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       # taz.de -- TU mit neuer Energie: "Die Welt der Energie ist komplex"
       
       > Mit dem "Innovationszentrum Energie" will die Technische Universität
       > Berlin ihre Position im internationalen Wettbewerb verbessern, sagt Frank
       > Behrendt.
       
   IMG Bild: Aufpoliert: Die TU Berlin setzt auf die Sonne
       
       taz: Herr Behrendt, warum halten Sie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit
       der Fakultäten und Fachbereiche an der Technischen Universität für so
       wichtig? 
       
       Frank Behrendt: Die Welt der Energie ist nicht nur mit einer Disziplin
       erfassbar. Die Fragen sind komplex. Somit erfordert es die Zusammenarbeit
       von mehreren Fachgebieten, um Problemstellungen bearbeiten zu können.
       
       Können Sie das konkretisieren? 
       
       Nehmen Sie zum Beispiel die Herausforderung energieeffizienter Städte. Dort
       müssen zumindest die Energietechniker mit den Bauingenieuren und
       Stadtplanern sowie den Soziologen reden. Ohne die Mathematik geht heute
       sowieso fast gar nichts mehr, die muss also auch immer mit dabei sein. Und
       auch der wirtschaftliche Blick ist wichtig.
       
       Wie funktioniert diese Vernetzung in der Praxis? 
       
       Ende 2005 trafen sich erstmals 40 Professorinnen und Professoren der TU,
       die irgendetwas mit dem Thema Energie zu tun haben. Es ist eines der sieben
       Schwerpunktthemen, die bereits im Jahr zuvor im Strukturplan der
       Universität festgelegt wurden. Wir haben jetzt eine Geschäftsstelle
       eingerichtet, die die Kommunikation zwischen den einzelnen Fachgebieten
       koordiniert.
       
       Und was passiert konkret? 
       
       Alle zwei Monate trifft sich der Leitungskreis aus Professoren. Jeder von
       ihnen steht wiederum einem Kreis von Professoren vor und koordiniert ihn.
       Zukünftig werden wir regelmäßig Workshops durchführen, um die Vernetzung
       weiter voranzutreiben. Auf der Ebene der wissenschaftlichen Mitarbeiter
       haben schon einige dieser Workshops stattgefunden.
       
       Welche Rolle spielen dabei Partner aus der Wirtschaft? 
       
       Seit 2006 begleitet ein Beirat von derzeit 13 Vertretern aus der Wirtschaft
       unser Vorhaben. Er kommt zwei Mal im Jahr zusammen und begutachtet den
       Fortschritt des IZE. Hieraus ergeben sich jedes Mal viele Anregungen, die
       verschiedenste Aspekte des weiten Feldes der Energieforschung betreffen.
       Diese nehmen wir gerne auf, um die Wettbewerbsposition der TU zu
       verbessern.
       
       Befürchten Sie nicht, dass Beiratsmitglieder - etwa der Energiekonzern
       Vattenfall - versuchen, aus rein ökonomischen Gründen Einfluss zu nehmen? 
       
       Sie werden staunen: Die meisten und lautesten Forderungen nach erneuerbaren
       Energien kommen aus unserem Beirat.
       
       Auf welche Themenbereiche konzentrieren Sie sich? 
       
       Es geht uns sowohl um herkömmliche Energietechnologien als auch um
       erneuerbare Energien. Wir haben zurzeit fünf Themenschwerpunkte: Effiziente
       Gasturbinen, Photovoltaik, Netze und Speicherung, Nutzung von
       Niedertemperaturwärme sowie effiziente Gebäude und Städte. Wichtig ist
       immer die ganzheitliche Betrachtung der Technologiefelder.
       
       Das IZE will mehr als nur rein technische Lösungen für die
       Energieversorgung bieten. Was bedeutet das? 
       
       Die Forderung einer nachhaltigen Energieversorgung umfasst schon per
       Definition die ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekte. Eine
       Technologie, die von den Menschen nicht akzeptiert wird und dem Menschen
       nicht dient, wird sich langfristig nicht durchsetzen. Daher müssen
       Energietechnologien immer auch vor einem wirtschaftlichen, ökologischen und
       gesellschaftlichen Hintergrund bewertet werden.
       
       Vor welchen Herausforderungen steht die Forschung im Bereich der
       Energieversorgung? 
       
       Die Zielvorgabe der Europäischen Union, den Anteil erneuerbarer
       Energieträger bis 2020 auf 20 Prozent zu erhöhen, beinhaltet, dass immer
       noch 80 Prozent anderweitig bereitgestellt werden müssen. Erneuerbare
       Energien können zurzeit noch nicht den gesamten Energiebedarf decken. Wann
       es soweit sein wird, weiß heute niemand. Wir setzen deshalb auf einen Mix
       aus Technologien, auf erneuerbare wie auch fossile Energieträger.
       
       Was bedeutet das in der Praxis? 
       
       Wir bilden Studierende sowohl für die aktuellen Probleme als auch für
       zukunftsweisende Wege aus. Dies ist immer ein Zusammenspiel von
       erneuerbaren, aber auch fossilen Energieträgern. Als eine der größten und
       wichtigsten Herausforderungen sehen wir die Speicherung von Energie. Es
       sind diverse Technologien verfügbar, aber keine in dem Ausmaß, dass größere
       Mengen Strom über lange Zeit gespeichert werden können. Gerade wenn wir den
       Anteil von Photovoltaik und Windenergie weiter erhöhen wollen, brauchen wir
       hier dringend neue Lösungsansätze. Des weiteren entsteht an der Technischen
       Universität unter anderem ein Kompetenzzentrum "Dünnschicht- und
       Nanotechnologie für Photovoltaik". Hier sind diverse Fachgebiete der Uni
       sowie das Hahn-Meitner-Institut und Industriepartner beteiligt. Die ganze
       Wertschöpfungskette wird dabei betrachtet, von der Grundlagenforschung bis
       hin zur industriellen Anwendung.
       
       Wo sehen Sie die Rolle Deutschlands in Bezug auf erneuerbare Energien? 
       
       Die deutsche Industrie ist im Bereich der erneuerbaren Energien in fast
       allen Segmenten technologisch führend. Dies ist das größte Potenzial, das
       Deutschland hat. Es ist sinnvoll, mit gutem Beispiel voran zu gehen, damit
       Entwicklungs- und Schwellenländern ebenso auf klimafreundliche Technologien
       setzen. Grundsätzlich wird aber der Preis darüber entscheiden, für welche
       Technologie man sich entscheidet. Hier muss bei den erneuerbaren Energien
       noch einiges passieren.
       
       7 Jan 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kristina Simons
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Atomkraft
       
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