URI: 
       # taz.de -- Todesschüsse in Schönfließ II: Geldstrafen für tödliche Schüsse
       
       > In den letzten 34 Jahren 22 Menschen von Polizsten im Dienst erschossen
       > worden. Mehrere Fälle schlugen so hohe Wellen wie der aktuelle in
       > Schönfließ. Die Strafe fiel aber meist gering aus.
       
       Rückwirkend ab dem Jahr 1974 dokumentiert und analysiert der in Berlin
       erscheinende "Informationsdienst Bürgerrechte & Polizei/CILIP" den
       polizeilichen Schusswaffengebrauch mit tödlichem Ausgang. In Berlin sind
       demnach in den vergangenen 34 Jahren 22 Menschen von Polizisten im Dienst
       erschossen worden. Im Bundesvergleich erscheint diese Zahl nicht besonders
       hoch. Die Vorfälle sorgten auch selten für großes Aufsehen, weil Angriffe
       auf Polizisten zunehmen und immer mehr Täter bewaffnet sind.
       
       Dennoch gibt es Fälle, die Erinnerungen an den aktuellen Todesschuss in der
       Silvesternacht in Schönfließ wecken. Für mindestens ebenso viel Wirbel hat
       der Tod des 18-jährigen Andreas P. im November 1982 gesorgt: Nachts gegen
       halb vier wurde der Polizei damals ein Einbruch in einen Second-Hand-Laden
       in Kreuzberg gemeldet. Kaum dass der Funkwagen gehalten hatte, stürzte ein
       Beamter mit gezogener Waffe in den dunklen Hinterhof, wo der Täter gerade
       aus dem Fenster sprang. "Halt, Polizei, stehen bleiben", rief der Beamte.
       Andreas P. jedoch - der versucht hatte, eine gebrauchte Lederjacke zu
       stehlen - versuchte, über die Mauer zum Nachbargrundstück zu entkommen. Der
       Schuss traf den Jugendlichen in den Rücken. Er starb noch vor Ort. Ob er
       sich bereits auf der Mauer befand oder auf allen vieren kriechend davor,
       ließ sich nie klären.
       
       Wie Dennis J. in Schönfließ starb auch Andreas P. beim Fluchtversuch. "Wer
       in Richtung eines nur wenige Meter entfernten Menschen mit einer
       großkalibrigen Waffe ungezielt schießt, rechnet mit tödlichen Verletzungen
       und nimmt diese auch billigend in Kauf", hieß es in dem Urteil gegen den
       Polizisten. Es habe keinerlei Anhaltspunkte für eine Notwehrsituation
       gegeben, erklärte das Gericht und verurteilte den Beamten zu einer
       anderthalbjährigen Haftstrafe auf Bewährung. Damit war sein Beruf als
       Polizist beendet. Dass er keine Schusswaffe mehr tragen dürfe, sei in
       seinem und im Interesse der Allgemeinheit, erklärte das Gericht.
       
       Ein solch hartes Urteil gegen einen Polizisten, zudem mit derart deutlichen
       Worten, ist allerdings ungewöhnlich. In ähnlich gelagerten Fällen kamen die
       Angeklagten vergleichsweise glimpflich davon.
       
       Der 19-jährige Dietmar M. wurde Anfang der 80er-Jahre bei einem
       Festnahmeversuch erschossen. Um ihn zu verhaften, hatten zwei Beamte seine
       Wohnung besetzt, weitere observierten das Gebäude. Dennoch bemerkten sie
       nicht, dass M. das Haus betrat. Als er seine Wohnungstür aufschloss, fiel
       der tödliche Schuss. Zu diesem Zeitpunkt war der Schütze bereits seit 24
       Stunden im Dienst. Wegen fahrlässiger Tötung wurde der Beamte zu einer
       Geldstrafe verurteilt.
       
       Oder der Fall des Druckers Klaus-Detlef W. 1985. Während einer
       Betriebsfeier geht W. nach draußen, um Luft zu schnappen. Seine Brille hat
       er vergessen, selbst mit ihr ist der stark alkoholisierte Mann fast blind.
       Volltrunken irrt er im Freien herum, übersteigt schließlich den Zaun eines
       Firmengeländes und löst so einen Polizeieinsatz aus. Am Ende fallen mehrere
       Schüsse, einer trifft Klaus-Detlef W. tödlich in den Rücken. Das Projektil
       durchschlägt den Körper. Da es nicht gefunden werden kann, werden zwei
       Beamte wegen "versuchter schwerer Körperverletzung" zu Geldstrafen
       verurteilt.
       
       OTTO DIEDERICHS
       
       14 Jan 2009
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Otto Diederichs
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA