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       # taz.de -- Tischtennis in China: Ping Pang Pong
       
       > Warum ist China im Tischtennis eine Weltmacht, obwohl die Sportart im
       > übrigen Asien wenig Freunde hat? Auslöser war ein historischer Sieg.
       
   IMG Bild: Präsident Hu Jintao beim Volkssport.
       
       Auf Medaillengeschenke wie zu Hochzeiten der "Pingpong-Diplomatie", als
       einzelne Chinesen absichtlich gegen befreundete Länder verloren, darf bei
       Olympia keiner spekulieren. In China wird an den Tischtennisplatten der
       maximale Erfolg erwartet: Alle vier Goldmedaillen sollen bei den
       Wettkämpfen in Peking an die einheimischen Sportler gehen. Ein durchaus
       realistisches Szenario. Der belgische Exeuropameister Jean-Michel Saive
       hatte einmal gescherzt: "Es gibt nur eine Chance, die Chinesen zu besiegen:
       wenn sie den Bus verpassen."
       
       Die täglich 8.000 Tickets in der Pekinger Universität zählten zu den
       ersten, die vergriffen waren. Während Tischtennis außerhalb Asiens eher als
       Randsportart vor sich hindümpelt, ist die schnellste Rückschlagsportart der
       Welt im Land des Olympia-Gastgebers Volkssport.
       
       Das aus England stammende Spiel begann 1959 seinen Siegeszug in China.
       Damals wurde Rong Guotuan in Dortmund erster chinesischer Weltmeister. Zwei
       Jahre später fand die 26. Tischtennis-WM in Peking statt. Unter dem Jubel
       von Millionen Zuschauern besiegte dabei das einheimische Team die Japaner,
       die früheren Besatzer Chinas. Die neuen Idole ließen immer mehr Jugendliche
       zum Schläger greifen. Bis heute reichen ihnen notfalls im ärmsten Winkel
       einer Millionenstadt eine Holz- oder Steinplatte sowie ein Provisorium in
       der Mitte als Netz für den billigen Zeitvertreib. Als weiterer Katalysator
       zur Popularisierung von "Ping Pang Qiu", wie es in China heißt, wirkte die
       Unterstützung der Kommunistischen Partei. Mao Tse-tung nutzte inmitten des
       Kalten Kriegs den Sport zu einer bis dahin ungewöhnlichen Idee: der
       "Pingpong-Diplomatie". Um die verhärteten Fronten aufzuweichen, lud China
       1971 die amerikanische Tischtennis-Auswahl zu einem Ländervergleich ein.
       
       Die chinesischen Erfolge hält Bundestrainer Richard Prause für "kein
       Hexenwerk". Schwedens Exolympiasieger Jan-Ove Waldner, der in China
       Kultstatus besitzt, verweist auf die guten Trainer, das System und die
       riesige Auswahl an Talenten: "Wir haben in Schweden knapp 8.000 lizenzierte
       Spieler. Das kann man mit China gar nicht vergleichen." Dort gibt es
       schätzungsweise bis zu 300 Millionen Hobbyspieler, wovon rund 10 Millionen
       offiziell gemeldet sein sollen. Der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) gilt
       mit rund 600.000 Mitgliedern als mit Abstand größter europäischer Verband.
       Noch deutlicher klafft die Schere bei den Profis auseinander. Verdingen
       sich Tausende in den chinesischen Provinzen, sind es laut Prause in
       Deutschland rund 50 Profispieler.
       
       Hinzu kommt die harte Auslese. Gilt der 42-jährige Waldner, der Ende der
       80er und in den 90er-Jahren mit Peking-Teilnehmer Jörgen Persson (42) die
       Dominanz Chinas durchbrach, als Jahrhunderttalent, kommen aus dem
       chinesischen System regelmäßig Spieler dieses Kalibers an die Weltspitze.
       Wang Jingjiang von der Chinesischen Tischtennis-Gesellschaft sagt: "Viele
       Kinder lernen schon im Alter von vier oder fünf Jahren Tischtennis spielen.
       Sie sind meistens gerade mal so groß wie der Tisch." In
       Freizeitsportschulen sei "der Wettbewerb heftig und manchmal sogar brutal
       für die Kinder". Die Schüler müssten hart trainieren, um wirklich
       herauszuragen und für die Provinzmannschaften auserwählt zu werden.
       
       Die für Deutschland startende Olympia-Debütantin Wu Jiaduo vom Meister FSV
       Kroppach trainierte vom 12. bis zum 19. Lebensjahr als Profi in China. Sie
       erzählt: "Ich stand in der B-Nationalmannschaft, der die Nummer 20 bis 40
       der Rangliste angehören." Obwohl man mit dem dort bestehenden
       Leistungsvermögen immer noch international konkurrenzfähig wäre, sammelte
       Wu angesichts der starken Konkurrenz kaum Spielerfahrung außerhalb Chinas.
       Finanziell ist die unerbittliche Selektion kein Problem: Die Kinder
       verdienen mit zwölf oft mehr als ihre Eltern. Und im Falle des Misserfolgs
       garantiert der Staat die Absicherung. Die 30-jährige Wu berichtet: "Jeder
       erhält einen Job." Oft als Tischtennistrainer in der Provinz oder als
       Sparringspartner für die Stars. Und als Stilimitator, etwa des deutschen
       Tischtennisstars Timo Boll, kann man auch einen kleinen Beitrag zur
       chinesischen Goldmedaille leisten.
       
       6 Aug 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hartmut Metz
       
       ## TAGS
       
   DIR Tischtennis
       
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