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       # taz.de -- Gleimtunnel verfilmt: Grenzverkehre mit Kamera
       
       > 20 Jahre nach dem Mauerfall trennt der Gleimtunnel weiterhin Wedding und
       > Prenzlauer Berg. Mit Kurzfilmen geben Jugendliche einander Einblicke in
       > fremde Welten von hüben und drüben.
       
   IMG Bild: Für den 12-jährigen Eren waren die Dreharbeiten "manchmal ganz schön stressig"
       
       Am frühen Morgen steht Zelihan Kirbas auf ihrem Balkon in Wedding und
       raucht die erste Zigarette, die müden Augen blicken auf die Straße. Kirbas
       ist Mutter dreier Töchter, geschieden und arbeitet bei Siemens. An diesem
       Arbeitstag wird sie zur Frühschicht von ihrer jüngsten Tochter, der
       elfjährigen Meltem, mit der Kamera begleitet. "Ich bin stolz auf meine
       Töchter", sagt Kirbas in die Kamera, bevor sie zur Arbeit geht. In der
       nächsten Szene baut sie im weißen Kittel Technikteile zusammen. Ihre
       Geschichte ist eine von acht Kurzfilmporträts, die im Film "Am Gleimtunnel
       - hier und drüben" zu sehen sind.
       
       Insgesamt 19 Kinder haben mitgemacht. In ihrem letzten Grundschuljahr haben
       sie Kurzfilme über Menschen in ihrem nahen Umfeld produziert. "Hier und
       drüben", das sind die beiden Stadtteile Gesundbrunnen und Prenzlauer Berg.
       Zwischen ihnen liegen Welten: hier die staatliche
       Heinrich-Seidel-Grundschule mit 580 Schülern, von denen 95 Prozent einen
       Migrationshintergrund haben; drüben die private Freie Grundschule am
       Pfefferberg, deren 58 Schüler größtenteils aus eher gutsituierten deutschen
       Familien kommen. Dem Regisseur Torsten Löhn war die drastische kulturelle
       Trennung der beiden Stadtteile aufgefallen, als er vor nicht allzu langer
       Zeit in die Gleimstraße nach Prenzlauer Berg zog. Ziel des Films war daher,
       "die Kinder zusammenzuführen und den Austausch zwischen den
       unterschiedlichen sozialen Milieus zu fördern", erklärt Roland Geiger von
       der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin (JFSB). Das JFSP und der
       Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung förderten das Projekt mit
       insgesamt 20.000 Euro.
       
       Im Oktober 2008 ging es los. In Workshops lernten sich die Kinder zunächst
       einmal gegenseitig kennen. "Das war auch vorrangiges Ziel", sagt Regisseur
       Löhn, der die Kinder bei den Dreharbeiten künstlerisch betreute. Die Kinder
       lernten zudem den Umgang mit der Kamera, das Regieführen und Schneiden.
       Auch die Filmmusik haben sie eigenhändig produziert.
       
       Für den 12-jährigen Eren waren die Dreharbeiten "manchmal ganz schön
       stressig". Im gemischten Viererteam hat er zusammen mit der elfjährigen
       Hanna einen Film über ihren Bruder Max gedreht. "Irgendwie irritierend"
       beschreibt der achtjährige Max das Gefühl, sich selbst im Film zu sehen.
       
       In kurzen Interviewsequenzen zwischen den Porträts zeigt der Film, wie sich
       die Kinder untereinander wahrnehmen. Religion und Identität spielen
       offenbar eine Rolle: Vom Pharao in der Moschee ist die Rede, typische
       Vorurteile kommen zum Vorschein. Der Film hat auch Freundschaften unter den
       Kindern gestiftet, "die brauchen aber Zeit", sagt Löhn.
       
       Den Boxtrainer Faruk Ünal begleiteten die Kinder nach Hamburg zum Kampf
       seines Sohnes, den Schlagzeuger Roger Heinrich zu einem Gig in den
       Frannz-Club, und einer der größten Dönerproduzenten Berlins, Hasan Babur,
       erzählt auf Türkisch über seine harte Kindheit in Berlin und seinen
       geplatzten Traum, Profisportler im Taekwondo zu werden. In den insgesamt
       acht Kurzfilmen taucht der Betrachter aus Sicht der Kinder in
       unterschiedliche Lebenswelten ein und merkt schnell, dass es dies- und
       jenseits des Gleimtunnels nur wenig Gemeinsamkeiten gibt.
       
       Ein weiteres Porträt zeigt die Arbeit von Dilek Bölükgiray, einer
       türkischen Polizistin, Präventionsbeauftragten und - wenn man so will -
       vorbildlich Integrierten. Seit 16 Jahren arbeitet sie bei der Polizei und
       im Anti-Gewalt-Training an Schulen. Die Idee fand sie auf Anhieb gut, denn
       "es ist ja wirklich so, dass Osten und Westen getrennt sind". Schade sei es
       aber, dass die Kinder offensichtlich so wenig voneinander wüssten, meint
       Bölükgiray.
       
       Der 12-jährige Cyrill wechselt nach den Sommerferien von der Freien
       Grundschule am Pfefferberg aufs Gymnasium und sagt: "Von mir aus sind das
       zwei Welten, ich geh da eh nie rüber." Im Film sagt er, er wolle mit den
       anderen Kindern nichts zu tun haben. "Es kommt immer darauf an, wie wir
       Eltern die Kinder erziehen," sagt der ehemalige Amateurboxer Faruk Ünal.
       
