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       # taz.de -- Israelisch-ägyptische Begegnung im Film: Der nahe Osten ohne Roadmap
       
       > In "Die Band von nebenan" stranden die Mitglieder eines ägyptischen
       > Polizeiorchesters in Israel. Frieden wirds nicht, aber eine schöne
       > Komödie.
       
   IMG Bild: Das Polizeiorchester von Alexandria landet buchstäblich in der kulturellen Wüste.
       
       Da stehen sie, aufgereiht in ihren himmelblauen Uniformen, zu ihren Füßen
       die riesigen schwarzen Instrumentenkoffer. Acht ägyptische Musiker in der
       israelischen Provinz. Und das nur, weil Bet Hatikva und Petah Tikva - zwei
       Ortsnamen, die sich geschrieben problemlos voneinander unterscheiden lassen
       - gesprochen beinahe gleich klingen. Weshalb Khaled (Saleh Bakri), der
       schlaksige Trompeter des Polizeiorchesters von Alexandria, seine Kollegen
       geradewegs in die Wüste gelotst hat, dorthin, wo kein Empfangskomitee des
       ägyptischen Kulturvereins auf sie wartet, wo es keine Hotels gibt und kaum
       öffentliche Verkehrsmittel.
       
       In "Die Band von nebenan", dem Kinodebüt von Eran Kolirin, kommt es zur
       Begegnung zwischen Menschen aus Israel und Ägypten - zweier Länder, die
       eine komplizierte gemeinsame Vergangenheit haben. In einem Bistro treffen
       der schnauzbärtige Orchesterleiter Tewfiq (Sasson Gabai), sein
       Stellvertreter Simon (Khalifa Natour), der Frauenschwarm Khaled und die
       übrigen Bandmitglieder, von denen kaum einer je etwas sagt, auf die
       extrovertierte Dina (Ronit Elkabetz), ihre leicht depressive Küchenhilfe
       Papi (Shlomi Avraham) und eine Handvoll Gäste.
       
       Trotz anfänglicher Unsicherheit sucht Dina das Gespräch mit den Fremden,
       bringt ihnen etwas zu essen und organisiert Übernachtungsmöglichkeiten.
       Besonders interessiert sie sich für den etwas steifen und fast schon
       überförmlichen Tewfiq. Im Verlauf eines Abendessens kommen sich die beiden
       tatsächlich näher, während Khaled Papi auf die Rollschuhbahn begleitet und
       Simon beim Bistrogast Itzik (Rubi Moscovich) und seiner Familie unterkommt.
       
       In langen, sorgfältig komponierten Einstellungen fängt der Film jene
       Überraschung ein, die einsetzt, wenn man plötzlich herausfindet, dass die
       Menschen, denen man gerade begegnet ist, vollkommen anders sind, als man
       sie sich vorgestellt hat. Gleichzeitig, und das ist sehr angenehm, soll
       hier nichts über die Israelis oder die Ägypter ausgesagt werden. Vielmehr
       steht jede Figur für sich und kann deshalb auch nicht auf ein Klischee
       heruntergebrochen werden. Eher beiläufig wird ab und zu auf die
       israelisch-ägyptische Geschichte verwiesen, wenn beispielsweise einer der
       Musiker seine Mütze über das Foto eines Panzers aus dem Sechs-Tage-Krieg
       hängt.
       
       Während in der Originalfassung die meisten Dialoge in gebrochenem Englisch
       geführt werden, ist "Die Band von nebenan" für das deutsche Publikum
       komplett synchronisiert worden. Doch dadurch, dass sich die Figuren
       plötzlich so problemlos verständigen können, geht etwas Wesentliches
       verloren: das permanente Ringen um Worte, vom dem der Film so sehr geprägt
       ist und das für eine ganz spezielle Atmosphäre sorgt.
       
       Zum Glück ereignet sich auch eine ganze Menge auf nonverbaler Ebene. Wenn
       etwa Simon seine einzige Komposition jedes Mal nach wenigen Takten
       abbricht, weil ihm seit Jahren einfach kein Schluss für das Stück einfallen
       mag, oder Khaled den unbedarften Papi pantomimisch instruiert, wie man ein
       Mädchen verführt. Bei aller Komik schwingt in solchen Szenen immer auch
       Melancholie mit, weshalb man sich mal an Chaplin oder Tati - beide erklärte
       Vorbilder des Regisseurs -, mal an Kaurismäki oder Wes Anderson erinnert
       fühlt.
       
       Am nächsten Morgen haben sich alle nur ein klein wenig verändert, das
       Gefühl von Fremdheit hat sich nie gänzlich aufgelöst. Es gibt keine
       dramatischen Liebesschwüre, kein furioses Finale. Die Band verabschiedet
       sich und geht ihrer Wege. Was bleibt, ist das Gefühl, für einen Augenblick
       Teil von etwas ganz Besonderem gewesen zu sein.
       
       2 Feb 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Resch
       
       ## TAGS
       
   DIR Israel
       
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