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       # taz.de -- Schülerstreik: Schüler wollen mehr und besser lernen
       
       > Rund 5.000 Schüler und Studenten protestieren gegen chaotische Zustände
       > an Schulen, Unterrichtsausfall, Lehrermangel und zu wenig Seminare
       
   IMG Bild: Gegen Rassismus gingen die SchülerInnen auf die Straße
       
       Der Potsdamer Platz ist überfüllt mit jungen Leuten. "Für ein alternatives
       Bildungssystem" und "We love to educate you" steht auf ihren Spruchbändern.
       Rund 5.000 Schüler und Studenten protestieren am Donnerstag gegen die
       Bildungspolitik des Senats. Zu der Demo hat die Schülerinitiative
       "Bildungsblockaden einreißen" aufgerufen.
       
       Till und Dario (beide 18) von der Knobelsdorff-Schule aus Spandau stehen in
       der Menge und lauschen den Redebeiträgen. "Wir sind hier, um gegen den
       ständigen Unterrichtsausfall zu protestieren", sagt Dario. Die beiden
       werden nächstes Jahr ihr Fachabitur in Englisch und in Mathematik machen.
       "Seit einem halben Jahr habe ich kein Mathe mehr gehabt und habe nun Angst,
       meine Prüfung nicht zu schaffen", erklärt Till.
       
       In diesem Moment zieht die Demo los. Über die Boxen des Lautsprecherwagens
       läuft Tocotronics "Aber hier leben, nein danke", die Schülerinnen und
       Schüler skandieren den Demoklassiker "Wir sind hier und wir sind laut, weil
       man uns die Bildung klaut".
       
       Auch Studenten, wie Sven von der Humboldt-Universität, stimmen in die
       Sprechchöre ein. Sven studiert Sozialwisschenschaften: "In meinem
       Studiengang werden zu wenig Seminare angeboten. Das führt dazu, dass
       Studenten aus den Seminaren geworfen werden, weil die Räume zu voll sind."
       Für ihn steht fest: "Es muss unbedingt mehr Geld in die Lehre fließen, um
       dieses Problem zu beheben."
       
       An der Kreuzung Leipziger Straße, Ecke Friedrichstraße beginnen die Schüler
       eine Sitzblockade. Auf dem Gehweg stehen Passanten wie das Ehepaar Gruber
       aus Augsburg. Sie finden es "großartig", dass die Schüler "für ihre Rechte
       auf die Straße gehen". Allerdings sind beide skeptisch, ob der Senat auf
       die Schüler hören wird.
       
       Daran zweifeln auch Hakan und Fritz von der Gustave-Eiffel-Hauptschule in
       Prenzlauer Berg. "Wir waren auch letztes Jahr hier, und es hat sich seitdem
       nichts geändert", sagt Hakan. "Wir haben heute nicht die Schule geschwänzt,
       um an dem Streik teilzunehmen - der Unterricht ist eh ausgefallen."
       Vertretung für kranke Lehrer gäbe es fast nie, beklagt sich Fritz. "Außer
       dem Lehrerausfall finden wir unseren Unterricht sehr unkreativ und
       langweilig. Die Lehrer verteilen uns nur Arbeitsblätter, die wir dann
       ausfüllen müssen", erzählt Hakan. Er würde gern Fachabitur machen, meint
       aber, "dass ich mit der Vorbereitung an meiner Schule keine Chance dafür
       habe".
       
       Alex, der an diesem Jahr sein Abitur am Andreas-Gymnasium in Friedrichshain
       macht, kritisiert vor allem den "überdimensionalen" Rahmenlehrplan. "In der
       Schule wird zu viel Stoff behandelt. Ich habe zwar noch neun Jahre für mein
       Abitur gehabt, aber selbst diese Zeit hat nicht ausgereicht, um alle Themen
       durchzunehmen." Entsprechend skeptisch bewertet er das "G-8-Abitur". Er ist
       davon überzeugt: "Die chaotischen Zustände - also zu wenig Lehrer,
       Stundenausfall und überbordende Lehrpläne - müssen dringend verändert
       werden."
       
       Bei der Abschlusskundgebung fliegen Böller, Steine und Flaschen in Richtung
       Polizei. Drei Schüler werden vorläufig festgenommen. Till kommentiert:
       "Wowereit und Zöllner können sich nicht ewig die Ohren zuhalten."
       
       23 May 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lukas Dubro
       
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   DIR Streik
       
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