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       # taz.de -- Schon 15 Bauern machen mit: Fair Trade in der Oase
       
       > Die Dattelpalmen im Süden Tunesiens sind nach Sonne und Meer die
       > wichtigsten Handelsgüter dieser strukturschwachen Region. Inzwischen
       > produzieren die Bauern Bio für den deutschen Markt
       
   IMG Bild: In der Oase Douz
       
       Der Tag, an dem Taieb Foudhaili kam, war ein guter Tag für die Menschen in
       der Oase Derjine. Es kommt nicht oft vor, dass ein Fremder sich in das
       entlegene Dorf verirrt. Hier, im Süden Tunesiens und viele Autostunden von
       den Touristenzentren der Küste entfernt, beginnt die Sahara. Nur ein
       niedriger Zaun aus Palmwedeln hält die hellgelben Dünen zurück, die immer
       weiter wandern. Schnurgerade Bewässerungsgräben ziehen sich durch den Sand
       im Schatten der Dattelpalmen. Taieb Foudhaili, ein kleiner Mann mit
       akkurater Frisur, erzählt den Bauern von einem Geschäftsmodell: Er würde
       ihnen ihre gesamte Dattelernte abnehmen und einen Mindestpreis garantieren,
       sagt er, wenn sie dafür in Zukunft nur noch biologisch anbauen. Das war im
       Dezember 2006. Seitdem setzen die Bauern von Derjine große Hoffnungen in
       das, was man in Deutschland Bio und Fair Trade nennt.
       
       Taieb Foudhaili ist ein Kind der Wüste. Im hundert Kilometer entfernten,
       südwesttunesischen Tozeur aufgewachsen, studierte er ein paar Jahre
       Philosophie. 1998 stieg er ins Dattelgeschäft ein, wo er eine Marktlücke
       fand: Bio. Seitdem ist der 38-Jährige ein Überzeugungsarbeiter gegen Dünger
       und Pestizide. Sein stärkster Verbündeter ist dabei der wachsende Hunger
       der Europäer nach Bioprodukten. Selbst die tunesische Regierung zieht mit:
       Auf der verzweifelten Suche nach Exportgütern hat sie die Marktchancen von
       Biodatteln und Biooliven entdeckt.
       
       Ein Jahr nach seinem ersten Besuch bringt Taieb seine Geschäftspartner mit
       in die Oase: zwei Vertreter der Fair-Handelsorganisation Gebana aus der
       Schweiz. Er zeigt ihnen die flachen Steinhütten, in denen etwa 300 Menschen
       leben; die Schule, in der sechs Klassen in zwei Räumen lernen; und den
       Bauern Mohammed Fathi, der seine sieben Kinder mit den Einnahmen der
       jährlichen Dattelernte ernähren muss. Von der Milch der drei Schafe, den
       Eiern der Hühner und den Zwiebeln aus dem Garten einmal abgesehen.
       
       15 Bauern hat Taieb von seinem Modell überzeugen können. "Ich will langsam
       vorgehen und die Bauern nicht überfordern", sagt er. Mit den 15 hat er
       einen schriftlichen Vertrag geschlossen. Viele von ihnen zeichneten zum
       ersten Mal in ihrem Leben ihre Unterschrift auf ein Papier. Darin steht,
       was es heißt, biologisch zu produzieren. Im November hat Taieb einen Kurs
       angeboten. Thema: Wie mische ich einen Kompost aus Schafmist, Grünzeug und
       Sand? Für die Bauern in Tunesien ist diese Art des Biodüngers neu. "Es ist
       nicht so schwierig, die Menschen vom Bioanbau zu überzeugen", sagt Taieb,
       "sie arbeiten ja meist noch mit traditionellen Anbaumethoden - ohne
       Pestizide und künstliche Dünger." Viel schwieriger dagegen sei es, sie von
       dem ganzen Papierkram zu überzeugen: dem Vertrag, den Berichten, den
       Kontrollen.
       
