gehandelt.
       
       Heißt das nun, dass von der Bundeswehr nur regierungsfreundliche
       Zivilpersonen als schützenswert angesehen werden? Die Bundeswehr wollte die
       Frage gestern nicht beantworten. Man müsse erst den Ausgang der
       Isaf-Untersuchungen abwarten.
       
       9 Sep 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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