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       # taz.de -- „Mad Men“ – die letzte Folge: Ommmmmm!
       
       > „Mad Men“ ist zu Ende. Was haben wir geweint, was haben wir gelacht. Was
       > haben die mit uns gemacht? Ein sensationelles Finale.
       
   IMG Bild: Cheers und farewell, Mad Men
       
       Was ist passiert? 
       
       Rieke Havertz: Don ist auf dem Weg gen Westen, mittlerweile ohne Auto.
       Betty todkrank, Joan abgefunden, Sterling scheinbar untergetaucht. Die
       vorletzte Episode „The Milk and Honey Route“ brachte lose Enden und keine
       eindeutigen Hinweise auf das Finale.
       
       Doris Akrap: Lose Enden! Schöne Metapher für die ganze Serie. Das ist schon
       stark, wie Weiner bis zum Schluss diese Erzählweise durchhält. Das Leben
       ist ein [1][„Carousel“]. Es geht immer weiter. Und immer gleich. Es gibt
       kein Ereignis, das eintritt und alles ändert.
       
       Was ist sonst noch wichtig? 
       
       RH: Das Ende einer Ära, alles ist wichtig. Alles andere außerhalb dieser
       letzten 57 Minuten: unwichtig.
       
       DA: Stimmt. Wichtig war nur vorher, dass man bis zu diesen letzten 57
       Minuten nochmal alle Folgen im Marathon gesehen hat.
       
       Die Schlüsselszene 
       
       RH: Es gibt viele und alle verbindet eins: Sie werden am Telefon geführt.
       Don mit Sally, als diese ihrem Vater von der Krebserkrankung von Betty
       erzählt. Don mit Betty. Don mit Peggy. Peggy mit Stan. Joan mit einem
       Kunden.
       
       DA: Und Joan mit Peggy! Überhaupt das Telefon und Mad Men. Wie Betty immer
       in ihrer Wohnküche stand und sich mit „Draper's Residence“ meldete. Und
       jetzt ist es dieses letzte Telefongespräch, die ihre ganze Beziehung in
       drei Minuten einfängt: „Please don't let your pride interfere with my
       wishes.“ (Betty). „Birdie“. „I know“. („Bitte lass deinen Stolz nicht meine
       Wünsche überlagern.“ „Birdie.“ „Ich weiß.“)
       
       Der beste Dress 
       
       RH: Der brokatschwere Bettüberwurf, den Roger trägt wie ein römischer Gott.
       
       DA: Dons T-Shirts. Erst das weiße, dann das mintgrüne Polohemd und am Ende
       wird das weiße Shirt zum weißen Hemd: Wiederauferstehung. Ommmm!
       
       Der beste Drink 
       
       RH: Die Bloody Marys, die Joan und Peggy gemeinsam trinken, während sie den
       Plan diskutieren, eine eigene Produktionsfirma für Werbefilme zu gründen.
       
       DA: Die kleinen Pastis, mit denen Roger und Megans Mutter Mari Calvert in
       einem kleinen Café anstoßen.
       
       Der beste Dialog 
       
       RH: „Your life is undeveloped property. You can turn it into anything you
       want. It’s got a hell of a view.“ („Dein Leben ist wie ein unberührtes
       Grundstück. Du kannst es in alles verwandeln, was du willst. Und es hat
       einen verdammt guten Blick.“) Richard über Joans Leben. Und dann tut sie
       genau das, sie entscheidet über ihr Leben – und er geht. Und natürlich
       Peggys und Stans verquere Liebeserklärung via Telefon von Büro zu Büro.
       
       DA: Alle Dialoge.
       
       Die bitterste Szene 
       
       RH: Don und Betty bei ihrem letzten Gespräch. „Birdie“!!
       
       DA: Definitiv! Aber auch die in der Hippie-Runde, in der ein Unbekannter
       ausspricht, was Don ist: ein Kühlschrank.
       
       Die schönste Szene 
       
       RH: Joan und Roger in ihrer gemeinsamen Abschiedsszene – sie waren das Paar
       von Mad Men, made to be, in Schönheit gescheitert und am Ende ohne einander
       glücklich.
       
       DA: Wie Joan in ihrer Wohnung steht, den Telefonhörer in der Hand, eine
       Mitarbeiterin am Tisch. Das überraschendste Comeback. Joan gründet ihre
       Firma.
       
       Was man hört 
       
       RH: [2][„Hello, I Love You“] von den Doors läuft in der Garage in Utah, in
       der Don am Anfang der Folge strandet.
       
       DA: Die Serie über den Werber Don Draper, sie endet mit einem Werbevideo,
       für die Marke, die Don immer gejagt hat: Coca Cola. [3][„The Hilltop“] hieß
       dieses Video. Matthew Weiner: Genial. It's the real thing.
       
       Was man liest 
       
       DA: Nichts.
       
