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       # taz.de -- Staatliche Repression: "Das sind keine legal erworbenen Informationen"
       
       > Bei Ermittlungen gegen die "militante gruppe" nutzt die
       > Bundesanwaltschaft sogar Stasi-Akten. Ist da die Stasi 2.0 am Werk? Drei
       > Betroffene und eine Bürgerrechtlerin streiten über die Vergleichbarkeit
       > staatlicher Verfolgung.
       
   IMG Bild: Hat viel Arbeitb vor sich: Andrej Holm
       
       taz: Die Verhaftung des Berliner Soziologen Andrej Holm hat viel Protest
       ausgelöst. Schon weil aus der bloßen Beschäftigung mit dem Thema
       Gentrification ein Terrorverdacht konstruiert wurde. Andrej Holm ist längst
       wieder frei, der Haftbefehl ist aufgehoben. Nun ist aber bekannt geworden,
       dass die Bundesanwaltschaft im Ermittlungsverfahren gegen ihn und drei
       weitere Beschuldigte auf Stasiakten zurückgegriffen hat. Der Protest
       dagegen hielt sich in Grenzen. Warum? 
       
       Dirk Teschner: Das Verfahren gegen Andrej und die anderen Beschuldigten
       betraf im Grunde jeden, der sich kritisch mit bestimmten Themen
       beschäftigt. Die Stasigeschichte dagegen ist etwas, das nur einen
       bestimmten Teil der Leute betrifft: die, die aus der DDR kommen. Die Zahl
       derer, die sich im Westen mit so was beschäftigen, ist nach wie vor gering.
       
       Das erklärt noch nicht, warum all jene, die sich sonst zum Thema Stasi zu
       Wort melden, in diesem Fall geschwiegen haben. 
       
       Cornelia Kirchgeorg-Berg: Als ich zum ersten Mal gelesen habe, dass die
       Stasiakten in solchen Ermittlungsverfahren herangezogen werden können, hab
       ich gedacht: Das kann doch wohl nicht wahr sein. Für uns war damals klar,
       dass das nicht rechtmäßig erworbene Informationen sind, und dass die
       Staatssicherheit eine kriminelle Vereinigung ist. Und darauf soll man
       plötzlich Zugriff haben? Eigentlich dachte ich, da müsste ein Aufschrei
       durch die Reihen der BürgerrechtlerInnen gehen.
       
       Andrej Holm: Ein Grund war sicher der, dass sich die Aufmerksamkeit in den
       ersten Wochen ganz auf meinen Fall konzentriert hat. Dazu kam, dass die
       besagten Stasiakten nicht mich betrafen. Wenn es geheißen hätte: Die
       Bundesanwaltschaft verwendet Stasiakten gegen Andrej Holm, wäre es
       vielleicht anders gewesen.
       
       Herr Teschner, Sie haben die Verwendung der Stasiakten in der Zeitschrift
       telegraph öffentlich gemacht. Was genau hat die Bundesanwaltschaft
       interessiert? 
       
       Dirk Teschner: Es sind bei zwei der vier Beschuldigten, gegen die die
       Bundesanwaltschaft ermittelt, Stasiakten benutzt worden. Einmal geht es um
       die Wendezeit 1989. Im Fall von Herbert ging es um die Aktionswoche gegen
       den Gipfel des Internationalen Währungsfonds, der 1988 in Berlin
       stattgefunden hat. Noch ein Wort, warum deshalb so wenig protestiert wurde:
       Da ist natürlich auch Geld im Spiel. Die Bundesrepublik finanziert die
       Birthler-Behörde. Warum soll da die Birthler-Behörde gegen die
       Bundesrepublik protestieren, wo es außerdem noch um den Vorwurf des
       Terrorismus geht.
       
       Herbert M., Ihre Akte berichtet von der Ostberliner Aktionswoche gegen den
       IWF. Worum ging es damals? 
       
       Herbert M.: Wir haben über die Weltwirtschaft diskutiert und den
       Nord-Süd-Konflikt. Wir in Ostberlin wollten mit unserer Kritik am
       sowjetischen Modell und der DDR auch die Frage nach dem Ost-Süd-Konflikt
       stellen. Das war ein ganz breites Bündnis von Ökogruppen über kirchliche
       Gruppen bis Friedensgruppen.
       
       Ein Teil der IWF-Tagungsgäste war damals nicht in Westberlin, sondern in
       Ostberliner Hotels untergebracht. 
       
