# taz.de -- Friedensnobelpreis: Die Welt erwärmt sich für Al Gore
> Al Gore, früher Vizepräsident der USA, hat sein Lebensthema
> wiedergefunden - und den höchsten Preis der Welt erhalten. Damit wird er
> geehrt und gerächt.
IMG Bild: Der größte Feind trifft auf den größten Freund des Klimas: Al Gore am Tiefpunkt seiner Karriere nach der Wahlniederlage gegen Bush im Jahr 2000.
Der Freitag war gut zu ihm. Der einst düpierte Exvizepräsident ist gerächt.
Ihm, der im Jahr 2000 im Wahlchaos der Stimmennachzählung in Florida das
Weiße Haus um ein Haar verfehlte, wurde nun die weltweit höchste
Auszeichnung zuteil. Ihm, den schon Vater Bush als "Ozonmann" verspottete,
wurde nun für sein beharrliches Umweltengagement globale Anerkennung
gezollt.
Was also steht dem Mann noch im Wege, endlich wieder für das
US-Präsidentenamt zu kandidieren? Das ist die Frage, die für Al Gore in
seiner US-amerikanischen Heimat mit dem Friedensnobelpreis einhergeht. Der
59-Jährige wird sie nun beantworten müssen, denn er ist der Traummann einer
Wählerinitiative ohne Kandidat. Seine Fans verstehen ihn nicht. Warum
kämpft der Politstar nicht wie ein Berserker um seinen Platz in Washington?
Schon damals, im Jahr 2000, verbitterte er seine glühendsten Unterstützer,
weil er den Kampf gegen seinen Konkurrenten George W. Bush nach dem
zweifelhaften Richterspruch einfach aufgab. Bei der Wahl hatte Gore zwar
landesweit 300.000 Stimmen mehr als Bush erhalten, doch Bush junior konnte
sich mit Hilfe des Obersten Gerichtshofes und einem der Familie zu Dank
verpflichteten Richter die 270 Wahlmännerstimmen aus Florida sichern, die
für den Einzug ins Weiße Haus nötig waren.
Danach verschwand Al Gore in der Versenkung. Aus der kam er einige Jahre
lang nur selten heraus. Aber dann mit einem klaren Nein zu den
Irakkriegsplänen der Bush-Administration - was angesichts der damaligen
Popularität Bushs und der inneramerikanischen Hochstimmung einem
politischen Harakiri glich. Für viele sah es so aus, als sei Al Gore nun
völlig verrückt geworden. Doch ehemalige Mitarbeiter sagen heute, dass es
Al Gore in diesem selbstgewählten politischen Exil gelang, sich von
Politstrategen und Machtberatern zu befreien - und er zurückfand zu seinem
eigentlichen Thema, dem Umweltschutz und dem von Menschen ausgelösten
Klimawandel. Themen, die schon Kern seiner frühen politischen Karriere
waren. Sein preisgekrönter Film, "Eine unbequeme Wahrheit", erzählt
werbewirksam auch die Geschichte des Albert Arnold Gore jr. der schon als
Harvard-Student aufmerksam wurde auf Professoren, die in den 60er-Jahren
von Umwelt sprachen und ansteigende Kurven an die Tafel malten.
Gores Vater, der mehr als 30 Jahre als Abgeordneter des US-Bundesstaates
Tennessee im US-Kongress diente, hatte gute Beziehungen. Doch der Sohn
versuchte nicht, mit ihrer Hilfe dem Dienst im Vietnamkrieg zu entkommen -
er wurde Armeereporter. Nach dem Krieg schreibt sich Gore an der Vanderbilt
University für Jura ein, bricht das Studium aber ab, um als Reporter in
Nashville, Tennessee zu arbeiten. Er schafft es, einen Korruptionsfall
aufzudecken und für den Rücktritt einiger Lokalpolitiker zu sorgen. Aber
das reicht ihm nicht.
Als 1976 der Nashviller Abgeordnete nach Jahrzehnten seinen Rückzug
ankündigt, greift Gore zu. Er kandidiert und wird als Abgeordneter nach
Washington geschickt. An Washington bindet Gore auch die Liebe. Hier hatte
er schon bei seinem Highschool-Abschluss "Tipper" kennen gelernt. Die
beiden heiraten 1970 und bekommen in den folgenden Jahren vier Kinder.
Obgleich Gore in der Politik viel Ehrgeiz an den Tag legt, schlägt er eine
erneute Präsidentschaftskandidatur für die Wahl 1992 aus, weil sein damals
sechsjähriger Sohn bei einem Autounfall fast getötet worden war. Zuvor, als
Präsidentschaftskandidat bei der Wahl 1988, hatte er es nicht geschafft,
die Nominierung der Demokraten zu erhalten. Die ging damals am Michael
Dukakis.
Als Politiker hat Gore viel richtig gemacht. Er kämpfte beharrlich, aber
erfolglos gegen die finanzielle Hilfe der USA für Iraks Diktator Saddam
Hussein. Er sorgte für das Ja der US-BürgerInnen zum Freihandelsabkommen
Nafta, er war Wegbereiter einer progressiven Internetgesetzgebung. Er
mietet, kurz nachdem Hurrikan "Kathrina" New Orleans verwüstet hat, zwei
Flugzeuge und lässt 270 Flutopfer ausfliegen, weil "die Bush-Regierung
völlig versagt hat".
Gore ist ein Vollblutpolitiker, ein Stratege, der zur Erreichung seiner
Ziele nichts gegen Pragmatismus hat. Im Kampf gegen die, wie er sie nennt,
"Klimakrise" brettert er selbst im Jet kreuz und quer in der Welt herum. Er
lässt Musiker global aufspielen und er kungelt mit dem britischen
Milliardär und Fluglinienbetreiber Richard Branson, mit dem zusammen er
einen hochdotierten Umweltpreis gestiftet hat.
Den Puristen in der Klimagemeinde ist das ein Graus. Die Nachricht, dass
Gore in seinem Haus in Nashville horrende Stromrechnungen produziert und
offenbar privat wertvolle Resourcen verpulvert, freut seine Kritiker. Ein
britischer Richter hat am Donnerstag "neun Fehler" in Gores Oscar-gekröntem
Film gefunden. Gore sei Alarmist, Klimaritter und Selbstdarsteller,
beschimpfen ihn die Konservativen und die Hundertprozentigen. Doch mit Al
Gore hat das bessere Amerika ein Gesicht, ein gutes dazu.
13 Oct 2007
## AUTOREN
DIR Adrienne Woltersdorf
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