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       # taz.de -- Uni Mainz verheimlicht Pharma-Vertrag: Mauern bis in den Gerichtssaal
       
       > Die Uni Mainz will Verträge mit Boehringer Ingelheim nicht offenlegen.
       > Mit einem Trick versucht sie auch das Informationsfreiheitsgesetz zu
       > umgehen.
       
   IMG Bild: Nicht ganz transparent: Was hat die Uni Mainz mit Boehringer Ingelheim ausgemacht?
       
       MAINZ taz | Nach sechs Monaten Briefwechselgefecht ist klar: Die
       Johannes-Gutenberg-Universität Mainz wird ohne Richterspruch keine
       Informationen zu ihrem wohl wichtigsten privaten Kooperationspartner
       preisgeben. Eine Studentin wollte wissen, welche Verträge die Universität
       mit dem Pharmakonzern Boehringer Ingelheim geschlossen hatte. Die
       Hochschule verweigerte die Auskunft, selbst als Edgar Wagner, der
       Landesdatenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz, sie dazu aufforderte. Das
       zeigen Unterlagen, die der taz vorliegen.
       
       Die Hochschule lässt es auf einen Rechtsstreit ankommen: Denn per
       Landesgesetz ist sie dazu verpflichtet, Auskunft zu erteilen. Das regelt
       das seit 2009 geltende Informationsfreiheitsgesetz. Die Uni versuchte
       jedoch, die Antragstellerin mit einem Trick abzuspeisen: Forschung und
       Lehre seien von der Auskunftspflicht ausgenommen, argumentierte die
       Hochschule, weil sie keine „Verwaltungstätigkeiten“ darstellten. Sie berief
       sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Köln – obwohl das in
       Nordrhein-Westfalen liegt und dort andere Gesetze gelten.
       
       „Diese Auffassung geht fehl“, urteilte der daraufhin eingeschaltete
       Datenschutzbeauftragte Wagner. Der weitere Briefwechsel und auch ein
       Treffen Wagners mit der Hochschulleitung führten zu keiner Annäherung. Die
       Studentin müsste vor Gericht ziehen, um ihr Auskunftsrecht durchzusetzen.
       Doch warum mauert die Hochschule so?
       
       Vor zwei Jahren erhielt die Universität Mainz 50 Millionen Euro von der
       Boehringer Ingelheim Stiftung. Mit dem Geld soll der Fachbereich
       Lebenswissenschaften ausgebaut werden. Seit 2011 unterstützt die Stiftung
       die Hochschule bereits mit 100 Millionen, um das Institut für Molekulare
       Biologie (IMB) aufzubauen. Dort wird laut Institutswebsite Genforschung
       betrieben, „mit dem Potential, auch in der Medizin angewendet zu werden“.
       
       Sprich: Das Institut forscht dort, womit der formell von der Stiftung
       getrennte Konzern sein Geld verdient – an der Entwicklung möglicher
       Arzneistoffe. 2,1 Milliarden Euro Gewinn hat der Pharmariese 2014 erzielt
       und acht Zulassungen für neue Impfstoffe erwirkt. Für die Entwicklung neuer
       Arzneistoffe gab das Unternehmen im vergangenen Jahr 2,7 Milliarden Euro
       aus. Bei der Entwicklung spielt der Wissenstransfer mit der Wissenschaft
       eine große Rolle. Am Wiener Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie
       (IMP) betreiben 200 WissenschaftlerInnen Grundlagenforschung im Auftrag des
       Pharmakonzerns. Die dort entwickelten Patente können von Boehringer
       Ingelheim verwertet werden.
       
       ## Nähe zwischen Konzern und Hochschulgremien
       
       Bestehen möglicherweise ähnliche Vereinbarungen mit der Universität Mainz?
       Abwegig ist die Vermutung nicht. Denn die Forschung am Mainzer Institut für
       Molekulare Biologie könnte etwa bei der Krebstherapie Fortschritte
       erzielen: Ob man eine durch Krankheit veränderte Zelle wieder zu einer
       gesunden zurückprogrammieren kann, daran wird am IMB geforscht.
       
       Zudem gibt es eine personelle Nähe zwischen Konzern, Stiftung und
       Hochschulgremien. Andreas Barner ist Vorstandschef des Pharmakonzerns und
       gleichzeitig Chef des Forschungs- und Entwicklungsressorts. Auch ist er
       Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Boehringer Ingelheim
       Stiftung, die der Universität Mainz bereits mehr als 150 Millionen Euro
       spendete, um die „pharmazeutische Wissenschaft“ zu fördern. Und: Barner ist
       Vorsitzender des Hochschulrats der Universität Mainz. Ein Gremium, das die
       „Profilbildung sowie ihre Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit“
       sicherstellen soll.
       
       Bei der Eröffnung des gestifteten Molekular-Instituts 2011 waren sich
       Konzernvorstand Barner, Hochschulrektor Georg Krausch, Ministerpräsident
       Kurt Beck sowie Wissenschaftsministerin Doris Ahnen einig, dass der
       Wissenschaftsstandort Mainz dank der Boehringer Ingelheim Stiftung zum
       international bedeutenden Zentrum für molekulare Medizin aufsteigen werde.
       
       Welche Verträge unterhält die Hochschule mit dem Arzneimittelhersteller? In
       welchem Verhältnis stehen sie zu den 150 Millionen, die die Stiftung ihnen
       schenkte? Datenschützer Wagner bedauert, dass sich Hochschulen der
       Transparenz entziehen wollen. Derzeit erarbeitet das rot-grüne
       Regierungskabinett ein neues Transparenzgesetz. Das soll Hochschulen zur
       Auskunft über Drittmittel verpflichten. Dann müsste die Uni Mainz auch ohne
       Gerichtsverfahren ihre Verträge offenlegen.
       
       19 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Pauli
       
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