       Herbert M.: Das war sicher ein Highlight. Das hat noch mal richtig
       Aufmerksamkeit gebracht. Was die Stasi interessiert hat, war aber noch
       etwas anderes. Natürlich gab es da von uns auch eine Vielzahl von Kontakten
       zum linken Spektrum, das in Westberlin die Proteste organisiert hat.
       
       Dirk Teschner hat vorhin gesagt, die Birthler-Behörde kann gar nicht gegen
       die Herausgabe der Akten protestieren, da sie wie die Bundesanwaltschaft
       eine Behörde der Bundesrepublik ist. Bei anderen Gelegenheiten hat sich
       Marianne Birthler durchaus gegen ihre Dienstherren gestellt. 
       
       Cornelia Kirchgeorg-Berg: Das ist so. Und es wäre vermutlich anders, wenn
       es jemand von ihnen, also den bekannten Bürgerrechtlern, getroffen hätte.
       Dann hätte es einen Aufschrei gegeben. Das ist umso trauriger als es hier
       auch darum geht, ob jemand wie Andrej wegen seiner Schriften als Terrorist
       kriminalisiert werden kann.
       
       Herbert M.: Ich kenne Marianne Birthler noch aus DDR-Zeiten. Damals noch
       von der solidarischen Kirche. Nun ist es so, dass in meinem Fall die Spitze
       der Birthler-Behörde zustimmen musste, weil ich nach dem
       Stasiunterlagengesetz als Opfer gelte. Der Fall ist also über den
       Schreibtisch von Marianne Birthler gegangen. Und sie hat zugestimmt.
       
       Linke Gruppen protestieren unter dem Label "Stasi 2.0" gegen den
       Überwachungsstaat. Kann man die Staatssicherheit in der DDR mit den
       Ermittlungsmethoden in der Bundesrepublik vergleichen? 
       
       Dirk Teschner: Normalerweise ist es in der Öffentlichkeit immer so: Stasi
       ist pfui. In diesem Fall ist es so, dass die Staatssicherheit gewissermaßen
       als Vorgängerdienst des Bundeskriminalamts angesehen wird. Das sind
       Kollegen, die von ehemaligen Kollegen Unterlagen anfordern. Das ist dann
       nicht mehr pfui, das soll plötzlich die Wahrheit sein. Obwohl doch immer
       gesagt wurde, auch von der Forschung, dass man die Stasiakten nicht eins zu
       eins übernehmen kann. Aber das BKA macht das plötzlich, das sind ja
       Kollegen. Stasi 2.0 ist sicher ein griffiger Begriff. Ich finde ihn eher
       merkwürdig. Der Begriff kommt daher, als würde einen das plötzlich alles
       verwundern. Mich verwundert das überhaupt nicht. Auch nicht, dass in der
       Bundesrepublik Telefone abgehört und Wanzen gelegt werden.
       
       Cornelia Kirchgeorg-Berg: Für mich gibt es schon einen Unterschied zwischen
       der Stasi und den Behörden heute. Die Staatssicherheit hatte eine
       uneingeschränkte Macht. Sie konnte den Richtern sagen, welche Strafe
       verhängt wird. Die drei Pfeiler der Demokratie, Zivilgesellschaft, freie
       Presse und Rechtsstaatlichkeit, das gab es in der DDR nicht. Dieser
       Unterschied war im Fall von Andrej doch zu beobachten: Die Medien haben
       reagiert und der Bundesgerichtshof hat, wenn auch sehr spät, den Haftbefehl
       aufgehoben.
       
       Die Methoden sind vergleichbar, entscheidend ist aber die politische und
       rechtsstaatliche Kontrolle? 
       
       Cornelia Kirchgeorg-Berg: Was das Abhören, das Beschatten betrifft, sind
       die Methoden vielleicht dieselben. Man muss sich aber immer in Erinnerung
       rufen, welche Methoden die Staatssicherheit sonst noch angewandt hat. Sie
       haben Leute aus dem Freundeskreis oder der Familie angeworben. Sie haben
       die Leute dazu gebracht, andere zu bespitzeln, ohne dass sie dafür
       hauptamtlich tätig waren.
       
