# taz.de -- Schwere Kämpfe im Libanon: Schiiten-Miliz besetzt Beiruts Zentrum
> Nächtliche Auseinandersetzungen zwischen Armee und Hisbollah haben zehn
> Tote gefordert. Die Hisbollah-Miliz hat Teile von Libanons Hauptstadt
> unter Kontrolle gebracht.
IMG Bild: In Libanons Hauptstadt herrscht derzeit in manchen Vierteln das Panzerfaustrecht.
BEIRUT taz Libanons Hisbollah zeigt ihre Muskeln. Kämpfer der schiitischen
Miliz haben nach kurzen Straßenkämpfen große Teile Westbeiruts unter ihre
Kontrolle gebracht. Mindestens elf Menschen sind dabei ums Leben gekommen.
Am gestrigen Freitag war die Lage in der libanesischen Hauptstadt relativ
ruhig, aber extrem gespannt. Nur noch vereinzelt waren Schüsse zu hören. In
der Hamra, der wichtigsten Einkaufstraße im Westen der Stadt, haben
Hisbollah-Kämpfer Stellungen bezogen. Die Residenzen des sunnitischen
Spitzenpolitikers Saad Hariri und des Drusenführers und Walid Dschumblatt
wurden belagert. Ministerpräsident Fuad Siniora verschanzte sich in seinem
von Polizei und Soldaten schwer bewachten Büro in der Innenstadt.
Dschumblatt erklärte in einem Interview mit der arabischen Fernsehstation
al-Arabija, dass er unter dem Schutz der Armee ausharren wolle. "Niemand
kann Beirut einseitig übernehmen. Keine Partei, wie mächtig sie militärisch
auch sein mag, kann die andere abmurksen", sagte er, erklärte sich aber
auch zu einem Dialog mit Hisbollah bereit.
Zuvor hatte die Schiiten-Miliz die Büros des regierungsnahen Future-TV und
der Tageszeitung al-Mustakbal gestürmt. Beide gehören Saad Hariri, dem Sohn
des ermordeten Premierministers Rafik Hariri und Chef der
Regierungsfraktion im Parlament. Libanons Regierungsarmee hat sich aus den
Kämpfen herausgehalten, hat aber das Gebäude von Future-TV von der
Hisbollah wieder übernommen, unter der Voraussetzung, dass die Station
nicht wieder auf Sendung geht.
Ausgelöst worden war die neueste Krise des Libanon, der ohnehin zwischen
einer prowestlichen Regierung und einem von der proiranischen Hisbollah
angeführten Oppositionsbündnis polarisiert ist, durch einen Beschluss des
Kabinetts, ein privates Telekommunikationsnetz der Hisbollah zu schließen.
Außerdem war der Chef der Flughafensicherheit gefeuert worden, weil er
beschuldigt worden war, am Flughafen Spionagekameras für die Hisbollah
installiert zu haben. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte daraufhin von
einer "Kriegserklärung" der Regierung gesprochen, bevor seine Kämpfer
selbst in den Krieg zogen.
Unklar bleibt, wie sich die Krise weiterentwickelt. Beide Seiten scheinen
zunächst darauf bedacht, die Lage nicht noch weiter zu eskalieren. Hariri
forderte die Hisbollah auf, ihre Kämpfer zurückzuziehen, um den Libanon
"vor der Hölle zu bewahren". Als Kompromiss solle die Armee, die sich
bisher aus dem Konflikt herausgehalten hat, alle Stellungen übernehmen.
Die internationalen Reaktionen sind hilflos. Der UN-Sicherheitsrat forderte
die rivalisierenden Parteien zu einer sofortigen Einstellung der Kämpfe und
zur Aufnahme von Gesprächen auf. Am Sonntag soll sich in Kairo ein
Krisengipfel der arabischen Außenminister mit der Lage im Libanon befassen.
Syriens Präsident Baschar Assad erklärte dagegen die Krise zu inneren
Angelegenheit des Libanon.
Deutlich geworden ist durch die jüngste Zuspitzung, dass Libanons
prowestliche Regierung der von Syrien und dem Iran unterstützten Hisbollah
militärisch nur wenig entgegenzusetzen hat. Die Armee kann sie nicht
einsetzen, da dann die einzige Institution, die noch die Einheit des Landes
garantiert, selbst in einen Bürgerkrieg hineingezogen werden würde.
Arabische Medien vergleichen die letzten Tage im Libanon bereits mit den
Tagen, in denen die islamistische Hamas letztes Jahr in nur einer Woche den
gesamten Gazastreifen übernahm. "Die Hisbollah wird sich jetzt nicht
einfach zurückziehen, ohne einen Preis einzufordern", glaubt Jamil Mroue,
Chefredakteur der libanesischen Tageszeitung Daily Star. Auch die Regierung
aber könne nicht einfach nachgeben, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Die
Frage sei jetzt, "was die Regierung noch in ihrem Arsenal hat". Das hängt
davon ab, wie ihr jetzt von außen der Rücken gestärkt wird.
Allerdings scheinen auch die Verbündeten der Regierung nicht willens, sich
der Hisbollah entgegenzustellen. Stattdessen fordern sie politische
Zugeständnisse, damit die Hisbollah ihre Kämpfer wieder zurückzieht. So
soll der saudische Botschafter im Libanon dem Premier geraten haben,
zurückzutreten. Ansonsten, so die saudische Furcht, droht die Lage schnell
noch weiter zu eskalieren.
9 May 2008
## AUTOREN
DIR Karim Gawhary
DIR Karim El-Gawhary
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