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       # taz.de -- Pro Telekom-Ausstieg aus Radsport: Nicht mehr ganz sauber
       
       > Das Engagement der Deutschen Telekom für den Radsport steht mal wieder
       > auf dem Prüfstand. Ein Ausstieg wird wahrscheinlicher. Der Konzern sollte
       > sich wirklich zurückziehen
       
   IMG Bild: Sollte es etwa bei der nächsten Tour keine Männer in Pink mehr geben?
       
       Doping ist Sport. Auf kaum eine andere Disziplin trifft dieser Satz mehr zu
       als auf den Radsport. Seinen Körper so zu manipulieren, dass Sponsoren
       glücklich und Fans selig sind, ist seit Jahrzehnten schauderhafte
       Normalität im Leben vieler Profis. Da lassen Fahrer fremdes Blut durch ihre
       Adern laufen, nehmen als kerngesunde Athleten Medikamente, deren
       lebensbedrohliche Nebenwirkungen sie billigend in Kauf nehmen, oder sie
       schlucken irrwitzige Drogencocktails, vor denen selbst so mancher Junkie
       zurückschrecken würde. Die meisten dieser Extremsportler tun dies ohne
       jedes Unrechtsbewusstsein. Sie denken, dass sie genau das tun, was ihre
       Arbeitgeber, die Rennställe und ihre Sponsoren, von ihnen erwarten. Sie
       werden bezahlt für das, was sie tun. Sie erhalten reichen Lohn für Doping.
       
       Auch wenn sich ein Rennstall selbst zu reinigen versucht, so wie es
       T-Mobile nach dem Blutdopingdesaster des Jahres 2006 angekündigt hatte, die
       Fahrer, Betreuer, Ärzte, sie alle sind dem alten System verhaftet. Der Fall
       Patrik Sinkewitz steht dafür exemplarisch. Da lässt sich ein Profi in das
       Anti-Doping-Programm von T-Mobile einbinden, lässt sich als Fahrer einer
       neuen, sauberen Radsportgeneration feiern und denkt sich nichts dabei, wenn
       er sich vor einem Trainingslager Testosteron-Gel in die Reisetasche packt.
       Ein dopingfreier Rennstall, so wie ihn sich die Sponsoren in Bonn
       vielleicht wirklich erträumt haben, er ist nicht möglich in einer Sportart,
       in der es immer normal war, Verbotenes zu tun.
       
       Es waren die Sponsoren, die den Radsport groß gemacht haben. In ihrer Hand
       liegt es, das System der organisierten Manipulation zu zerschlagen. Die
       Telekom erwägt nun tatsächlich den großen Schnitt, den Ausstieg aus dem
       Radsport. Vielleicht ist die Entscheidung gegen die Radler in Rosa ja schon
       gefallen und es müssen nur noch Argumente zusammengetragen werden, mit
       denen ein Ausstieg aus dem bis 2010 währenden Vertrag mit dem Rennstall
       juristisch ermöglicht werden kann. Gestern hat der Rennstall Akteneinsicht
       in die Unterlagen der Freiburger Staatsanwaltschaft beantragt. Man will
       genau wissen, was gelaufen ist in der Dopingzentrale des deutschen
       Radsports. Wenn darüber Klarheit besteht, wird in Bonn eine Entscheidung
       fallen. Im besten Fall für einen Ausstieg. Nur so kann die Telekom ein
       wirkliches Zeichen im Anti-Doping-Kampf setzen.
       
       Das hätte dann nicht nur Auswirkungen auf den deutschen Radsport, der zu
       dem werden könnte, was er vor dem Einstieg der Telekom trotz eines Rudi
       Altig oder eines Dietrich Thurau immer war, zu einer Randsportart. Auch die
       internationale Szene hätte an einem Ausstieg der Telekom schwer zu
       knabbern. Der große deutsche Markt, über den sich die Szene, dank hoher
       Erlöse für Übertragungsrechte, zu einem gut Teil finanziert hat, würde wohl
       schnell wegbrechen. Konzerne, die in anderen Ländern immer noch versuchen,
       ausgerechnet über ihr Engagement im Radsport Imagepflege zu betreiben,
       könnten dem Beispiel der Bonner folgen. Der Radsport, so wie er bis heute
       existiert, er könnte ins Wanken geraten, wenn in der Vorstandsetage der
       Telekom die Daumen gesenkt werden. Wer von einem sauberen Sport träumt, der
       kann sich das nur wünschen.
       