       Herbert M.: Das ist mir zu undifferenziert. Wir haben schon damals gesagt:
       Der Bereich der Staatssicherheit, der sich gegen uns gerichtet hat, war
       konterrevolutionär. Aber der Bereich, der international tätig war und zum
       Beispiel Konzernstrategien aufgeklärt hat oder faschistische Strukturen
       ausfindig gemacht hat, den fanden wir richtig.
       
       Cornelia Kirchgeorg-Berg: Da kann ich nur sagen: Schalck-Golodkowski.
       
       Herbert M.: Schalck-Golodkowski hat sicher nicht viel dazu beigetragen,
       Konzernstrukturen aufzudecken. Das stimmt. Wenn wir aber über die
       Geheimdienste heute reden, ist es doch so, dass sich ein Großteil der
       Ermittlungen gegen links richtet, und nur ein kleiner gegen rechts.
       
       Vor kurzem hat der Bundesgerichtshof erklärt, dass die "militante gruppe"
       keine terroristische Vereinigung ist, weil sie nicht in der Lage sei, die
       Grundlagen der Republik zu erschüttern. Rechtsextreme Kameradschaften, die
       versuchen, bestimmte Landstriche ausländerfrei zu machen, würden hingegen
       nach Ansicht des Gerichts sehr wohl die Grundfesten der Demokratie
       zerstören. Eine eindeutige Aussage. 
       
       Andrej Holm: Wenn wir diesen Vergleich schon ziehen, müssen wir auch sehen,
       dass es nach Paragraf 129 a pro Jahr etwa 60 bis 70 Verfahren gegen Linke
       gibt und nur ein oder zwei gegen rechts. Auf der einen Seite haben wir den
       BGH, der die Einäugigkeit dieser Ermittlungsansätze nun korrigiert hat,
       tatsächlich aber ist das Verhältnis nicht besonders ausgeglichen.
       
       Cornelia Kirchgeorg-Berg: Aber deswegen war die Staatssicherheit doch nicht
       antifaschistisch. Sie mag vielleicht so entstanden sein. Aber wie hat sie
       sich denn mit ihrer ganzen Paranoia weiterentwickelt? Wo war denn die
       antifaschistische Staatssicherheit an der Zionskirche, wo 1987 Neonazis
       Punks überfallen und zusammengeschlagen haben? Warum hat die Stasi
       NSDAP-Mitglieder geworben, weil sie zuverlässige Leute waren? Wo ist da der
       Antifaschismus geblieben?
       
       Dirk Teschner: Als jemand, der sich damals auch in der Punkszene bewegte,
       kann ich das bestätigen. In der Alltagserfahrung mit der Stasi ließ sich
       schwer unterscheiden, ob man es da mit einer antifaschistischen Ideologie
       zu tun hatte oder nicht. Die Alltagserfahrung war: Leute, die anders waren,
       eben auch Punks und Anarchisten, wurden pausenlos zusammengeschlagen.
       
       Herr Holm, wie war Ihre Alltagserfahrung 1989? 
       
       Andrej Holm: Anders. Ich habe September 89 beim Wachregiment Felix
       Dzierzynski meine Grundausbildung begonnen.
       
       Sie waren bei der Stasi? Das Wachregiment Felix Dzierzynski war doch Teil
       des Ministeriums für Staatssicherheit? 
       
       Andrej Holm: So ist es. Die Reflexion darüber, was Staatssicherheit
       tatsächlich war, die begann bei mir erst nach der Wende. Seitdem habe ich
       da auch einen anderen Blick drauf.
       
       Wie haben Sie das vor der Wende gesehen? 
       
       Andrej Holm: Ich bin zumindest in einer antifaschistisch geprägten Familie
       groß geworden. Mein Urgroßvater war im illegalen KPD-Apparat und im KZ.
       Meine Großeltern waren in Moskau. Mein Vater ist da geboren, er war selber
       hauptamtlicher Mitarbeiter bei der Staatssicherheit. Ich hatte damit ein
       unreflektiertes oder wie man damals gesagt hätte, klassenbewusstes
       Verhältnis zur Staatssicherheit. Deshalb hatte ich mich dafür entschieden,
       dort selber eine längerfristige Laufbahn einzuschlagen. Im Nachhinein bin
       ich extrem froh darüber, dass mir die Wende diese Zeit erheblich verkürzt
       hat.
       
       Was genau haben Sie bei dem Wachregiment gemacht? 
       
