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       # taz.de -- Interview mit „Türkisch für Anfänger“-Star: „Reich-Ranicki ist ein garstiger Zwerg“
       
       > Am Dienstag startet die dritte Staffel von „Türkisch für Anfänger“.
       > Josefine Preuß über die Bedeutung von Preisen, das deutsche
       > Fernsehprogramm und Hoffnungsträger Barack Obama.
       
   IMG Bild: Josefine Preuß erlebt als „Lena“ das turbulente Leben einer deutsch-türkischen Patchwork-Familie in Berlin.
       
       taz: Sie haben bereits den Grimme- und den Deutschen Fernsehpreis bekommen.
       Lehnen Sie den nächsten Preis ab? 
       
       Josefine Preuß: Was Marcel Reich-Ranicki da bei der Verleihung des
       Deutschen Fernsehpreises gemacht hat, ist eine riesige Beleidigung. Er
       hätte vorher wissen können, was ihn erwartet und mit solchen
       Pauschalurteilen verpasst er jedem einen Schlag ins Gesicht. Jedes Projekt
       ist doch ein Produkt von einem großen Team, von vielen Menschen vor und
       hinter der Kamera. Etwas Herausragendes auszuzeichnen ist doch wunderbar.
       Für mich ist Marcel Reich-Ranicki ein garstiger Zwerg, der noch mal groß
       werden will.
       
       Kommt Deutschland nicht auch sehr gut ohne Bambi & Co. zurecht? 
       
       Natürlich kommt man sehr gut ohne sie zurecht. Sie sind aber auch ein
       Schmankerl, ein i-Tüpfelchen und eine schöne Erinnerung für ein Projekt.
       Ich selbst labe mich nicht an ihnen. Mit keinem der Preise, die ich
       bekommen habe, hatte ich vorher gerechnet. Das war für mich jedes Mal ein
       Riesending, eine tolle Überraschung und ein großes Kompliment. Alle stehen
       jetzt auf dem Sideboard meiner Mutter. Denn die hat sich immer genauso so
       sehr gefreut. Und gegen Preisverleihungen habe ich nichts, denn die Parties
       danach sind immer der Knaller. Da gibt es immer super Essen, man trifft
       viele witzige Leute und Kollegen. Jede ist anders. Von Berlin nach Köln
       fliegen, im Hotel übernachten – das hat nicht jede 22-Jährige. Das zählt zu
       den angenehmen Seiten des Berufs, die ich dann auch gern mitmache.
       
       Vor einigen Wochen noch meinten Publizisten eine dringende Diskussion über
       die Qualität des Fernsehen führen zu müssen. Ist es so schlecht darum
       bestellt? 
       
       Jein. Wenn ich mal einen freien Nachmittag habe, komme ich leider auch
       nicht um eine Gerichts- oder Talkshow herum. Aber es gibt offensichtlich
       Leute, die es gucken. Es läuft. Kann man es Programmchefs, die ja auch für
       viele Mitarbeiter verantwortlich sind, da verdenken, dass sie nicht daran
       rütteln? Außerdem haben wir doch Super-Kanäle. Alle Bereiche sind
       abgedeckt. Es gibt doch auch Phoenix, 3sat und arte. Ich persönlich bin ein
       großer Fan des Kinderkanals Ki.Ka, für den ich auch lange gearbeitet habe.
       Ein super Angebot für Kinder. Wenn man will, kann man sich im deutschen
       Fernsehen sehr gut informieren. Amerika hat doch da mit seinen 1.000
       Shopping-Sendern weit mehr Pech. Und wenn man jung ist, schaut man halt
       VIVA und MTV. Lasst uns doch erst mal erwachsen werden, dann gucken wir
       auch anderes.
       
       In der nächsten Woche startet die dritte Staffel von „Türkisch für
       Anfänger“. Was macht diese Serie für Sie aus? 
       