       nein
       
       VON MARTIN KRAUSS
       
       Im August 2007 beendete die berühmte und sympathische Wiesenhof GmbH ihr
       Engagement bei einem nach ihr benannten Radsportstall. Neue Sponsoren
       konnten nicht gefunden werden, die Sportler wurden arbeitslos. Heute
       diskutiert der nicht minder sympathische Telekom-Konzern, ob sein Ableger
       T-Mobile sich auch aus dem Profiradsport zurückziehen soll. Den Beifall der
       Sozialdemokratie fände ein solcher Schritt auf jeden Fall.
       
       "Bei aller Sympathie für den Radsport - hier gibt er selbst den letzten
       Anstoß, dass ein Sponsor, der viel veranlasst hat zur Dopingbekämpfung, am
       Ende des Tages sagen muss: Jetzt sind wir nicht mehr die richtigen
       Partner", urteilt der Vorsitzende des Bundestagssportausschuss, Peter
       Danckert (SPD).
       
       Der Schaden, den ein Rückzug der Telekom beim Radsport bewirkte, wäre
       klein, hört man, im Vergleich zu der Signalwirkung, die ein solcher
       Entscheid entfaltete. Vielleicht sogar größer, darf man fragen, als die
       Signalwirkung, die damals von Wiesenhof ausging? Und der Schaden wäre
       geringer als bei Wiesenhof?
       
       Bei Telekom hat man Angst ums Image. Der Konzern, dessen Ansehen in der
       deutschen Bevölkerung vor 15 Jahren noch unter dem der Nationalen
       Volksarmee gelegen haben dürfte, hatte es dank des Radsports geschafft,
       moderner zu erscheinen, ja sogar die Deutsche Bundeswehr imagemäßig zu
       überholen. Jan Ullrich, Erik Zabel und Kollegen sorgten dafür, dass man mit
       dem Wort "Telekom" weniger lahme Monteure assoziiert denn Geschwindigkeit.
       Nun aber ist der Radsport in die Dopingdiskussion gerutscht, und die
       Telekom sorgt sich, wie vor ihr der Hähnchenfabrikant Wiesenhof, um ihr
       Image als sauberer und gesunder Konzern - was immer das sein könnte.
       
       Das juristische Risiko, sich einfach aus bestehenden Verträgen zu
       schleichen, hält Sozialdemokrat Danckert für niedrig: "Ich möchte das
       Gericht in Deutschland sehen, das hier die Telekom verpflichtet, weiter zu
       finanziellen Zusagen stehen zu müssen und sich zugleich in der
       Öffentlichkeit permanent beschimpfen und seinen Ruf weiter beschädigen zu
       lassen."
       
       Es ist nett, wie sich hier ein Sozialdemokrat stellvertretend für weite
       Teile der liberalen Öffentlichkeit um das Image eines Konzerns sorgt, von
       dem es gerade heißt, dass er 35.000 Arbeitsplätze auslagern will und in
       dessen internen Strategiepapieren zu lesen ist, dass künftig jedes Jahr
       10.000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Einen Arbeitskampf gegen den
       Konzernumbau hat das Management weitgehend gewonnen: "50.000 Menschen
       arbeiten mehr und verdienen weniger", fasst die Welt das Streikergebnis
       zusammen.
       
       Die Formulierung "Sauberkeit im Sport" ist hier schlicht ein Textbaustein,
       der gebraucht wird, um die Kostendämpfung beim Konzernabbau zu
       legitimieren. Schließlich läuft die einst wertvolle Imagemaschine Radsport
       nicht mehr so gut. Wenn der Rennstall keine Erfolge mehr einführe, fänden
       ähnliche Diskussionen in der Telekom-Chefetage statt. Mit dem Hinweis auf
       mangelnde Sauberkeit der Angestellten will man deren Verabschiedung in die
       Arbeitslosigkeit nur besser dargestellt wissen.
       
       Nein, liebe Telekom: kein Ausstieg aus dem Radsport, kein Abstieg vom
       Fahrrad, ihr sollt gefälligst weiterzahlen!
       
       7 Nov 2007
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
   DIR Doping
       
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