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       # taz.de -- Konsumterror: Geiz geiler als Schlaf
       
       > Die Mitternachtseröffnung eines Elektronikmarkts lockt rund 2.000
       > Schnäppchenjäger auf den Alexanderplatz. Anders als bei der
       > Mediamarkt-Eröffnung 2007 bleibt das Shoppen friedlich.
       
   IMG Bild: Die Angst vor dem leeren Laden: Irgendwo in Deutschland in einem Elektronikgeschäft
       
       23.30 Uhr: Es könnte eine große Party sein: Auf dem Alexanderplatz tummeln
       sich über tausend Menschen vor dem neuen Saturn-Markt, der gleich öffnen
       soll. Einige halten Bierflaschen in der Hand und wippen im Takt der Musik
       eines Hitradios, das mit einem Übertragungswagen vor Ort ist. Ob man die
       Musik mag oder nicht - Bewegung wärmt bei den frostigen Temperaturen.
       
       Nur noch eine halbe Stunde trennt die Menge von den begehrten Schnäppchen
       im Elektronikmarkt. Die frohe Erwartung lässt die Stimmung nicht auf den
       Gefrierpunkt sinken. Auch Marco Wiedermeyer aus Steglitz ist zufrieden,
       obwohl er seit fast einer Stunde wartet: "Man hat genug Platz zum Stehen,
       die Musik spielt, und es wurde sogar Kaffee verteilt." Er möchte eine
       Spielkonsole aus dem Eröffnungssonderangebot nach Hause bringen. Auch eine
       Gruppe Jugendlicher ist in Laune: "Es ist wie Love Parade", ruft einer
       erheitert. Sie haben sich vorher mit Wodka gestärkt.
       
       0.01 Uhr: Es ist vorbei mit der Partystimmung: Die Türen gehen auf, das
       Gedrängel beginnt. Die ersten Einkaufslustigen stürmen die Rolltreppen
       hoch. Einige klettern über den Absperrzaun und wollen sich vordrängeln,
       werden aber von den zahlreichen Sicherheitskräften aufgehalten. Minuten
       später ist der Laden voll. Die Wachmänner lassen erst wieder Leute herein,
       wenn andere gehen. Draußen warten noch Hunderte - und weitere ziehen nach.
       
       Die Moderatorin des Hitradios versucht, die Stimmung zu retten: "Ein
       Wahnsinnsspektakel!", ruft sie in die Menge. Nach dem ersten Ansturm bleibt
       wieder Zeit für Gespräche. Siegfried Woske erzählt: "Ich kaufe mir ein
       Handy, einen Laptop und einen Fernseher. Es lohnt sich, hier zu stehen,
       morgen wird es wieder teurer." Es ist nicht Woskes erste Schnäppchenjagd:
       Er war auch bei der Alexa-Eröffnung im September 2007, wo es 15 Verletzte
       gab. Um Ähnliches zu verhindern, sind dieses Mal neben der privaten
       Security auch 50 Polizisten im Einsatz.
       
       Den Alexanderplatz hat Woske schon zu DDR-Zeiten besucht. "Damals hat er
       mir besser gefallen. Dort, wo jetzt Alexa steht, gab es früher schöne
       Weihnachtsmärkte." Auch eine Gruppe Christen namens "Gott online" nutzt die
       Gelegenheit zum Gespräch: Sie wollen mit den Leuten in der Schlange über
       Gott reden. "Jesus ist besser als die X-Box", lautet ihre Botschaft.
       
       1.15 Uhr: Einige hundert Nachzügler haben es noch nicht geschafft. Sie
       treten ungeduldig auf der Stelle und schauen den Glücklichen zu, die schwer
       beladen mit Einkäufen nach Hause eilen. Viele schleppen sperrige Kartons
       mit Flachbildschirmen hinter sich her. "Ätzendes Gedrängel, nie wieder",
       ärgert sich eine Teenagerin.
       
       Ramona und Nick sind extra aus Brandenburg angereist, um einen iPod zu
       kaufen: "Nick hat es sich zum Geburtstag gewünscht. Aber ich kann mir nur
       Schnäppchen leisten", sagt die fünffache Mutter. Direkt von der
       Shoppingtour muss sie zur Arbeit und bezahlt, wie viele andere auch, den
       Einkauf mit einer schlaflosen Nacht.
       
       13.00 Uhr: Saturn zeigt sich in einer Pressemeldung stolz, seinen Kunden
       ein so "neuartiges Einkaufserlebnis" ermöglicht zu haben. Das Unternehmen,
       das vor sechs Jahren mit dem Werbeslogan "Geiz ist geil" eine Diskussion
       über Kaufverhalten ausgelöst hat, verspricht bis Ende der Woche weitere
       Schnäppchen.
       
       26 Mar 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Adéla Jureèková
       
       ## TAGS
       
   DIR China
       
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   DIR Chinesische Übernahme von Mediamarkt: Keine kritische Infrastruktur
       
       Dass eine chinesische Firma Mediamarkt kauft, ist nicht weiter dramatisch.
       Beim Elektronikriesen werden ohnehin fast nur chinesische Produkte
       verkauft.