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       # taz.de -- NPD-Kader Jürgen Rieger: Ein Verehrer Hitlers
       
       > Die Partei verdankt ihm Nachwuchsarbeit und die Hilfe der Freien
       > Kameradschaften. Doch der Hamburger NPD-Bundesvize Jürgen Rieger ist
       > wegen seines Rassismus sogar in den eigenen Reihen umstritten.
       
   IMG Bild: Selbst in der NPD umstritten: Der NPD-Bundesvize Jürgen Rieger (hier im Jahr 1998 am Eingang zu seinem "Heideheim" im niedersächsischen Hetendorf).
       
       Fast unscheinbar kommt er daher. Hier am Altonaer Bahnhof fällt er nicht
       auf. Viel Wert legt der Herr mit Bart nicht aufs Äußere. Die Kleidung weder
       schick, noch auffällig. Keine Accessoires, die verraten, dass dieser über
       60-Jährige mit Millionen Euro regelmäßig um Immobilien streitet. Ein wenig
       ungepflegt wirkt der Wartende an jenem Hamburger Bahnhof gar. Und doch
       schaut sich ein jüngerer Mann kurz um, schüttelt den Kopf. Er hat ihn
       erkannt: Jürgen Rieger, Nazianwalt und NPD-Bundesvize.
       
       Seit fast vierzig Jahren ist der Sohn einer Arztfamilie wegen seiner
       Politik und Immobiliengeschäfte in den Medien. Ob der heutige Tag, der 20.
       April, für Rieger ein besonderer Tag ist? Verläuft sein Arbeitstag in
       seiner Kanzlei im feinen Blankenese am Geburtstag Adolf Hitlers anders?
       Selbst in der NPD wird ihm eine "unreflektierte Hitler-Verehrung"
       unterstellt. Rieger schwärmt von Hitler als dem "größten deutschen
       Staatsmann" und dessen "charismatischer Persönlichkeit".
       
       Kritik an seinen Vorstellungen, etwa von Parteifreunden, die sich um das
       bemüht bürgerliche Image sorgen, vergisst er nicht. Rieger soll nachtragend
       sein. Auf Parteitagen scheut er sich nicht, Kontrahenten anzugehen. Hält
       ihnen anderenorts vor, sie hätten im Dritten Reich nicht mal Blockwart
       werden können.
       
       Seine Liebe zum Nationalsozialismus scheint weit zu gehen. Er sammelt
       Wehrmachtsfahrzeuge und Uniformen. 1994 verhängte das Amtsgericht
       Blankenese eine Geldstrafe, weil Rieger in einem Wehrmachtskampfanzug mit
       einem VW-Militärkübelwagen mit SS-Abzeichen herumfuhr. 2009 stellte die
       Polizei bei ihm ein Sturmgewehr sicher. Er will es als "Deko-Waffe"
       ersteigert haben. Auf seiner "Heimatseite" scherzt Rieger, dass doch jeder
       wisse, dass er sich mit einer Axt gegen die Antifa wehre: "Da ich ein
       Faible für Wikinger habe, sagt mir das mehr zu", schreibt er. Diese
       Rückbesinnung aufs Geschichtliche ist mehr als ein Spleen.
       
       Über Jahrzehnte wirkte Rieger, der mehrere Kinder hat, führend bei der
       "Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer
       Lebensgestaltung e. V." mit. Ihn treibt die angebliche Entfremdung des
       arischen Menschen von der ureigenen Religion um. "Die Wurzeln unserer
       Kultur liegen nun mal im Germanentum, insbesondere in germanischen
       Bräuchen", verkündet er. Andere Religionen möge man "gutheißen" können,
       aber es würde immer "Abweichungen zu unseren Ausfassung geben, die nur mit
       Gewalt mit unseren Gedanken in Einklang gebracht werden könnten". Der Grund
       für ihn: "Weil sie von andersrassigen Menschen geschaffen wurden."
       
       Die religiöse Orientierung geht bei Rieger mit dem politischen Engagement
       einher. So denkt er, die Genmischung wäre auch die Ursache, dass "die
       Türken" so "hochgradig aggressiv" seien. Er weiß denn auch: "Diese Türken
       wollen die Herrschaft hier." "Von der christlichen Moral" will er zu einer
       "biologisch begründeten Ethik". Und das auch ganz praktisch.
       
       Im niedersächsischen Dörverden hofft er, auf dem Heisenhof
       "Fruchtbarkeitsforschung" betreiben zu können. Er versicherte gegenüber
       Medien, "dass blauäugige Frauen nur den Samen eines ebenfalls blauäugigen
       Mannes" bekämen. Auf dem Landgut Sveneby in Schweden plante er mit
       "Artgenossen" einen Ökobauernhof zu errichten, für den er sogar EU-Gelder
       einstrich. Reiki- und Yoga-Seminare scheiterten jedoch, als die taz
       berichtete und die Seminaranbieter zurückzogen.
       
       Der Gerichtssaal ist der Ort, wo Rieger sich kompromisslos gibt. Er nutzt
       ihn aber auch als Bühne, auch um wiederzugeben, dass das Warschauer Ghetto
       eine "seuchenhygienische Maßnahme" war. Die Staatsanwaltschaft Mannheim
       warf ihm vor, bei einer Verteidigung eines Holocaustleugners selbst den
       Holocaust verharmlost zu haben.
       
       In gewissen Kreisen gefällt dies. Ihm vertrauen Altnazis und vermachen ihm
       ihr Erbe. "Erbschleicher", heißt es in der rechten Szene hinter
       vorgehaltener Hand. Mit diesen Geldern erwarb er seine Immobilien.
       
       Auch die "Freien Kameradschaften" (FK) stehen treu hinter ihm. Zuvor
       initiierte er nur mit vertrauten Vereine und baute Schulungszentren auf.
       Als er erst 2006 in die NPD eintrat und 2007 den Hamburger Landesvorsitz
       übernahm, versicherten die Kameradschaften ihm erneut die Treue. Diese
       Netzwerke sind nun für den intern durchaus Umstrittenen seine Hausmacht.
       
       Anja Zysk, ehemalige Hamburger Landesvorsitzende der NPD, musste Rieger
       2007 das Amt überlassen. Sie behauptet, dass Rieger ein rückwärts gewandtes
       Frauenbild vertrete: "Frauen sollten lieber Kinder kriegen." Eine Liebelei
       brachte Rieger, der sein Privatleben sorgsam unter Verschluss hält, im
       vergangenen Jahr in die Schlagzeilen. Eine Gelegenheitsprostituierte
       plauderte über ihre Affäre mit ihm, unterstellte Misshandlungen und
       Impotenz. Manche Parteifreunde sorgt viel mehr, dass Rieger durch Darlehen
       die Parteigeschicke verstärkt beeinflusse. Sein offen "obsessiver
       Rassismus", so befürchten sie, könnte Wähler abschrecken.
       
       19 Apr 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
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