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       # taz.de -- Peter Rühmkorf ist gestorben: Paradiesvogel zwischen den Stühlen
       
       > Mit Peter Rühmkorf starb am Montag einer der wichtigsten deutschen
       > Autoren. Eine eigentümliche Mischung aus L'art pour l'art und
       > Gossensprache zeichnete den Büchnerpreisträger aus.
       
   IMG Bild: Peter Rühmkorf verstarb 78-jährig
       
       Halb Dandy, halb Clochard, geschmäcklerisch und selbst bei Auftritten im
       privaten Rahmen oft geradezu übereifrig nach stilistischer Grandezza
       heischend, zugleich aber auch von einer Kaputtheit, die dem Feuilleton wohl
       nie ganz geheuer war - das war Peter Rühmkorf. Eine ganz eigentümliche
       Mischung aus Lart pour lart und Gossensprache zeichnete ihn während seiner
       50-jährigen Laufbahn als Schriftsteller aus. Vielleicht hat er wegen
       solcher inneren Zerrissenheiten den Büchnerpreis, Deutschlands wichtigeste
       Literaturauszeichnung, erst so spät bekommen, 1993 nämlich. Aber sein Rang
       ist längst allgemein anerkannt. Mit Peter Rühmkorf starb gestern 78-jährig
       einer der wichtigsten deutschsprachigen Autoren.
       
       Von Beginn seiner Laufbahn an saß Rühmkorf zwischen den Stühlen, mehr noch:
       Er hat es sich zum Prinzip gemacht, zwischen den Stühlen zu sitzen.
       Finismus, so nannte er die Richtung, mit der er bereits als
       Mittzwanzigjähriger die bundesrepublikanische Literaturszene aufmischen
       wollte und sie auch bis zu einem gewissen Grad aufzumischen schaffte: Er
       wollte, wie er damals schrieb, den "herzzerreißenden Versuch" wagen,
       "politische Wirkungsästhetik und individuelle Ausdrucksästhetik gesammelt
       zu begreifen". Kurz: Er wollte politische Wirksamkeit und Innerlichkeit
       zusammendenken, privateste Mitteilungen in Gedichte setzen und zugleich
       allgemeine gesellschaftliche Aussagen treffen. Und zugleich wollte er auch
       noch erklärtermaßen höchsten Kunstansprüchen gerecht werden, ohne sich je
       in bloße Kunststückchen zu verlieren. Einfach hat es sich Rühmkorf nie
       gemacht.
       
       Auch rund um das Jahr 1968 nicht. Auch in dieser Zeit ist er nicht auf
       einen Begriff zu bringen. Auf der einen Seite marschierte er mit dem SDS,
       machte Front gegen den Springer-Verlag und formte als politischer
       Leitartikler für die Zeitschrift Konkret politisches Bewusstsein mit. Auf
       der anderen Seite hat er es aber auch immer abgelehnt, die Kunst insgesamt
       von politischen Ansprüchen in Besitz nehmen zu lassen. Etwas
       Desillusioniertes und Skeptisches hat er sich sowieso in allen Lebenslagen
       bewahrt. In seinen kürzlich erschienenen letzten Gedichten
       "Paradiesvogelschiß" hat er es dafür sogar fertiggebracht, dem nahe
       gefühlten Tod bittere Komik abzugewinnen. Auch seine Tagebuchbände "Tabu"
       und "Tabu II", die ihm noch einen ansehnlichen Verkaufserfolg bescherten,
       bersten vor bitterem Witz.
       
       Geboren wurde Rühmkorf am 25. Oktober 1929 in Dortmund. Gelebt hat er seit
       langem in Hamburg an der Elbe, wo er vor kurzem, obwohl schon lange
       krebskrank, noch auf Spaziergängen zu sehen war. Mitarbeit: DRK
       
       9 Jun 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Schäfer
       
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