       Andrej Holm: Ich habe zunächst eine Grundausbildung gemacht und kam dann zu
       einer Abteilung in der Berliner Bezirksverwaltung. Die hat sich
       Auswertungs- und Kontrollgruppe genannt. Aufgabe war es, eine
       Personendatenbank zu erstellen und Lageberichte zu verfassen. In der
       hektischen Wendezeit war ich für diese Aufgaben offensichtlich nicht zu
       gebrauchen. Ich wurde in ein separates Büro gesetzt und durfte dort
       Betriebsberichte lesen. Zum Ausgleich für dieses Nichtstun wurde ich für
       viele Wochenend- und Feiertagsdienste eingeteilt. Dadurch habe ich einen
       Großteil der wichtigsten Ereignisse im Herbst 1989, wie die Demo in Berlin
       am 4. November, verpasst.
       
       Herbert M.: Das Wachregiment war doch auch eine Möglichkeit den Wehrdienst
       zu absolvieren.
       
       Andrej Holm: Meine Tätigkeit unterschied sich vom reinen Wehrdienst aber
       dadurch, dass ich später für die Staatssicherheit arbeiten wollte. Meine
       Gegenforderung war, dass ich dafür ein ziviles Studium bekomme, um nicht an
       der Staatssicherheitshochschule ausgebildet zu werden.
       
       Und wie haben Sie reagiert, als Sie gehört haben, dass es im Wendeherbst
       auch zu diesen Eskalationen kam wie am 7. und 8. Oktober 1989 vor der
       Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg? Haben Sie da gedacht: Da hätte ich
       auch Teil der Auseinandersetzungen sein können? 
       
       Andrej Holm: Ja. Das war so. Ich war heilfroh, dass ich diese
       Grundausbildung im Oktober noch nicht beendet hatte und ich das alles
       fernab von Berlin in einer Kaserne erlebt habe.
       
       In China wurde die Demokratiebewegung im Sommer 1989 blutig
       niedergeschlagen. Für wie groß haben Sie die Möglichkeit erachtet, dass es
       auch in der DDR eine chinesische Lösung geben wird? 
       
       Andrej Holm: Das ist schwierig zu beantworten. Es kam aber vor, dass sich
       Einzelne während der Grundausbildung verdrückt haben, um heimlich über
       diese Ereignisse zu diskutieren. Da ging es dann da drum, was man in einem
       solchen Fall macht. Kann man sich krank melden? Kann man sich vielleicht
       sogar selbst Verletzungen zufügen? Das waren aber reine Gedankenspiele.
       
       Sie waren damals 18 Jahre alt. 
       
       Andrej Holm: Ich habe am 8. Oktober 1989 meinen 19. Geburtstag gefeiert.
       
       In dem Alter muss man noch nicht politisch gefestigt sein. Zum Wachregiment
       ging man dennoch nicht ohne Überzeugung. Und die wollen Sie dann so schnell
       gerändert haben? 
       
       Andrej Holm: Ich habe mich ja nicht für eine Laufbahn bei der Stasi
       entschieden, weil ich der Meinung war, dass wir damit einer chinesischen
       Lösung näher kommen. Das kam schon aus dieser Familiengeschichte. Bei den
       Rekrutierungsversuchen des MfS war es immer einfach, die Kinder der
       Mitarbeiter zu fragen. Da war auf jeden Fall klar, dass es keine
       Westkontakte gab.
       
       Herr Teschner, wie haben Sie reagiert, als Andrej Holm zum ersten Mal von
       seiner hauptamtlichen Tätigkeit bei der Stasi erzählte? 
       
       Dirk Teschner: Das war nach der Wende. Die alte Opposition war in
       Auflösung, viele Aktive sind in viele verschiedene Parteien gegangen. Und
       plötzlich gab es da neue Leute, mit neuen Gesichtern und mit neuen
       Geschichten. Da gab es ehemalige SED-Mitglieder, Leute von der NVA, manche
       bei den Kampfgruppen. Und natürlich auch Leute, die erzählt haben, dass sie
       bei der Staatssicherheit waren. Wir mussten uns plötzlich mit Leuten
       auseinandersetzen, die eine ganz andere Vergangenheit hatten und im Herbst
       1989 auf der anderen Seite der Barrikade standen. Und nun wurde diskutiert
       und wir haben gemerkt, dass wir ziemlich ähnliche politische Vorstellungen
       hatten. Als ich Andrej kennengelernt habe, war da schon die
       Hausbesetzergeschichte, da gab es einen Diskussionskreis um die Zeitschrift
       telegraph, da hat er es ziemlich schnell erzählt, dass er bei Dzierzynski
       war.
       
