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       # taz.de -- Rechtsradikale in Tschechien: Litvinov könnte bald überall sein
       
       > Das brutale Vorgehen rechtsradikaler Schläger gegen Roma in der
       > nordbömischen Stadt wirft die Frage nach gravierenden Versäumnissen bei
       > der Integration der Minderheit auf.
       
   IMG Bild: Rechtsradikale Schläger in Litvinov.
       
       PRAG taz Würde es in Tschechien eine Top Ten der hässlichsten und
       perspektivlosesten Städte geben, wäre Litvínov sicher im oberen Viertel mit
       dabei. Die Stadt liegt inmitten des nordböhmischen Braunkohlegebiets. Hier
       ist die Luftverschmutzung so stark, dass überdurchschnittlich viele Babys
       mit Organschäden geboren werden. Es gibt auch Schönes aus Litvínov - zum
       Beispiel die Eishockeyspieler, die zu den besten der Welt zählen.
       
       Doch es ist nicht das Hockey, das Litvínov jetzt in die Schlagzeilen
       gebracht hat. Am Montag gedachte man hier des 19. Jahrestags der "Samtenen
       Revolution" mit bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen. Die obskure
       rechtsradikale "Arbeiterpartei" wollte mit Hilfe einer eigens gegründeten
       "Schutzstaffel" aufräumen in Janov - einem Stadtviertel Litvínovs, das zu
       rund 50 Prozent von Roma bewohnt ist. Viele von ihnen stehen auch in der
       Roma-Gesellschaft ganz unten. Meist ist ihre einzige Beziehungsperson
       außerhalb der Familie der örtliche Wucherer, bei dem sie hoch verschuldet
       sind. Ein sozialer Brennpunkt und idealer Nährboden für Neonazis also. Die
       wüteten am Montag zwei Stunden in Janov. Es gab 16 Verletzte und 14
       Anzeigen wegen Landfriedensbruchs.
       
       Und die Einsicht, dass es endlich Zeit geworden ist, den Anfängen zu
       wehren. "Heute ist es Litvínov, morgen Chanov, dann Zizkov", warnt der
       Extremismusforscher Miroslav Mares. Innenminister Ivan Langer hofft nun mit
       einem Verbot der "Arbeiterpartei" den Neonazis Einhalt zu gebieten. "Da
       können sie sich ja selbst denken, was wir in so einem Fall machen werden",
       belächelt der Chef der "Arbeiterpartei" Tomás Vandos diese Pläne.
       
       Was ein Parteiverbot bringen soll, fragen sich auch viele Beobachter der
       tschechischen Radikalenszene. Sind es doch weniger die Krawalle der
       Neonazis, die zumindest den aufgeklärten Teil der tschechischen
       Gesellschaft schaudern lassen. Sondern die Reaktionen der weißen Anwohner
       Janovs während der Straßenschlacht. "Gebts den schwarzen Schweinen",
       feuerten sie die Neonazis an und gaben ihnen Steine. "Wieso schützt ihr die
       Zigeuner? Uns solltet ihr vor ihnen schützen", riefen sie und beklatschten
       die Schläger.
       
       "Das Problem ist ein soziales", meint Miroslav Broz von der Stiftung
       "Mensch in Not". Denn das tschechische Prekariat besteht größtenteils aus
       Roma. Die Romapolitik bisheriger tschechischer Regierungen scheint sich
       nach dem tschechischen Sprichwort gerichtet zu haben: "Was das Auge nicht
       sieht, tut dem Herzen nicht weh." Auch in Janov gibt es keine sozialen
       Programme, die versuchen würden, die Roma in die Gesellschaft zu
       integrieren. Bleiben derartige Integrationsversuche weiter aus, fürchten
       viele Beobachter wie Miroslav Mares, wird Litvínov bald überall sein.
       
       20 Nov 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sascha Mostyn
       
       ## TAGS
       
   DIR Tschechien
       
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