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       # taz.de -- Kommentar Selbsthilfe-Finanzierung: Für besseren Durchblick sorgen
       
       > Leitsätze sollen die Unabhängigkeit der Selbsthilfe-Gruppen
       > gewährleisten. Doch das reicht nicht aus. Es muss offengelegt werden, wer
       > Geld von wem bekommt und wofür.
       
   IMG Bild: Auf den Fortbildungsveranstaltungen entscheidet sich auch, welche Arzneimittel in der Apotheke ausgehändigt werden.
       
       In Zeiten knapper Kassen setzen Patientenverbände zunehmend auf Spenden und
       Sponsoring. Üppig sprudelnde Industriegelder können jedoch gefährden, was
       größtes Kapital der Selbsthilfe ist: ihre Glaubwürdigkeit! Deren
       Spitzenorganisationen, die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe und der
       Paritätische Wohlfahrtsverband, wissen das. So haben sie "Leitsätze"
       beschlossen, um die Unabhängigkeit bei Kooperationen mit Unternehmen zu
       wahren.
       
       Die Selbstverpflichtung betont die "inhaltliche Neutralität", wörtlich
       steht in den Leitsätzen: "Die Selbsthilfeorganisation gibt grundsätzlich
       weder Empfehlungen für einzelne Medikamente, Medikamentengruppen oder
       Medizinprodukte noch Empfehlungen für bestimmte Therapien oder
       diagnostische Verfahren." Das klingt restriktiv.
       
       Doch die Zurückhaltung wird im nächsten Satz gleich wieder relativiert:
       "Die Abgabe einer Empfehlung", heißt es da, sei sehr wohl "dann möglich,
       wenn diese auf dem Bewertungsergebnis anerkannter und neutraler
       Expertengremien beruht." Unbeantwortet bleibt jedoch die entscheidende
       Frage: Wer bestimmt denn eigentlich, welche Sachverständigen als
       "anerkannt" und "neutral" gelten sollen?
       
       Wie viel Geld von wem für welche Zwecke fließt - verbindliche Antworten
       dazu fordern und fördern die Leitsätze kaum. Beispiel:
       Sponsoring-Vereinbarungen über "Zuwendungen in nicht unerheblichem Umfang".
       Dass sie "schriftlich fixiert" und "transparent gemacht werden", steht wohl
       in den Leitsätzen, doch konkreter werden sie nicht: Weder fordern sie
       eindeutig, dass die exakten Geldbeträge, die sponsorfreudige Unternehmen
       beigesteuert haben, veröffentlicht werden müssen, noch regeln sie, wie, wo
       und wem gegenüber überhaupt Transparenz hergestellt werden soll.
       
       Wer wirklich für Durchblick sorgen will, sollte mehr tun, als es die
       Leitsätze vorgeben - möglich wäre zum Beispiel: Jeder Sponsoringvertrag
       geht online, anzuklicken auf der Homepage einer mit Pharmageld bedachten
       Selbsthilfeorganisation.
       
       Außerdem publiziert sie alljährlich eine Liste, aus der für jedermann
       ersichtlich wird, welche Firma wofür gezahlt hat. Und wie wenig oder wie
       stark ein Patientenverband am Tropf der Industrie hängt, lässt sich erst
       dann einigermaßen abschätzen, wenn er öffentlich beziffert, wie viel
       Prozent seines Etats durch Spenden und Sponsoring finanziert werden.
       
       4 Jan 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Peter Görlitzer
       
       ## TAGS
       
   DIR Pharmaindustrie
       
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