# taz.de -- Abrüstungsexperte über Waffen: Gute oder schlechte Rüstung
> Der Abrüstungsexperte der SPD Rolf Mützenich verurteilt die
> Abrüstungskriege: "Rüstungskontrolle hat etwas mit Vertrauensbildung zu
> tun".
IMG Bild: Exportschlager: Deutsche Panzer rollen auch im Ausland.
taz: Herr Mützenich, Abrüstung klingt nach einem Wert an sich, einem
unumstrittenen Ziel. Aber geht es nicht schlicht darum, wer die Waffen
besitzt?
Rolf Mützenich: Nein, das glaube ich nicht. Gleichzeitig muss man sich
allerdings darüber im Klaren sein, dass Abrüstung und Rüstungskontrolle
lediglich Instrumente sind. Voraussetzung für Abrüstung ist immer der
politische Wille der Akteure.
Aber in der politischen Praxis kommt es doch sehr wohl darauf an, wer sich
gerade neue Waffen beschaffen will. Die gegenwärtige Konzentration der
Sicherheitspolitik auf die Atomprogramme in Iran und Nordkorea hat ja nun
einmal damit zu tun, dass wir die Regierungen dieser Staaten nicht gerade
als sympathisch und vertrauenswürdig empfinden.
Es kommt natürlich auch darauf an, mit welchem Ziel solch ein Programm
gefahren wird. Aber auf der anderen Seite muss man sich immer
vergegenwärtigen: Es gibt keine gute oder schlechte Rüstung.
Vielleicht gibt es mehr oder weniger bedrohliche Rüstung?
Nehmen Sie die von der US-Regierung geplante Raketenabwehr. Von Seiten der
USA wird immer wieder ihr defensiver Charakter betont. Russland fühlt sich
aber durch dieses Projekt herausgefordert - und interpretiert es als ein
offensives Waffensystem. Deswegen darf man nicht sagen, es kommt nur auf
die Träger von Rüstung an.
Zurück zu den hehren Zielen: Abrüstung kann vieles bedeuten. Im Krieg ist
das erste Ziel jeder Krieg führenden Partei die Entwaffnung der anderen
Seite - also Abrüstung. Die derzeitige US-Regierung propagiert sogenannte
Abrüstungskriege. Wo zieht der Abrüstungspolitiker da die Grenze?
Abrüstungskriege sind genau der falsche Ansatz, weil Rüstungskontrolle
etwas mit Gegenseitigkeit und Vertrauensbildung zu tun hat. Wir sehen zum
Beispiel im ehemaligen Jugoslawien, dass Rüstungskontrolle durchaus zur
Konfliktbearbeitung und friedlichen Zusammenarbeit beitragen kann. Im
Vertrag von Dayton sind ganz klare Grenzen für Waffensysteme festgelegt
worden. Diese sind überprüfbar, werden überprüft - und schaffen Vertrauen.
Sie sprechen die Kriege auf dem Balkan an. Dort fanden die ersten großen
Auslandseinsätze der Bundeswehr statt. Ohne Rüstung, auch Aufrüstung, geht
das nicht. Gerät nicht, wer für militärische Interventionen eintritt,
zwangsläufig irgendwann mit dem Postulat der Abrüstung in Konflikt?
Ja, aber es kommt immer darauf an, in welche Richtung man rüstet. Natürlich
sagt die Charta der Vereinten Nationen, dass militärische Einsätze unter
UN-Mandat notwendig sein können. Auch dies bedeutet natürlich Rüstung. Wenn
man Militär einsetzt, ob Blauhelme oder Truppen mit robustem Mandat, sind
die selbstverständlich bewaffnet. Nur ist es immer ein Unterschied, wie man
diese Einheiten ausstattet, was man seiner Armee zur Verfügung stellt.
Militärische Interventionen sind aber nun mal nicht mit defensiver
Bewaffnung zu machen.
Das ist richtig. Deshalb muss sich die kritische Friedenswissenschaft auch
die Frage stellen, ob der Gedanke der humanitären Intervention an der einen
oder anderen Stelle nicht zu einer falschen Politik und in eine falsche
Richtung geführt hat. Ich glaube, dass dem Militärischen in den letzten
Jahren nicht nur zu viel Aufmerksamkeit gewidmet, sondern auch zu viel
Handlungsspielraum gegeben worden ist.
In den Siebzigerjahren gab es auch eine Kritik der Abrüstungsdiplomatie von
links. Der Bremer Friedensforscher Dieter Senghaas sprach damals von der
Gefahr der "Aufrüstung durch Rüstungskontrolle". Ist diese Kritik Ihrer
Meinung nach heute nicht mehr relevant?
Doch, sie ist durchaus relevant. Es gibt weiterhin Abrüstungsverträge, die
an anderer Stelle durch eine Modernisierung oder eine qualitative
Aufrüstung quasi außer Kraft gesetzt werden.
Trotzdem treten Sie für Rüstungskontrolle ein.
Ich glaube, dass Rüstungskontrolle ein Instrument der Vertrauensbildung ist
und zur friedlichen Zusammenarbeit beiträgt, weil dadurch ein Kontakt, eine
Kommunikation, ein Dialog in Gang kommen kann. Wir sehen dies an den
Beispielen Nordkorea und Libyen. Dort ist der Versuch der Abrüstung im
Ansatz gelungen. Dazu bedurfte es in beiden Fällen nicht einer Politik des
Regimewechsels. Es bedurfte eines Dialogs auch mit denjenigen, mit denen
ich nicht unbedingt ein Kölsch trinken möchte.
INTERVIEW: ERIC CHAUVISTRÉ
18 Jan 2008
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