       Inzwischen ist der Film abgedreht und in den beiden Grundschulen zweimal
       gezeigt worden. Wie es damit weitergeht, ist noch unklar. Regisseur Löhn
       hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass der Film noch ins Kino oder
       Fernsehen kommt.
       
       Am frühen Morgen steht Zelihan Kirbas auf ihrem Balkon in Wedding und
       raucht die erste Zigarette, die müden Augen blicken auf die Straße. Kirbas
       ist Mutter dreier Töchter, geschieden und arbeitet bei Siemens. An diesem
       Arbeitstag wird sie zur Frühschicht von ihrer jüngsten Tochter, der
       elfjährigen Meltem, mit der Kamera begleitet. "Ich bin stolz auf meine
       Töchter", sagt Kirbas in die Kamera, bevor sie zur Arbeit geht. In der
       nächsten Szene baut sie im weißen Kittel Technikteile zusammen. Ihre
       Geschichte ist eine von acht Kurzfilmporträts, die im Film "Am Gleimtunnel
       - hier und drüben" zu sehen sind.
       
       Insgesamt 19 Kinder haben mitgemacht. In ihrem letzten Grundschuljahr haben
       sie Kurzfilme über Menschen in ihrem nahen Umfeld produziert. "Hier und
       drüben", das sind die beiden Stadtteile Gesundbrunnen und Prenzlauer Berg.
       Zwischen ihnen liegen Welten: hier die staatliche
       Heinrich-Seidel-Grundschule mit 580 Schülern, von denen 95 Prozent einen
       Migrationshintergrund haben; drüben die private Freie Grundschule am
       Pfefferberg, deren 58 Schüler größtenteils aus eher gutsituierten deutschen
       Familien kommen. Dem Regisseur Torsten Löhn war die drastische kulturelle
       Trennung der beiden Stadtteile aufgefallen, als er vor nicht allzu langer
       Zeit in die Gleimstraße nach Prenzlauer Berg zog. Ziel des Films war daher,
       "die Kinder zusammenzuführen und den Austausch zwischen den
       unterschiedlichen sozialen Milieus zu fördern", erklärt Roland Geiger von
       der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin (JFSB). Das JFSP und der
       Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung förderten das Projekt mit
       insgesamt 20.000 Euro.
       
       Im Oktober 2008 ging es los. In Workshops lernten sich die Kinder zunächst
       einmal gegenseitig kennen. "Das war auch vorrangiges Ziel", sagt Regisseur
       Löhn, der die Kinder bei den Dreharbeiten künstlerisch betreute. Die Kinder
       lernten zudem den Umgang mit der Kamera, das Regieführen und Schneiden.
       Auch die Filmmusik haben sie eigenhändig produziert.
       
       Für den 12-jährigen Eren waren die Dreharbeiten "manchmal ganz schön
       stressig". Im gemischten Viererteam hat er zusammen mit der elfjährigen
       Hanna einen Film über ihren Bruder Max gedreht. "Irgendwie irritierend"
       beschreibt der achtjährige Max das Gefühl, sich selbst im Film zu sehen.
       
       In kurzen Interviewsequenzen zwischen den Porträts zeigt der Film, wie sich
       die Kinder untereinander wahrnehmen. Religion und Identität spielen
       offenbar eine Rolle: Vom Pharao in der Moschee ist die Rede, typische
       Vorurteile kommen zum Vorschein. Der Film hat auch Freundschaften unter den
       Kindern gestiftet, "die brauchen aber Zeit", sagt Löhn.
       
       Den Boxtrainer Faruk Ünal begleiteten die Kinder nach Hamburg zum Kampf
       seines Sohnes, den Schlagzeuger Roger Heinrich zu einem Gig in den
       Frannz-Club, und einer der größten Dönerproduzenten Berlins, Hasan Babur,
       erzählt auf Türkisch über seine harte Kindheit in Berlin und seinen
       geplatzten Traum, Profisportler im Taekwondo zu werden. In den insgesamt
       acht Kurzfilmen taucht der Betrachter aus Sicht der Kinder in
       unterschiedliche Lebenswelten ein und merkt schnell, dass es dies- und
       jenseits des Gleimtunnels nur wenig Gemeinsamkeiten gibt.
       
       Ein weiteres Porträt zeigt die Arbeit von Dilek Bölükgiray, einer
       türkischen Polizistin, Präventionsbeauftragten und - wenn man so will -
       vorbildlich Integrierten. Seit 16 Jahren arbeitet sie bei der Polizei und
       im Anti-Gewalt-Training an Schulen. Die Idee fand sie auf Anhieb gut, denn
       "es ist ja wirklich so, dass Osten und Westen getrennt sind". Schade sei es
       aber, dass die Kinder offensichtlich so wenig voneinander wüssten, meint
       Bölükgiray.
       
       Der 12-jährige Cyrill wechselt nach den Sommerferien von der Freien
       Grundschule am Pfefferberg aufs Gymnasium und sagt: "Von mir aus sind das
       zwei Welten, ich geh da eh nie rüber." Im Film sagt er, er wolle mit den
       anderen Kindern nichts zu tun haben. "Es kommt immer darauf an, wie wir
       Eltern die Kinder erziehen," sagt der ehemalige Amateurboxer Faruk Ünal.
       
       Inzwischen ist der Film abgedreht und in den beiden Grundschulen zweimal
       gezeigt worden. Wie es damit weitergeht, ist noch unklar. Regisseur Löhn
       hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass der Film noch ins Kino oder
       Fernsehen kommt.
       
       25 Aug 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alexandra Gdanietz
       
       ## TAGS
       
   DIR Pankow
       
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