URI: 
       # taz.de -- Aktivistin über sexuelle Gewalt im Kongo: "Viele sagen: Mein Mann will das"
       
       > Am Dienstag besucht US-Außenministerin Clinton Vergewaltigungsopfer im
       > Kongo. Die Aktivistin Christine Schuler-Deschryver bewertet den Kampf
       > gegen sexuelle Gewalt.
       
   IMG Bild: "Viele wissen überhaupt nicht, dass sie Rechte haben": kongolesische Frauen.
       
       taz: Frau Schuler-Deschryver, die verheerende sexuelle Gewalt gegen Frauen
       im Osten der Demokratischen Republik Kongo wird seit einigen Jahren
       international sehr viel stärker wahrgenommen als früher. Hat das positive
       Auswirkungen auf die Lage der kongolesischen Frauen gehabt? 
       
       Christine Schuler-Deschryver: Es gibt jetzt mehr Aufmerksamkeit und mehr
       Sensibilisierung, wenngleich nicht weniger Konflikte. Dass jetzt Kongolesen
       vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag stehen, dass jetzt zum
       Beispiel dort der Einsatz von Kindersoldaten im Kongo verhandelt wird, hat
       viel ausgemacht. All die Leute, die für Kriege im Kongo verantwortlich
       sind, kriegen jetzt Angst. Und der Haftbefehl gegen Sudans Präsident Omar
       Hassan Bashir ist ein ganz starkes Signal. Wenn sogar ein Präsident weiß,
       dass er nicht mehr frei reisen kann, dass er im eigenen Land gefangen ist,
       hat das eine unglaubliche Signalwirkung auch bei uns. Aber sehr viel Geld
       fließt in diesem Rahmen an internationale Organisationen, deren Haushalte
       sehr gefräßig sind, und es gibt zwischen ihnen keine Koordination.
       
       Wie könnte eine bessere Koordination aussehen? 
       
       Ich habe dem Vizegouverneur von Süd-Kivu vorgeschlagen, dass er einen
       Aktionsplan aufstellt. Man braucht einen Dreijahresplan, um die
       verschiedenen Aktivitäten miteinander zu harmonisieren. So könnte er auch
       ein bißchen kontrollieren, was alles an Geld zu diesem Thema in die Provinz
       kommt. Ich habe vorgeschlagen, ihm mit anderen Frauen dabei zu helfen. Es
       gibt ja sogar Organisationen, die sich weigern, die Höhe ihres Budgets
       mitzuteilen. Am wichtigsten ist, die Arbeit der lokalen kongolesischen
       Organisationen zu stärken. Man muss nicht immer Ausländer einfliegen, die
       teure Büros eröffnen. Kongolesen sammeln vor Ort auf dem Land die
       Informationen, auf deren Grundlage gearbeitet wird, aber sie tauchen
       hinterher nirgendwo auf.
       
       Wie sieht die ideale Arbeit an der Basis zu sexueller Gewalt im Kongo aus? 
       
       Am wichtigsten sind sozio-ökonomische Wiedereingliederungsprogramme für die
       Frauen. In Ostkongos Kriegsgebieten haben die meisten Menschen alles
       verloren. Wenn eine Frau dann auch noch von ihrem Mann verjagt wird, weil
       ein Bewaffneter sie vergewaltigt hat, steht sie vor dem Nichts und wird
       alles tun, um wieder nach Hause zu dürfen. Aber wenn sie eigene
       Einkommensmöglichkeiten hätte, könnte sie sich ein eigenes Leben aufbauen
       und wäre unabhängiger. Neben Wiedereingliederung braucht man dafür auch
       Programme, um Frauen zu mehr Unabhängigkeit und Führung auszubilden. Viele
       kongolesische Frauen wissen überhaupt nicht, dass sie Rechte haben. Man
       muss ihnen das in einfachen Begriffen nahebringen, in ihrer eigenen lokalen
       Sprache.
       
       Das geht also weit über die Behandlung von Vergewaltigungsfolgen hinaus... 
       
       Es geht darum, dass Frauen ihre Rechte erkennen und wahrnehmen. Nicht,
       damit sie eines Tages Präsidentin der Republik werden können, sondern um
       die Kontrolle über ihren Körper zurückzugewinnen. Wir haben Frauen, die
       bekommen alle zehn Monate ein Kind, sie sind völlig ausgelaugt und fertig,
       und wenn man nachfragt, sagen sie: Mein Mann will das. Wir sagen ihnen: Du
       hast das Recht, Nein zu sagen.
       
       Unterhalb dieser Ebene besteht immer noch die Herausforderung, Opfern
       sexueller Gewalt medizinisch zu helfen. Hat sich das jetzt verbessert, mit
       der vielen internationalen Hilfe in dem Bereich? 
       
       Es hat sich verbessert, aber es gibt noch viel zu tun. Das
       Panzi-Krankenhaus in Bukavu oder das Heal-Africa-Krankenhaus in Goma, wo
       zahlreiche Frauen medizinisch versorgt werden, funktionieren gut. Aber die
       Gesundheitszentren auf den Dörfern noch nicht. Es geht da noch nicht einmal
       darum, dass es dort Antibiotika gäbe; viele haben nicht einmal
       Desinfektionsmittel, und wenn die Frauen ins Krankenhaus in der Stadt
       kommen, sind sie schon halb verfault.
       
       11 Aug 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA