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       # taz.de -- Ultimate Fighting: Die Käfigkämpfer
       
       > Barbarei oder Sport? Ultimate Fighting mausert sich zu einem
       > professionellen Kampfevent mit Regeln und Gewichtsklassen. Bald kommen
       > die Raufbolde nach Deutschland.
       
   IMG Bild: Soll Sportart werden: Ultimate Fighting.
       
       Das ist besser als Boxen, findet David Hatton, viel besser. Warum? Der
       Lagerarbeiter aus Birmingham zuckt mit den Schultern. "Mehr Action, weniger
       Taktik", sagt er dann schließlich. Seine Freundin Fiona nickt. Boxen schaut
       sie nicht, aber das hier schon.
       
       Das hier ist der nach eigenen Angaben der härteste Sport der Welt. Die
       "Ultimate Fighting Championship" (UFC) hat ihren achteckigen Käfig in der
       National Indoor Arena von Birmingham aufgebaut, und 9.500 Zuschauer wollen
       dabei sein. Ausverkauft, seit Wochen.
       
       Als dann nach zehn Vorkämpfen und fünf Stunden des Kämpfens Mann gegen Mann
       Michael Bisping aus Manchester den Amerikaner Chris Leben mit Schlägen,
       Tritten und Knien malträtiert, mal im Stehen, mal auf dem Boden, gibt es
       kein Halten mehr. Das Publikum jubelt frenetisch, ihr Landsmann gewinnt
       nach drei Fünf-Minuten-Runden einstimmig nach Punkten.
       
       Dabei schaut einer voller Zufriedenheit und Selbstbestätigung ins weite
       Rund: Dana White, der Präsident des in Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada
       residierenden Unternehmens. Er habe es schon immer gewusst, wird der
       bullige Mann mit der Glatze später zu Protokoll geben. Dieser Sport sei der
       größte der Welt.
       
       Vor 15 Jahren kauften White und seine Investoren, die Casino-Besitzer
       Lorenzo und Frank Fertitta, das insolvente Unternehmen UFC. Der Käfigkampf,
       in dem praktisch alles erlaubt war, hatte der heute für das Amt des
       amerikanischen Präsidenten kandidierende republikanische Senator John
       McCain in den Neunzigerjahren erfolgreich bekämpft.
       
       Auf Betreiben des bekennenden Boxfans wurde der Sport in den Vereinigten
       Staaten verboten, die UFC musste nach Japan ausweichen. Immer weniger
       Zuschauer bezahlten für die Liveübertragungen im Bezahlfernsehen.
       
       Der heute 39 Jahre alte White und die Fertittas verpassten dem Sport eine
       Vielzahl an Regeln. Sie führten Handschuhe und Gewichtsklassen ein,
       verboten Kopfstöße ebenso wie Stöße mit dem Knie und Tritte gegen den Kopf,
       sobald ein Gegner am Boden liegt. Sie pumpten Millionen von Dollar in die
       Vermarktung eines Sports, der barbarisch anmutet, aber viel von seinem
       Schrecken verliert, sobald man die Athleten im Umgang miteinander sieht.
       
       Der Brite Dan Hardy sank in Birmingham nach seinem Punktsieg über den
       Japaner Akihiro Gono vor seinem Gegner zu Boden und verbeugte sich. Der von
       den Schlägen und Tritten Hardys gezeichnete Gono erwiderte die
       Respektbezeugung ebenfalls mit einem Kniefall.
       
       Der Amerikaner Marcus Davis erklärte, Sekunden nachdem er Paul Kelly mit
       einem Würgegriff zur Aufgabe gezwungen hatte, in dem eisenharten Kerl aus
       Liverpool einen neuen Freund gefunden zu haben.
       
       Für die Wahrnehmung der Athleten als Menschen kämpft White seit Jahren.
       "Ich habe mir den Arsch aufgerissen, bin überall in der Welt herumgeflogen,
       um die Leute zu überzeugen, was das für ein toller Sport ist und was das
       für tolle Athleten sind", erzählt der hemdsärmelige Amerikaner, der am
       liebsten in Jeans und Kapuzenpullover daherkommt.
       
