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       # taz.de -- Bund und Länder einig: Die Schuldenbremse kommt
       
       > Bund und Länder wollen von 2020 an keine neuen Schulden mehr machen.
       > Sogar Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gab diesmal nicht
       > den Blockierer - sondern zeigte sich spendabel
       
   IMG Bild: Beschließen Sparen morgen, während heute kräftig Geld ausgegeben wird: Oettinger und Struck.
       
       BERLIN taz Den Satz sagte der bayerische Ministerpräsident, als sei es das
       Selbstverständlichste von der Welt. "Das bedeutet für Bayern eine
       Zusatzbelastung von 60 Millionen Euro jährlich", erläuterte Horst Seehofer
       am Freitag in Berlin den am Vorabend von Bund und Ländern geschlossenen
       Kompromiss zur Schuldenbremse. Mit dieser Summe will sich jetzt auch der
       Freistaat an den Finanzhilfen beteiligen, die den fünf ärmsten
       Bundesländern die Zustimmung zu dem Beschluss erleichtern sollen. "Wir sind
       viel kompromissbereiter, als es immer erscheint", fügte Seehofer hinzu.
       
       Dabei hatte es bis zuletzt so ausgesehen, als werde erneut ein wichtiges
       Vorhaben der großen Koalition am Widerstand aus München scheitern. Doch
       wollte Seehofer offenbar nicht als der ewige Blockierer dastehen, nachdem
       er zuletzt schon das wichtige Umweltgesetzbuch verhindert und die
       Schwesterpartei CDU damit tief verärgert hatte. Weil einer wie Seehofer
       aber nicht einfach klein beigeben kann, verfiel er auf einen Trick: Als
       Gegenleistung für seine Spendierfreude forderte er, den Bundesländern von
       2020 an jegliche Neuverschuldung zu untersagen, statt sie lediglich auf
       0,15 Prozent zu begrenzen. "Wenn wir jetzt Finanzhilfen neu etablieren,
       dann nur, wenn es kein Fass ohne Boden ist", sagte Seehofer.
       
       In den Verhandlungen hielten Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU)
       und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) dem Bayern zunächst vor, er sei
       dabeigewesen, als die Koalitionsrunde Entschuldungshilfen für die armen
       Länder beschloss. "Ich hab Sie doch gesehen", sagte Steinbrück. Am Ende
       hätten Christ- und Sozialdemokraten aber einsehen müssen, dass man dort nur
       Schuldengrenzen, nicht aber Finanzspritzen beschlossen habe, erläuterte
       Seehofer.
       
       Nach dem Kompromiss, den SPD-Fraktionschef Peter Struck und
       Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) am Freitag
       vorstellten, soll der Bund seine Neuverschuldung von 2011 bis 2016 wie
       ursprünglich geplant von derzeit rund drei Prozent auf dann nur noch 0,35
       Prozent des Sozialprodukts reduzieren. Die Länder haben bis zum Jahr 2020
       Zeit, dürfen dann aber überhaupt keine Schulden mehr machen.
       
       Im Gegenzug erhalten die fünf ärmsten Bundesländer, Bremen, Saarland,
       Schleswig-Holstein, Berlin und Sachsen-Anhalt, während der Übergangszeit
       Finanzhilfen von insgesamt 800 Millionen Euro pro Jahr. Diese Summe wird
       aus der Mehrwertsteuer finanziert und folglich von Bund und Ländern je zur
       Hälfte getragen.
       
       Abweichungen von der Schuldengrenze sollen in Wirtschaftskrisen und in
       besonderen Notsituationen wie etwa Naturkatastrophen weiterhin möglich
       sein. In beiden Fällen muss es aber einen verbindlichen Tilgungsplan geben,
       der die Rückzahlung der aufgenommenen Schulden regelt. Ein neu zu
       gründender Stabilitätsrat, dem die 17 Finanzminister von Bund und Ländern
       angehören, soll die Einhaltung der Vorschriften überwachen. Der Bund will
       die neuen Regeln noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Grundgesetz
       festschreiben. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig.
       Unklar blieb am Freitag, inwieweit auch die Änderung sämtlicher
       Landesverfassungen nötig ist. Die Föderalismuskommission wird am kommenden
       Donnerstag nochmals tagen, um letzte Einzelfragen zu klären.
       
       Weichen die fünf armen Länder von den geplanten Regeln ab, sollen sie keine
       Finanzhilfen mehr erhalten. Für den Bund und die reicheren Länder bleibt es
       aber bei stumpfen Sanktionsmechanismen. Hier können die
       Oppositionsfraktionen beim jeweiligen Verfassungsgericht lediglich die
       nachträgliche und daher folgenlose Feststellung einklagen, dass das
       Regierungshandeln rechtswidrig war.
       
       6 Feb 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralph Bollmann
       
       ## TAGS
       
   DIR EU-Kommission
   DIR Schuldenbremse
       
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