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       # taz.de -- Mangelnder Datenschutz in Biobanken: Patientenrechte werden ignoriert
       
       > Noch immer fehlen Regelungen für die Sammlung von genetischen Daten sowie
       > Blut- und Gewebeproben für wissenschaftliche Zwecke. Datenschützer legen
       > Kriterien vor.
       
   IMG Bild: Wollen mehr Rechte: Patienten.
       
       Mehr als zehn Jahre hat der Bundestag gebraucht, um ein Gesetz zur
       genetischen Diagnostik zu beschließen. Als die schwarz-rote Mehrheit in
       diesem April endlich so weit war, regelte sie einen großen Bereich aber
       einfach nicht: die Forschung mit genetischen Daten und Blut-, Urin- und
       Gewebeproben, die Kliniken, Forschungsinstitute und Pharmafirmen in
       sogenannten Biobanken sammeln. Den Aufbau solcher Einrichtungen habe das
       Bundesforschungsministerium (BMBF) "fokussiert gefördert", weiß das Büro
       für Technikfolgen-Abschätzung beim Bundestag.
       
       Nun liegt ein vom BMBF beauftragtes Gutachten vor, das erstmals
       detaillierte Kriterien für datenschutzgerechte Biobanken aufzeigt.
       Geschrieben hat es das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz
       Schleswig-Holstein (ULD). Würden dessen Vorschläge konsequent umgesetzt,
       müssten wohl fast alle Genprobensammler ihre Betriebsabläufe erheblich
       verändern.
       
       "Unsere empirischen Erhebungen haben ergeben, dass der Datenschutz bei
       Biobanken in Deutschland noch stark verbesserungsfähig und -bedürftig ist",
       sagt ULD-Leiter Thilo Weichert. Insbesondere die Papiere zur
       Spenderaufklärung und -einwilligung seien oft lückenhaft und ungenau.
       
       Die informationelle Selbstbestimmung, die das ULD meint, gilt nicht nur
       vor, sondern auch nach der Einwilligung in die Abgabe von Proben und Daten.
       Denn die Option des Widerrufs, der jederzeit zulässig sein müsse, sei für
       die Spender "überhaupt erst möglich", wenn sie kontinuierlich und
       unaufgefordert erfahren, wie sich "ihre" Biobank entwickele und welche
       wissenschaftliche Projekte sie ausführe oder unterstütze.
       
       Für Transparenz sorgen könnte - neben der individuellen Aufklärung - nach
       Empfehlung des ULD ein jährlicher, allgemein verständlicher
       Datenschutzbericht jeder Biobank. Beschreiben soll er zum Beispiel
       Ethikvoten zu Forschungsprojekten, Ziele und Genanalysemethoden, bisherige
       Forschungsergebnisse und auch Hinweise auf abgebrochene Studien. Genannt
       werden sollten die Namen von Wissenschaftlern, Auftraggebern, Sponsoren und
       Spendern der Biobank. Und der Bericht müsse nachvollziehbar offenlegen, wer
       auf die Datenbestände zugreifen könne.
       
       Potenzielle Spender hätten das Recht zu erfahren, ob und durch welche
       Techniken ihre Proben und Daten vertraulich gemacht werden. Eine
       "Besonderheit genetischer Analysen von Gewebeproben" bestehe allerdings
       darin, dass sie nicht sicher anonymisiert werden können. Denn mit Hilfe von
       "identifizierten Referenzgewebeproben" lasse sich jede Probe später einen
       bestimmten Person "eindeutig wieder zuordnen".
       
       Bei den meisten Studien würden die Namen der Probanden aber nicht
       anonymisiert, sondern durch Pseudonyme verschlüsselt. Dabei bleibe eine
       Zuordnungsfunktion erhalten, so dass es möglich sei, den Personenbezug bei
       Bedarf wieder herzustellen.
       
       Die Verschlüsselungstechniken sind aufwendig und werden offenbar nicht von
       allen Sammeleinrichtungen beherrscht. "Hinsichtlich des
       Pseudonymisierungsverfahrens", so das ULD-Gutachten, "besteht fast überall
       - zum Teil sogar erheblicher - Nachbesserungsbedarf."
       
       Laufend informieren müssten die Biobanker die Spender auch über "etwaige
       kommerzielle Perspektiven" geplanter Forschungsprojekte; eindeutig zu
       klären seien auch die Fragen der Eigentumsverhältnisse an den Proben.
       Spender müssten die Option zur differenzierten Einwilligung haben, also
       bestimmte Forschungszwecke, Geldgeber und Kooperationspartner bewusst von
       der Nutzung ihrer Daten ausschließen können.
       
       Damit Menschen "ausreichend Gelegenheit" haben, sich vor der Probenspende
       umfassend zu informieren, sollten Aufklärungen und Einwilligungen "an
       leicht zugänglicher Stelle im Internet" abrufbar sein - und zwar in
       mehreren Sprachen, rät das ULD. Angesichts der "kaum noch überschaubaren"
       Landschaft von Biobanken mit "wechselnden Netzwerken, Verbünden und
       Ausgründungen" halten es die Datenschützer für notwendig, ein zentrales
       Biobankregister "mit obligatorischer Meldepflicht der Forschungsprojekte"
       einzuführen. Die Rechtslage sei "unbefriedigend".
       
       ULD-Chef Weichert plädiert dafür, den Aufklärungsumfang sowie Inhalte und
       Verfahren der Einwilligung nach der Bundestagswahl gesetzlich
       festzuschreiben. Auch sollten "Auditierungen" eingeführt werden, die
       minutiös abchecken, ob Biobanken den datenschutzrechtlichen Kriterien
       gerecht werden. Wer die Prüfung besteht, solle als "Qualitätsnachweis" ein
       Gütesiegel erhalten und bekannt machen dürfen; Weicherts Team ist zu
       solchen Auditierungen gern bereit.
       
       Ein potenzieller Kandidat wirkt direkt in der Nachbarschaft des ULD: die
       Biobank Popgen, mit millionenschwerer Starthilfe des BMBF im Jahr 2003 am
       Kieler Universitätsklinikum etabliert und heute eine der größten
       hierzulande. Das Kürzel Popgen steht für "Populationsgenetische
       Rekrutierung"; über 100.000 Proben plus Patientendaten sollen hier lagern
       und "für weltweite Forschung" zur Verfügung stehen.
       
       Popgens Homepage wirkt eher offenherzig, zur Einsichtnahme angeboten werden
       etwa: Probandenaufklärung, Einwilligungserklärung, Datenmanagementkonzept,
       Kooperationsvereinbarung und der aktuelle Jahresbericht. Doch nach
       Anklicken der Stichwörter erscheinen keine Dokumente, sondern die immer
       selbe Auskunft: "Zurzeit wird unser Informationsangebot überarbeitet und
       aktualisiert." Warum dies passiert und was die Veränderungen für Menschen
       bedeuten, die den Kieler Biobankern längst sensible Daten und
       Körpersubstanzen anvertraut haben, erklärt Popgen im Internet nicht.
       
       ## Infos: ,
       
       30 Jul 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Peter Görlitzer
       
       ## TAGS
       
   DIR Patientendaten
       
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