       Das Label für fairen Handel kennen europäische Verbraucher bislang vor
       allem von Kaffee, Bananen, Blumen und Fußbällen. Trockenfrüchte wie Datteln
       haben nur einen kleinen Anteil am Fairhandels-Volumen. Trotzdem gibt die
       Organisation Flo, die das Fair-Trade-Label vergibt, jedes Jahr eine
       aktualisierte Richtlinie heraus: Demnach ist ein Kilo Biodatteln fair
       gehandelt, wenn die Bauern mindestens 89 Cent dafür bekommen. Dazu kommt
       eine so genannte "Fair-Trade-Prämie": 15 Cent pro Kilo gehen zusätzlich an
       die lokale Bauerngenossenschaft.
       
       Ein paar Kilometer weiter nördlich, in der Oase Bargouthia, ist im Namen
       des fairen Handels schon eine kleine Bürokratie entstanden: In einem
       flachen Zelt sitzen die Vertreter der Genossenschaft auf Matratzen und
       präsentieren die Erfolge der zweiten Bioernte: 31 Bauern sind dabei,
       dreimal so viele wie noch im Vorjahr. Früher machten sich die Bauern das
       ganze Jahr über Sorgen, ob sie ihre Datteln zum richtigen Zeitpunkt und zum
       richtigen Preis verkaufen würden. Die Abnahmegarantie der Gebana ist da wie
       eine Versicherung. Durch die Fair-Trade-Prämie gibt es dazu noch ein
       bisschen Geld zu verteilen. Neben dem Präsidenten gibt es jetzt einen
       Schatzmeister, vier Beisitzer und sogar einen technischen Direktor. Der
       Schatzmeister berichtet, das Geld sei zum großen Teil in eine neue
       Bewässerungsanlage geflossen und in Schulbücher für die Kinder. Während die
       Alten im Schatten des Zelts repräsentieren, klettern die Jungen auf die
       Palmen und sägen die Rispen ab, an denen die Datteln hängen.
       
       Bio muss sich rechnen, das versteht Taieb. Darum argumentiert er nicht mit
       Umweltschutz, sondern dem Export, der Unabhängigkeit von lokalen
       Zwischenhändlern. Taieb nimmt die gesamte Ernte ab, liefert direkt nach
       Europa, und er bezahlt die Ware sofort. Er kann das, weil die Schweizer
       Gebana ihm wiederum die gesamte Ware abnimmt und auch immer wieder mit
       Vorfinanzierung aushilft. So wandert das Marktrisiko von der tunesischen
       Oase nach Zürich, dem Sitz der Gebana. "Um unser Risiko abzufedern, wollen
       wir jetzt die Endkunden über das Internet direkt beliefern", sagt Mirjam
       Güntert, die Geschäftsleiterin der Gebana, die sich unter dem Zeltdach vor
       Ort informiert. "Die Brücke vom Bauern zu Ihnen", so heißt der Leitspruch
       der Fairhandels-Firma.
       
       Der faire Handel mildert die Mechanismen des Marktes zwar ab, er setzt sie
       aber nicht außer Kraft. In Taiebs winziger Fabrik im Verwaltungszentrum der
       Region, Kebili, sitzen 75 Frauen in blauen Kitteln und mit weißen
       Kopftüchern wie auf Schulbänken; sie waschen, sortieren und entsteinen
       Datteln. Sohai Zohra ist in der Saison zum ersten Mal dabei. "Dass wir hier
       unter Frauen arbeiten können", lobt sie, "das passt einfach besser."
       Eigentlich würde die 25-Jährige lieber Webseiten bauen als Datteln
       schneiden, das hat sie im Studium gelernt. Sohai verdient den Mindestlohn
       von vier Euro am Tag - trotz Fair Trade. Aber anders als in weniger
       privilegierten Fabriken bekommen sie und die anderen einen Stuhl, eine
       Krankenversicherung und bei guter Arbeit Extraprämien. Die direkten
       Gewinner des fairen Handels sind die Eigentümer der Dattelplantagen, die
       den garantierten Abnahmepreis einstreichen. Wer die Datteln erntet,
       sortiert und entsteint und was er oder sie verdient, ist nicht geregelt.
       "Ob die Arbeiter auf dem Feld gut bezahlt werden, ist Sache der
       Eigentümer", gibt Taieb zu. Darum will er in Zukunft noch stärker auf Oasen
       wie die in Derjine setzen, wo die Kleinbauern und ihre Familien noch alles
       selbst machen.
       
       29 Mar 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nikolai Fichtner
       
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   DIR Reiseland Tunesien
       
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