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       # taz.de -- Sarkozys neuer Plan: Gegen Gauner, für die Frühaufsteher
       
       > Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verkündet ein neues Programm für
       > die Vorstädte. Er will Kriminelle hart bekämpfen, fleißigen Jugendlichen
       > aber helfen.
       
   IMG Bild: Die Probleme im Blick - aber werden sie auch gelöst?
       
       "Espoir Banlieue" - Hoffnung Vorstadt - heißt der Plan, den der
       französische Präsident gestern Mittag im Élysée-Palast vorgestellt hat.
       Zwei Jahre und und zwei Monate nach den wochenlangen Vorstadtunruhen, bei
       denen Bibliotheken, Sporthallen und tausende Autos in Flammen aufgegangen
       waren, ist Nicolas Sarkozy seiner martialischen Sprache treu geblieben: Er
       verspricht einen "Krieg ohne Gnade" gegen die "Gauner" der Vorstädte. Und
       gleichzeitig massive staatliche Unterstützung für jene Jugendlichen, die
       "bereit sind, früh aufzustehen". Er kündigt berufliche
       Eingliederungsmaßnahmen, zusätzliche öffentliche Transportmittel sowie
       einen "Kampf gegen das Schulversagen" an. Und will sämtliche Ministerien in
       die Politik einbinden, die die "Ghettos zerschlagen" soll. Wie viel Geld
       der Staat dafür bereit stellt, verrät Sarkozy nicht.
       
       Als Rahmen für die mehrfach verschobene Bekanntgabe des Banlieue-Plans
       wählte Sarkozy gestern einen goldgestuckten Festsaal in seinem Amtssitz.
       Anstatt in die Banlieue zu gehen, wie ursprünglich erwogen, lud er 1.000
       Jugendliche aus Vorstädten im ganzen Land zu sich in den Palast ein. Im
       Wahlkampf im vergangenen Frühling war die Situation in den sozial
       explosiven Banlieue, in denen mehr als 5 Millionen Menschen leben,
       zentrales Thema gewesen. Sarkozy hatte einen "Marshall-Plan" angekündigt.
       
       Bei seiner gestrigen 50-minütigen Rede war der Präsident von sechs
       MinisterInnen seiner Regierung eingerahmt - darunter Fadela Amara,
       Staatssekretärin für die Stadtpolitik, der Urheberin des Banlieue-Plans.
       Bis zu ihrem Regierungseintritt hatte sie ihre politische Karriere mit der
       Sozialistischen Partei und einer Frauengruppe namens "Ni putes ni soumises"
       gemacht. Jetzt versicherte ihr Sarkozy: "Du bist links. Ich rechts. So soll
       es bleiben." Amara ist eine zentrale Figur in Sarkozys "Öffnungspolitik".
       
       "Die erste Aufgabe des Staates", so versicherte Sarkozy, als wäre er immer
       noch Innenminister und Chef der Polizei, "ist die Sicherheit." Und er fügte
       hinzu: "Das erste Recht der Bürger ist das Recht, ruhig und ohne Bedrohung
       durch Gauner zu leben." In den nächsten drei Jahren will er 4.000
       zusätzliche PolizistInnen anstellen, die in einer neuen Polizeieinheit in
       den Banlieues stationiert werden sollen. Die Aufgaben der neuen
       Polizeieinheit ähneln denen der "Nachbarschaftspolizei", die Ende der
       90er-Jahre von der rot-rosa-grünen geschaffen und im Jahr 2002 von der
       rechten Regierung aufgelöst worden war. Damals hatte Innenminister Sarkozy
       die Schließung der Kommissariate der Nachbarschaftspolizei unter anderem
       mit dem Satz begründet: "Die Polizei ist nicht dazu da, Fußball zu
       spielen." Während der Unruhen im Herbst 2005 zeigte sich, dass eine
       deeskalierende Polizeikraft fehlte. Zugleich will Sarkozy auch die stärker
       bewaffneten Sondereinheiten GIR personell verstärken.
       
       Seit zwei Jahrzehnten tritt in Frankreich jede neue Regierung mit einem
       neuen Banlieue-Plan an: Sie verspricht die Bekämpfung der
       Jugendarbeitslosigkeit - die in manchen Vorstädten über 40 Prozent liegt -,
       baut neue Parks oder sprengt Wohntürme, um die tristen Hochhaussiedlungen
       zu entkernen. Sarkozy ist der erste Präsident, der die Vorstadtpolitik zur
       Chefsache gemacht hat. Über die Politik seiner Vorgänger sagte er gestern,
       sie hätten massive Mittel eingesetzt, ohne das Problem zu lösen.
       
       Mit einem neuen Ausbildungsprogramm will Sarkozy in den kommenden drei
       Jahren 100.000 Banlieue-Jugendliche aus der Arbeitslosigkeit in neue Jobs
       oder zumindest Ausbildungsplätze begleiten. Als Mittel gegen das in den
       Vororten weit verbreitete Problem des Schulversagens propagiert er die
       Begabtenförderung - unter anderem in Internaten - sowie die stärkere
       Mischung von Schülern aus der Banlieue mit Schülern aus den Innenstädten.
       
       9 Feb 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
   DIR Dorothea Hahn
       
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   DIR Kommentar Frankreich: Sarkozys Krieg gegen die Banlieue
       
       Wahlkampf statt einer Poltik, die sie sich mit den Problemen in den
       französischen Vorstädten auseinandersetzt - Verbessert hat sich dort
       bislang nichts.