       Was haben Sie in dem Moment gedacht? 
       
       Dirk Teschner: Ehrlich gesagt: Es ging eine neue Zeit los. Wir hatten neue
       Probleme. Es ist nicht so, dass das plötzlich uninteressant war, aber das
       war nicht mehr so das Thema. Außerdem gab es ja auch schon zu DDR-Zeiten
       die Fälle, wo Leute wie Wolfgang Templin IM waren und später trotzdem in
       der Opposition gearbeitet haben.
       
       Cornelia Kirchgeorg-Berg: Ich hab es erst gestern erfahren. Meine Reaktion
       war: So war sie halt, die DDR. Ich selbst kam aus einem sehr DDR-kritischen
       Elternhaus und habe darüber viele Leute aus der Opposition kennengelernt.
       Aber wenn ich aus einem solchen Elternhaus wie Andrej gekommen wäre, wäre
       sicher vieles anders gewesen.
       
       Nach der Wende haben Sie sich im Neuen Forum engagiert. Herbert, Andrej und
       Dirk waren in der Vereinigten Linken. War das der kleinste gemeinsame
       Nenner für die, die zu DDR-Zeiten in der Opposition waren und das in der
       Bundesrepublik auch bleiben wollten? 
       
       Herbert M.: Der Vorläufer der Vereinigten Linken war die Böhlener
       Plattform. Das war eine Erklärung, die von sehr vielen unterschrieben
       wurde, die das Ziel demokratischer Sozialismus nicht aus den Augen verloren
       haben.
       
       Cornelia Kirchgeorg-Berg: Das, was in der Böhlener Plattform stand, hätte
       ich auch unterschreiben können. Aber dann kam der Aufruf fürs Neue Forum,
       und das war wie ein Befreiungsschlag in einem Land, wo so viele Leute
       weggegangen sind. Bis zum 9. November hab ich ganz fest daran geglaubt,
       dass es noch einen dritten Weg gibt. Auch wenn das heute nicht mehr viele
       zugeben: Der Fall der Mauer war für mich ein Schock. Den Westen hatten wir
       in der Opposition nicht gewollt.
       
       Was ist Opposition denn heute? 
       
       Cornelia Kirchgeorg-Berg: Auf jeden Fall nicht das, was in den Parlamenten
       stattfindet. Sie setzt punktuell an, ob das jetzt ökologische oder soziale
       Gruppen sind, Bürger und Bürgerinnen, die die Zivilgesellschaft bilden.
       
       Ist die "militante Gruppe" für Sie auch Opposition. 
       
       Cornelia Kirchgeorg-Berg: Sie ist Opposition, aber es ist für mich der
       falsche Weg.
       
       Dirk Teschner: Die "militante Gruppe" interessiert mich überhaupt nicht.
       Ich kenne nur einzelne ihrer Erklärungen, und was ich gelesen habe, fand
       ich langweilig, wie aus einer anderen Zeit. Opposition ist für mich auch,
       was im Alltag stattfindet. Da gehört aber auch der Widerstand gegen
       Überwachung dazu. Das hat das Ermittlungsverfahren gegen Andrej und die
       anderen gezeigt. Widerstandsformen gibt es viele: journalistische Tätigkeit
       genauso wie Demonstrationen organisieren, aber auch Ausstellungen machen,
       Bücher schreiben, Filme machen, und und und
       
       Herbert M.: Der Realsozialismus war nicht reformierbar. Der Kapitalismus,
       den wir jetzt haben, ist auch nicht reformierbar. Wenn wir begreifen, dass
       es einen Militarisierungsprozess in der BRD gibt, stellt sich auch die
       Frage, ob nicht auch Anschläge auf ein Fahrzeug der Bundeswehr legitim
       sind. Wer hat denn schließlich mehr auf dem Kerbholz, wenn es um
       Menschenleben geht: Die Bundeswehr oder Menschen, die überall auf der Welt
       Kriegsgerät zerstören?
       
       Andrej Holm: Für mich war es eine der wichtigen Erfahrungen der Wende, was
       von der Basis ausgehen kann. Auf Stadtteilebene, in Mieterorganisationen
       oder der Protest gegen den G-8-Gipfel.
       
       14 Dec 2007
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gereon Asmuth
   DIR Uwe Rada
       
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