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       # taz.de -- Lkw-Passagen zu versteigern: Die Schweiz will Lkw-Transit begrenzen
       
       > Künftig sollen jährlich nur noch 650.000 Laster durch die Alpenrepublik
       > brettern, halb so viele wie derzeit. Ein neuer Gesetzentwurf der
       > Regierung greift die wieder auf, die Lkw-Passagen zu versteigern.
       
   IMG Bild: Das Konzept ist so einfach wie einleuchtend: Die 650.000 zulässigen Fahrten im Jahr werden versteigert - und mehr sind einfach nicht auf dem Markt.
       
       Die Schweizer Abgeordneten werden sich in ihrer am Dienstag beginnenden
       Sitzung mal wieder mit dem wachsenden Lkw-Verkehr beschäftigen. Schon 1994
       hatte das Volk seinen klaren Willen bekundet: Jährlich sollten höchstens
       noch 650.000 Laster die Schweizer Alpen überqueren dürfen. Zehn Jahre gaben
       sie den Politikern damals Zeit für die Umsetzung. Doch die Realität sieht
       anders aus. Mittlerweile registrieren die Ämter doppelt so viele Brummis
       auf den Straßen, als der Volkswille zulassen will - Tendenz rasant
       steigend. Hinzu kommt, dass die Laster immer größer werden: Als
       Gegenleistung für die Einführung einer Schwerverkehrsabgabe musste die
       Schweiz in den Verhandlungen mit der EU zulassen, dass auch 40-Tonner auf
       ihren Straßen herumfahren; vorher waren maximal 28-Tonner erlaubt.
       
       Vieles spricht dafür, dass das Schweizer Parlament, der Nationalrat, den
       Zeitpunkt, zu dem nur noch 650.000 Laster fahren dürfen, erneut nach hinten
       schieben wird. So hat es bereits die kleinere Kammer des Parlaments, der
       Ständerat, vorgeschlagen. Erst im Jahr 2019 soll das Ziel erreicht sein -
       zwei Jahre nachdem der Gotthard-Basistunnel voraussichtlich in Betrieb
       geht. Die Hoffnung: Ein Großteil des Güterverkehrs durchquert die Schweiz
       dann auf den unterirdischen Schienen.
       
       Dass diese Prognose eintrifft, ist jedoch unwahrscheinlich. Auch der im
       vergangenen Jahr eröffnete Lötschberg-Tunnel hat nicht dazu geführt, dass
       der überirdische Lkw-Verkehr abnimmt. Mit dem Hinweis auf diese neue
       Bahntrasse hatte das Parlament bereits einmal das Erreichen des
       650.000-Lkw-Ziels um fünf Jahre nach hinten verlegt. "Wenn wir uns nicht
       darauf beschränken wollen, in die Kirche zu gehen und zu beten, sind
       zusätzliche Maßnahmen erforderlich", schlussfolgert Toni Aschwanden von der
       Alpeninitiative.
       
       Seine Organisation hat schon vor einigen Jahren den Vorschlag einer
       Alpentransitbörse ins Spiel gebracht. Das Konzept ist so einfach wie
       einleuchtend: Die 650.000 zulässigen Fahrten im Jahr werden versteigert -
       und mehr sind einfach nicht auf dem Markt. Das für Verkehr zuständige
       Ministerium griff die Idee auf. Eine erste Expertise bestätigte bereits im
       Jahr 2004, dass sich mit einer Alpentransitbörse "die Verlagerung des
       Schwerverkehrs auf die Schiene kosteneffizient und diskriminierungsfrei
       erreichen" ließe. Auch eine zweite Studie kam zu dem Ergebnis, dass "eine
       Alpentransitbörse betrieblich, technisch und rechtlich machbar ist". In dem
       aktuellen Gesetzentwurf der Regierung tauchte die Alpentransitbörse dann
       allerdings nur als eine Möglichkeit auf. Voraussetzung dafür sollte das
       Einvernehmen mit den Nachbarländern sein.
       
       Massiver Widerstand von deutschen Spediteuren ist absehbar. Auch die EU
       hatte zunächst ablehnend reagiert: Ungehinderter Verkehr habe höchste
       Priorität. Doch immerhin hat Grillo Pasquarelli, bei der EU-Kommission
       zuständig für Landverkehr, inzwischen Verständnis dafür signalisiert, dass
       die Schweiz den Lasterverkehr über die Alpen aus Umweltgründen begrenzen
       will. Voraussetzung für die Einführung eines Versteigerungssystems der
       Lkw-Fahrten sei allerdings, dass die EU-Spediteure eine Alternative hätten.
       Daran mangelt es nach Ansicht von Aschwanden nicht: Die Kapazitäten des
       Lötschbergtunnels seien nicht ausgeschöpft.
       
       "Auch für den Brenner ist das Modell einer Alpentransitbörse interessant",
       versucht Heike Aghte, Präsidentin der Europäischen Verkehrsinitiative, das
       Rad weiterzudrehen. Auf der österreichischen Haupttransitstrecke sind
       jährlich zwei Millionen Laster unterwegs.
       
       14 Sep 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Annette Jensen
   DIR Annette Jensen
       
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