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       # taz.de -- Medienkritik: Fernsehen ist Krieg
       
       > Roger Schawinski, Ex-Sat.1-Geschäftsführer, präsentiert sein Buch "Die
       > TV-Falle" in Berlin. Was ist dran an seiner großen Abrechnung mit dem
       > deutschen Fernsehen?
       
   IMG Bild: Kurz vor seinem Wechsel zu Sat.1: Medienmogul Roger Schawinski
       
       Wenn Roger Schawinski geradeaus schaut, sieht er einen Unbeteiligten.
       Gegenüber, an der Wand in Clärchens Ballhaus in Berlin, hängt ein Spiegel.
       Was Schawinski sieht, ist er selbst.
       
       Er steht im Mittelpunkt der Veranstaltung. Der Saal ist voll von
       Medienschaffenden, die gekommen sind, um ihn reden zu hören. Den Mann, der
       mit "Die TV-Falle" ein Buch über Medien vorgelegt hat, das nach zehn
       Verkaufstagen ein Bestseller ist. Doch er, Roger Schawinski, 62, der von
       2003 bis 2006 Sat.1-Geschäftsführer war, schaut wie ein Schaf. Es ist der
       Blick zum Buch.
       
       "Die TV-Falle" ist ein Buch über die deutsche Fernsehbranche aus ihrem
       Inneren. Er schreibt über Stars von Sat.1, Ottfried Fischer, Anke Engelke,
       Alexandra Neldel - niemand von ihnen kommt dabei gut weg. Und über die
       Konkurrenz zwischen der RTL- und der ProSiebenSat.1-Gruppe, über
       Kampfprogrammierung und Werbeblöcke. Manchen mutet das Buch wie eine
       Abrechnung mit der Branche an. Doch es ist eigentlich keine - auch wenn die
       Wortwahl darauf hindeutet: "Pickelhart" ist Schawinskis Lieblingswort.
       Fernsehen ist Krieg. Und er beschreibt das eben. "Die TV-Falle" ist eine
       Mischung aus Reality-TV in Buchdeckeln und erhellender Beschreibung.
       
       Besonders aufschlussreich sind die Kapitel, in denen er nicht über sich und
       Sat.1 schreibt. "Meine Hauptkritik", sagt Schawinski in Berlin, "richtet
       sich gegen die Öffentlich-Rechtlichen" - und diese Kritik erscheint nicht
       unplausibel. "Die senden Telenovelas rauf und runter, Pilcher rauf und
       runter. Die kopieren die Privaten", sagte er der taz.
       
       Seine zweite Hauptkritik - es ist die brisanteste Stelle des Buches -
       richtet sich gegen die Regionalfenster, die Privatsender ins Programm
       nehmen müssen, wenn sie einen bestimmten Marktanteil erreichen. Und vor
       allem: gegen die Macher. Einer von ihnen ist Alexander Kluge, der mit DCTP
       Teile des Nachtprogramms von Sat.1 bestückt. "Er ist der private Profiteur
       einer Regelung, die angeblich die Meinungsvielfalt sichern soll", schreibt
       Schawinski - dank Kluges Vernetzung mit Medienpolitikern, wie er behauptet.
       "Die Quote bewegte sich bei diesem Programm natürlich gegen null, und das
       tut sie bei fast allen Sendungen von Kluge."
       
       Kluges Konter: "Es ist bekannt, dass die großen Sender Sat.1 und RTL auf
       die Fensterprogramme lieber verzichten würden." Er sagt: "Das Prinzip der
       Kulturmagazine der DCTP ist es, etwas, was außerhalb des Fernsehens Geltung
       hat, unverfälscht ins Fernsehen zu bringen. Dadurch wird man manchmal zum
       Quotenkiller, aber ist keine Quotenhure."
       
       Immerhin also: Schawinski stößt eine Debatte an. Schlechter weg als Kluge
       kommen die Medienbehörden selbst. Er kritisiert "den direkten, ungebremsten
       Durchgriff der Politik ins Medienwesen" - die gemeinte Landesmedienanstalt
       Rheinland-Pfalz war gestern für eine Stellungnahme noch nicht zu erreichen.
       
       Schawinskis Erzählung krankt aber in einem Aspekt: Der Schweizer geriert
       sich wie ein Zaungast - dabei stand er im Epizentrum von Deutschlands
       Privatfernsehen. Er schreibt, als habe er den Blick von außen. Er hat ihn
       aber nicht. Das führt unweigerlich zu Selbstgerechtigkeit. Und so enthält
       das Buch zwei Hauptaussagen. Erstens: Die deutsche Fernsehbranche ist böse
       und gemein. Zweitens: ich nicht.
       
       Dass Schawinskis Darstellung nicht die einzige ist, wird auch während der
       Diskussion in Berlin augenscheinlich. Mit ihm auf der Bühne stehen der
       Fernsehproduzent Marc Conrad (der mit Schawinski den gefloppten Mehrteiler
       "Blackout" für Sat.1 produzierte) und der Medienjournalist Michael Hanfeld
       (FAZ). Schawinski widmet "Blackout" ein ganzes Kapitel - es ist sein
       Beispiel dafür, dass er auf "Qualität" (sein anderes Lieblingswort neben
       "pickelhart") bedacht gewesen sei. Das Programm wurde, wie Schawinski
       schreibt, tatsächlich vor der Ausstrahlung von quasi allen Kritikern
       gelobt. Das Erstaunen war groß über den Mut, eine solche Reihe für das
       Privatfernsehen in Auftrag zu geben. Doch der Vierteiler floppte grandios.
       Schawinskis Hauptschuldiger: der Zuschauer.
       
       Marc Conrad bietet eine andere Interpretation. Statt wie geplant am
       Donnerstag sei die Reihe am Sonntag gelaufen. Conrad: "Wenn man von Anfang
       an gesagt hätte, wir machen etwas für den Sonntag, hätten wir das anders
       konzipiert." Kurz: Schawinski - und das ist nicht Conrads Exklusivdeutung -
       habe die Schuld am Flop von "Blackout" mitgetragen. Schawinski selbst
       verliert freilich über die Verlegung der Sendung kein Wort.
       
       29 Aug 2007
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Raab
       
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