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       # taz.de -- SciFi: Kontemplativ im Kosmos
       
       > Danny Boyle ("Trainspotting") und Alex Garland ("The Beach") haben sich
       > zusammengetan und in "Sunshine" gefragt: Was tun, wenn die Sonne
       > erlischt?
       
   IMG Bild: Cillian Murphy lässt es leuchten
       
       Dieser Tage werden die ersten Sonnenstrahlen ja gerne wie ein lang
       vermisster Freund begrüßt. Man trifft sich dann mit anderen Menschen unter
       freiem Himmel, in Parks und Straßencafés, um in gelockerter Atmosphäre die
       alljährlichen Willkommensrituale des Frühlings zu zelebrieren. Keine gute
       Zeit für die Kinobetreiber mit ihren dunklen Sälen, doch der angemessene
       Zeitpunkt für den Start von "Sunshine", dem mittlerweile dritten Film, der
       aus einer Kooperation von Regisseur Danny Boyle und Autor Alex Garland
       entstanden ist. In dessen Weltuntergangs-Szenario ist unser Zentralgestirn
       kein milder Segensspender, sondern eine gleichermaßen Faszination wie
       Schrecken generierende kosmische Gewalt, das Alpha und das Omega allen
       Lebens. Und das denkbar stärkste Zeichen für die Suche des Kinos nach einem
       Bild des Erhabenen.
       
       Die Sonne erlischt, ein Team von Astronauten wird losgeschickt, um mit
       Hilfe einer gigantischen Atombombe das ersterbende Feuer wieder zu
       entzünden. Es ist bereits der zweite Rettungsversuch, der erste war aus
       unbekannten Gründen gescheitert. Hätten Jerry Bruckheimer und Michael Bay
       die Federführung gehabt, wären die Menschheitsretter vermutlich verwegene
       und dickköpfige Abenteurer, die mit Sprüchen und Bravour durch
       Meteoritenschwärme navigieren. Bei Garland und Boyle sind es nüchterne
       Wissenschaftler, die den Ernst der Lage begreifen, ohne in Panik zu
       verfallen. Auch gelegentliche Ausbrüche von Männlichkeits-Konflikten
       zwischen dem Physiker (Cillian Murphy) und dem Schiffsingenieur (Chris
       Evans) können die Mission nicht ernsthaft aus der Bahn bringen.
       
       So entfaltet sich der Film in seiner ersten Hälfte als kosmisches
       Kammerspiel mit existenzialistischem Unterton, als ehrbarer Versuch,
       innerhalb des Genres den Klassikern des kontemplativen Science-Fiction wie
       "Solaris" oder "2001" zu folgen. In der Uferlosigkeit des Weltraums kann
       das Kino, das haben zumindest diese Filme erwiesen, die Perspektive finden,
       um in lebensfeindlicher Umgebung die letzten Fragen nach den Bedingungen
       des Über- und Miteinanderlebens zu stellen. Auch "Sunshine" rahmt seine
       philosophischen Ambitionen dramaturgisch nicht ungeschickt in dieser
       Umgebung der Extreme: die Leere des Weltraums gegen die Enge der Behausung,
       die absolute Kälte gegen die zerstörerische Hitze. Stärker als die schiere
       physische Gewalt, die von der immer näher rückenden Sonne ausgeht, wiegt
       jedoch ein psychologischer Effekt: Im Angesicht der Sonne begreift der
       Mensch seine absolute Maßstabslosigkeit. Ausgerechnet der Bordpsychologe
       erliegt diesem Effekt als Erster.
       
       Wäre dem Film an dieser Stelle das Budget ausgegangen, hätte man ihn noch
       als Torso schätzen können, der an seine Vorbilder gewiss nicht heranreicht,
       aber zumindest nach den Sternen strebt. Leider wird nach einem Notruf, der
       zur Entdeckung der Überreste der ersten Mission führt, die sorgfältige
       Anlage des Anfangs aufgegeben zugunsten von Actionschauwerten mit
       deutlichen B-Movie-Anklängen, in der die Mannschaft nach bewährtem
       Serienkiller-Prinzip von einem Wahnsinnigen im Freddy-Krueger-Look - im
       Gegensatz zu diesem allerdings nackt und ohne den charakteristischen Pulli,
       der für ironische Distanz sorgt - dezimiert wird. Und ja, das bricht derart
       wirr und unvermittelt in den Film ein, wie es hier geschrieben steht. Und
       mit der Story wird auch der Versuch aufgegeben, ein Bild von der
       Erhabenheit des Lichts zu finden: Das geht unter in einem blinden
       Schnellfeuer aus digitalen Lichteffekten und verzerrter Optik.
       
       "Sunshine", Regie: Danny Boyle. Mit Cillian Murphy, Rose Byrne u. a., USA
       2007, 107 Min.
       
       19 Apr 2007
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dietmar Kammerer
       
       ## TAGS
       
   DIR Drogen
       
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