       Diese Serie zeigt endlich: Die Deutschen haben Witz. Und so, wie sie
       gemacht ist, gab es noch keine: eine Patchwork-Famile mit krassen
       kulturellen Unterschieden, eine Serie, die so politisch unkorrekt mit
       Klischees spielt und sie überspitzt. Wir sind, glaube ich, die einzige
       Vorabend-Serie in der ARD, in der die Figuren ohne weiteres auch mal ‚Fuck‘
       sagen dürfen. Wir beleidigen nebenbei mal den Bundespräsidenten oder auch
       mal Ursula von der Leyen mit ihren gefühlten 1.000 Kindern und die ARD
       findet's o.k. Türkisch für Anfänger ist für mich einfach jung, frisch und
       innovativ. Das gefällt mir. Außerdem kommen wir nicht mit dem erhobenen
       Zeigefinger und dem Anspruch daher, zu zeigen, wie Integration
       funktioniert. Die Leute sollen sich abends einfach auf die Couch knallen
       und Spaß haben.
       
       Kritiker überschütteten die Serie von Anfang mit Lob, überragende Quoten
       hatte die Serie aber nie. Woran liegt das? 
       
       Absolut die Sendezeit. Um 18.50 Uhr schafft es halt nicht jeder, schon zu
       Hause zu sein. Trotzdem ist die Serie dort gut angesiedelt. Als Vorbild
       hatten wir immer ‚Berlin, Berlin‘. Leider haben andere komische Formate wie
       'Sophie – Braut wider Willen“ diesen Sendeplatz dann ein bisschen
       runtergerockt. Aber die Auszeichnungen haben viele aufmerksam gemacht, wir
       haben eine gute Fan-Base, die sich schon sehr auf die neue Staffel freut.
       
       Was hat sich an der Serie in der nun startenden dritten Staffel verändert
       und wie zufrieden sind Sie selbst mit dem Ergebnis? 
       
       Wir machen eine Zeitsprung von zwei Jahren. Lena und Cem müssen sich nach
       der Schule jetzt entscheiden, was sie werden wollen. Alle Figuren machen
       eine tolle Entwicklung durch, es gibt neue Figuren, andere gehen, es wird
       wieder lustig und traurig sein. Und gerade die letzte Folge ist so
       überraschend, dass ich auf die Reaktionen sehr gespannt bin. Ich jedenfalls
       bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Und falls das an Herrn Marcel
       Reich-Ranicki wieder mal vorbeigeht, schick' ich ihm gern 'ne DVD-Box.
       
       Wird es eine vierte Staffel geben, und wenn ja, wollen Sie wieder mit dabei
       sein? 
       
       Bisher war jede Staffel so angelegt, dass es keine nächste geben muss, aber
       dann gab es ja glücklicherweise doch wieder eine. Auch die ARD guckt
       natürlich auf die Quoten. Und wenn die dieses Mal in die Höhe schnellen,
       wäre die ARD doch eigentlich ein bisschen blöd, uns keine vierte Staffel zu
       geben. Für uns Schauspieler jedenfalls war diese Serie ein Riesenschritt,
       wir bekommen alle tolle neue Angebote.
       
       Barack Obama ist der erste schwarze Präsident der USA. Eine gute Wahl? 
       
       Yeah, Barack Obama. Na klar, der schreibt Geschichte, der erste schwarze
       Präsident der USA. Da beißen sich die Texaner doch in den Arsch. Bush hat
       das Land kaputt gemacht. So viele Menschen stehen zum Beispiel noch immer
       ohne Krankenversicherung da. Obama wird viel zu tun haben und er wird
       nichts von heute auf morgen verändern können. Man muss ihm jetzt erst
       einmal Zeit lassen, da reinzukommen. Doch ich bin sehr zuversichtlich, dass
       er schafft, was er sich vornimmt und hoffe sehr, dass ihm und seiner
       Familie nichts passiert, dass irgendein Durchgeknallter den Präsidenten
       ermordet. Das wäre ja leider nicht das erste Mal.
       
       17 Nov 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Rettberg
       
       ## TAGS
       
   DIR Arte
       
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       Fazit: Die alten Folgen waren besser.