       Dons Abgang 
       
       RH: Wen ruft er an, als er alles in Frage stellt? Nicht Betty, nicht Megan,
       sondern die eine Frau, die immer eine Konstante in seinem Leben war: Peggy.
       Es ist ein letzter „person to person“-Anruf, ein Anruf, der nur
       durchgestellt wird, wenn die Person, die man erreichen möchte, am anderen
       Ende ist. Und Don lässt die Fassade seiner Existenz fallen. Es ist seine
       letzter großer Monolog, das große Finale bestreitet nicht Don, es ist ein
       völlig Unbekannter, der in einer der Sitzungen darüber spricht, wie er als
       Person nicht wahrgenommen wird. Keine Analogie für Dons Leben, wohl aber
       vielleicht für Dicks Leben, für Dons eigentliche Biographie, bevor er sich
       eine andere geschaffen hat.
       
       Danach scheint Don meditierend seinen Frieden gefunden zu haben. Oder
       gelingt ihm dort, an den Felsen in Kalifornien doch noch der große Coup:
       die Idee für den Coca-Cola-Werbespot? Oder ist es nur der zynische
       Schlusspunkt, der zeigt, das jede Subkultur und jede Ideologie früher oder
       später in einem Werbeslogan aufgeht?
       
       DA: Dass es eben nicht Don ist, der da am Ende ausspricht, dass er ein
       Kühlschrank ist, sondern ein anonmyer gescheiterter Familienvater würde ich
       so interpretieren, dass Don eben nicht eingesteht, dass er gescheitert ist.
       Dieses Telefongespräch mit Peggy „I just realized that I didn't say good
       bye to you“ – ist gar keine Beichte. Es ist ein Hilferuf. Jemand muss ihm
       sagen: „Come home“. Betty hat das nicht getan.
       
       Und über den Schluss werden wir noch jahrelang reden. Aber mein erster
       Eindruck: Don hat „McCann Ericksson“ verlassen als er hörte, wie ein
       x-beliebiger Werber seine Rhetorik kopiert: „Imagine it's you.“ Aber dieser
       Mann sagt auch, dass „YOU“ nur einer von Millionen anderen ist. Und jetzt
       kommt Don am Ende in dieser Hippie-Kommune an und macht diesen Spot, in dem
       es eben nicht mehr um den Einzelnen geht, sondern um die ganze Welt in
       schwarz, weiß, gelb, rot. „We are the World“. Er hat – vorläufig – ein
       neues Zuhause gefunden. Er muss nicht mehr „Ich“ sein, er kann in der
       Gruppe der Welt aufgehen.
       
       Das Fazit 
       
       RH: In der ersten Folge der ersten Staffel sagt Don: „Werbung basiert auf
       einer Sache allein – und das ist Glück. Und weißt du, was Glück ist? ... Es
       ist eine Werbetafel am Wegesrand die dir versichert, dass was immer du
       tust, du wirst okay sein. Du bist okay.“ Das Ende von Mad Men ist nicht
       tragisch und es ist nur bis zu einem gewissen Grad offen – hat Don die Coca
       Cola Werbung gemacht und ist in sein Leben zurückgekehrt, oder nicht? Aber
       egal, wie man diese Frage für sich selbst beantwortet, der Eindruck von Don
       am Ende von sieben Staffeln ist: Er ist okay.
       
       Und viele andere Charaktere – Betty ausgenommen, aber sie hat ihr Schicksal
       angenommen – scheinen ebenfalls genau das zu sein: in Ordnung und auf dem
       Weg in die 70er Jahre, nicht mehr gemeinsam verbunden durch eine Agentur,
       sondern jeder mit seinem eigenen Leben. Den schönsten Abschluss dabei
       bekommt Joan, die das tut, worum sie sieben Staffeln lang gekämpft hat und
       worum keine Frau sollte kämpfen müssen: Sie gründet ihre eigene Firma, mit
       zwei Namen, weil das gut klingt. Holloway-Harris: Es sind ihre eigenen
       beiden Namen. Sie braucht niemanden für ihren Erfolg.
       
       DA: Ein Wahnsinns-Finale. Sowohl diese allerletzte Folge, als auch die
       letzten sieben Folgen dieser letzten Staffel. In so gut wie jeder Szene in
       diesen sieben Folgen schoss die gesamte Serie auf einen Moment zusammen.
       Man könnte anhand von zig Einzelszenen die gesamte Serie erzählen und das
       würde ewig dauer.
       
       Darin zeigt sich wirklich die große Kunst des Matthew Weiner: Mit einem
       Kleid, mit einer Farbe, mit einem Blick, mit einem Sprung in den Pool, mit
       einem einzigen Detail alles erzählen zu können. Das Finale aber halte ich –
       anders als erwartet – für ebensogroß wie das bislang größte Finale aller
       US-Serien, das der Sopranos. Erstmal herrscht Schweigen. Aber Ommmm – der
       Klang des Absoluten. Der Sound von der Einheit allen Seins. Ich freue mich
       schon auf die nächsten Jahre, in denen wir darüber sprechen werden.
       
       19 May 2015
       
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   DIR [1] http://vimeo.com/35563677
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