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       # taz.de -- Jugendgewalt: CDU hat sich nicht in der Gewalt
       
       > Die Union bleibt hart: Sie will 12- und 13-jährige "Mörder und
       > Vergewaltiger" in Geschlossene Heime stecken. Dass es solche
       > Intensivtäter in Berlin gar nicht gibt, stört sie nicht.
       
   IMG Bild: Kinder hinter Gitter? Für die CDU kein Tabu.
       
       Fast wäre die Aktuelle Stunde eine Abgeordnetenhausdebatte von vielen
       geworden. Beinahe hätten sich die Redner aller fünf Fraktionen damit
       begnügt, ihre gut abgehangenen Meinungen zur Jugendkriminalität
       vorzutragen. Je nach Couleur hätten all ihre Redner mal mehr von Prävention
       in Kitas und Schulen gesprochen, mal mehr von Gesetzestreue und Bringschuld
       von Migranten. Aber Frank Henkel hat die Veranstaltung davor bewahrt,
       langweilig zu werden.
       
       Der CDU-Innenpolitiker mit Hang zu starken Sprüchen nämlich verkündete, was
       sonst niemand in seiner Partei tut. Nicht im Land und erst recht nicht im
       Bund. Henkel also trat ans Rednerpult und sagte allen Ernstes: "Es liegt
       mir völlig fern, Kinder ins Gefängnis zu stecken." Dabei fordert Berlins
       Union bereits seit einem Jahr, die Straffähigkeit von 14 auf 12 Jahre zu
       senken. "Es geht darum, 12- und 13-Jährige, die morden und vergewaltigen,
       ins geschlossene Heim zu stecken."
       
       Wo denn all die mordenden und vergewaltigenden Kinder steckten, verriet der
       CDU-Hardliner nicht. Da konnte die Grüne Clara Herrmann aushelfen: "Von
       über 500 Intensivtätern in Berlin ist lediglich einer unter 14 Jahre. Und
       der ist auch noch weiblich." Höhere Strafen führten nicht zu weniger
       Kriminalität.
       
       Die offene Flanke der CDU nutzte auch die SPD. Immerhin hatte die
       Bundes-Union erst Anfang vergangener Woche den ähnlich klingenden Vorstoß
       des Hessen Roland Koch zurückgewiesen - und damit auch ihre Berliner
       Kollegen im Regen stehen lassen. "Sie versuchen nur, Ihre Forderung
       schönzureden", rief SPD-Innenpolitiker Thomas Kleineidam seinem
       CDU-Konterpart zu.
       
       Ansonsten mühten sich die Fraktionen, ihre Meinungen beim sensiblen Thema
       Jugendkriminalität mit Zahlen zu stützen. SPD-Mann Kleineidam zählte auf:
       "Bei Straftätern unter 18 Jahre haben weit mehr als 40 Prozent einen
       Migrationshintergrund." Das bezweifelten auch die anderen Fraktionen nicht.
       Aber aus dieser Zahl zog jede Seite andere Schlüsse.
       
       Unions-Fraktionschef Friedbert Pflüger spürte einen "umgekehrten Rassismus"
       unter jugendlichen Migranten, die Deutsche als "Schweinefleischfresser",
       "Nazi-Omas" oder "Scheißdeutsche" beschimpften. Willkommen in Deutschland
       sei "jeder, der sich an die Gesetze hält".
       
       Kleineidam rief Pflüger zu, er wolle straffällige Migranten "raus aus
       Deutschland" haben. Die meisten von ihnen seien aber hier geboren. Es sei
       Unsinn von Pflüger, zu fordern, die jungen Migranten sollten zurück, wo sie
       herkommen. "In die Berliner Krankenhäuser, oder was?"
       
       Jugendknäste seien überflüssig, urteilte die Linke-Familienpolitikerin
       Margrit Barth. Weil die Rückfallquote der Insassen rund 80 Prozent betragen
       habe, seien die Gefängnisse vor 20 Jahren geschlossen worden. "Knäste haben
       einen Jugendlichen selten besser gemacht."
       
       Schwieriger fiel es da schon zu beantworten, was etwas gegen
       Jugendkriminalität bringt. Der jugendpolitische Sprecher der FDP, Mirco
       Dragowski, überraschte mit dem Vorschlag, mehr Streetworker in Schulen zu
       schicken, damit sie dort ihre Projekte vorstellen könnten. In den
       Klassenräumen könnten sie die jungen Leute viel leichter für ihre
       außerschulischen Angebote interessieren.
       
       Bildungs- und Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) beschränkte sich
       darauf, Bekanntes vorzutragen: Die Einführung des kostenfreien letzten
       Kita-Jahres sei Gewaltprävention, ebenso die für 2010 und 2011 geplante
       Kostenbefreiung zweier weiterer Kita-Jahre, die Einführung der
       Ganztagsschule und Lehrerfortbildungen. "Wir haben die gesamte Palette, und
       wir wenden sie an", sagte Zöllner. Mittlerweile hätten 126 Schulen mit der
       Polizei Kooperationen zur Vorbeugung von Gewalt geschlossen.
       
       Der Grünen Clara Herrmann genügte das nicht: "Die Familien werden von
       freiwilligen Angeboten der Jugendhilfe kaum erreicht oder verweigern sich."
       Mehr "Akteure mit Migrationshintergrund und präventive Zusammenarbeit mit
       Migrationsorganisationen" könnten helfen.
       
       CDU-Hardliner Henkel hörte das nicht. Sein SPD-Gegenüber Kleineidam war an
       Henkels Platz geeilt, um mit ihm zu reden. Ob er ihn überzeugen konnte, ist
       ungewiss.
       
       25 Jan 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Matthias Lohre
   DIR Matthias Lohre
       
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