       Mit der amerikanischen Biermarke Budweiser und dem Motorradhersteller
       Harley-Davidson hat er zwei äußerst potente Werbepartner im Rücken. Wohl
       auch deshalb behauptet er: "Wir sind im Kommen." Im Januar kehrt die UFC
       nach zwei Veranstaltungen in den Vereinigten Staaten wieder nach Europa
       zurück.
       
       Dieses Mal fliegen in Dublin die Fäuste, Beine, Knie. Im nächsten Jahr soll
       auch erstmals in Deutschland gekämpft werden. "Das ist ein globaler Sport.
       Deshalb werden wir jetzt in Deutschland, auf den Philippinen und in Dubai
       veranstalten", kündigt White an.
       
       Die neue Berliner Arena am Ostbahnhof steht bereits als Austragungsort
       fest. Das Europa-Engagement der UFC, die zuvor zweimal in London
       veranstaltete, ist jedoch hoch defizitär. Das weiß White. "Es ist ein
       reines Zuschussgeschäft", bestätigt er. Aber es soll eine Investition in
       die Zukunft sein.
       
       In Großbritannien hat er immerhin einen Bezahlsender gefunden, der seine
       Veranstaltungen überträgt. In Deutschland hielt "Premiere" eine Zeit lang
       die Übertragungsrechte, verzichtete dann jedoch nach mäßigem Erfolg auf
       weitere Übertragungen.
       
       Aber White und die UFC haben einen langen Atem. Denn in den Vereinigten
       Staaten scheffeln sie Millionen. Die UFC läuft dem Boxsport dort den Rang
       ab. Die Kämpfe sind kürzer, die Vermarktung spektakulärer, es gibt nur
       einen Weltmeister. Die Besten treten regelmäßig gegeneinander an, sie
       können sich nicht hinter freiwilligen Titelverteidigungen gegen
       handverlesene Gegner verstecken.
       
       Während Boxgrößen wie Oscar De La Hoya Börsen von 20 Millionen Dollar pro
       Kampf einstreichen, zahlt White an seine Weltmeister rund 250.000 Dollar an
       Preisgeld aus. Die jungen Zuschauer laufen der UFC in Scharen zu. Auch
       deshalb, weil der Sport als cool gilt.
       
       Die Kämpfer kommen mitunter wie Surfer daher: in überlangen Shorts, mit
       Baseballkappen und großflächigen Tätowierungen auf den muskulösen Körpern.
       "Diesem Sport gehört die Zukunft", sagt Marc Ratner. Er könnte es wissen.
       Jahrzehntelang stand er der "Athletic Commission" des Bundesstaates Nevada
       vor. Er wachte bei allen Boxkämpfen über die Einhaltung der Regeln.
       
       Er war es, der 1997 während des Kampfes Mike Tyson disqualifizierte, als
       der seinem Gegner Evander Holyfield ins Ohr gebissen hatte. Mittlerweile
       hat Ratner die Seiten gewechselt und arbeitet für die UFC. Er soll dem
       Sport Seriosität verleihen. Michael Bisping hat es als Gewinner der dritten
       Staffel der Reality-TV-Serie "The Ultimate Fighter" sowohl in den
       Vereinigten Staaten als auch in seinem Heimatland zu Prominenz gebracht.
       
       Die Sendung verhalf der UFC zum Durchbruch. Die Kämpfer lebten sechs Wochen
       lang unter einem Dach, trainierten in zwei Teams und traten regelmäßig im
       Käfig gegeneinander an. Die Kamera begleitete sie auf Schritt und Tritt,
       zeigte sie nicht nur als knallharte Kämpfer, sondern auch als
       Familienväter, als Menschen mit ganz normalen Ängsten und Nöten.
       
       Bisping jubelte nach seinem Sieg, dem 18. im 19. Profikampf, mit seinem
       Sohn auf dem Arm. Und Leben, schwer gezeichnet von einem tiefen Cut unter
       dem rechten Auge und Schwellungen im Gesicht, erklärt per Hallenmikro:
       "Dieser Kampf war ein Spaß." Und an das Publikum gerichtet, fragt er:
       "Haben wir euch gegeben, was ihr sehen wolltet?" Die 9.500 Zuschauer johlen
       vor Begeisterung. Sie werden wiederkommen. Die UFC auch.
       
       21 Oct 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Arne Leyenberg
       
       ## TAGS
       
   DIR Menschenrechte
       
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