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       # taz.de -- Stammzellenbehandlungen in den USA: Wildwest auf dem OP-Tisch
       
       > „Stammzellen-Liftings“ und Wunderheilerei: Immer mehr Kliniken in den
       > Vereinigten Staaten bieten Behandlungen an, deren Wirkung völlig unklar
       > ist.
       
   IMG Bild: Die „Suppe“ wird zum Beispiel ins Knie injiziert.
       
       BEVERLY HILLS ap | Haarverlust und Erektionsstörungen, Arthritis und
       Alzheimer: Für viele gravierende Leiden versprechen Ärzte in den USA
       Besserung mit Hilfe von Stammzellen. Mehr als 170 Kliniken quer durchs Land
       bieten mittlerweile die experimentellen Dienste an. Die Kosten belaufen
       sich schnell auf Tausende Dollar. Doch seriöse Forscher haben ernste
       Vorbehalte.
       
       Schon lange ist die Fähigkeit von Stammzellen bekannt, sich in verschiedene
       Zelltypen auszudifferenzieren und so unterschiedliches Gewebe zu bilden.
       Auf ihnen ruhen große Hoffnungen. Doch die schnell wachsende private
       Branche kann die Wirksamkeit ihrer aktuellen Angebote nach Ansicht von
       Kritikern nicht wirklich belegen.
       
       Während vor einigen Jahren nur wenige Ärzte eine Therapie anboten – meist
       Schönheitschirurgen, die etwa für „Stammzell-Liftings“ warben –, sprießen
       die Kliniken inzwischen aus dem Boden. Häufig sind sie in großen Ketten
       zusammengeschlossen. Die Preise für den Eingriff liegen zwischen rund 5000
       und 20.000 Dollar (4300 bis 17.500 Euro).
       
       Die größte Kette heßt Cell Surgical Network und wurde 2012 mitbegründet von
       Mark Berman, der zuvor 30 Jahre lang als Schönheitschirurg in Beverly Hills
       im Einsatz war. Sein Unternehmen bietet Behandlungen gegen mehr als 30
       Krankheiten und gesundheitliche Probleme an, darunter Multiple Sklerose und
       die degenerative Nervenerkrankung ALS.
       
       ## Kaum Aufsicht
       
       Die Technik haben sich Berman und sein Partner aus Asien abgeschaut.
       Mittels Fettabsaugung werden adulte Stammzellen aus dem Fett gewonnen und
       weiterbehandelt, bevor sie in den Körper zurücktransferiert werden. Die so
       gewonnene „Suppe“ sei reich an Stammzellen, die gegen neurologische
       Krankheiten ebenso zum Einsatz kommen könnten wie gegen Gelenkschmerzen,
       sagt Berman. „Wenn also Stammzellen in der Suppe sind, hat der Patient eine
       gute Chance auf Besserung.“
       
       Die behördliche Aufsicht hinkt der wachsenden Branche hinterher.
       Stammzellenforscher beobachten dies mit Bestürzung und Sorge. Die Anbieter
       behandelten die Patienten mit Techniken, deren Absicherung noch Jahre, wenn
       nicht Jahrzehnte in Anspruch nehmen könnte, kritisieren sie.
       
       „Wir sprechen über innovative Technologie des 21. Jahrhunderts. Aber wie
       diese umgesetzt wird in den Kliniken und wie sie reguliert wird, ist eher
       wie im 19. Jahrhundert“, klagt Paul Knoepfler, Forscher an der Universität
       von Kalifornien in Davis. „Das ist der Wilde Westen.“
       
       ## Todesfälle nach Behandlung
       
       Behandelt wird jeder auf eigenes Risiko. Zwar betonen die Kliniken, die
       Technik sei sicher, doch wie bei allen Eingriffen müssen die Patienten
       einen Aufklärungs- und Einwilligungsbogen unterzeichnen. Wenn tatsächlich
       etwas schief geht, wie nach Todesfällen in einer Klinik in Florida, bleiben
       empörte Angehörige zurück.
       
       Der Arzt habe die Risiken heruntergespielt, sagt Gina Adams, deren Vater
       2012 verstarb. Der Kardiologe habe der Familie versichert, ihr Vater wäre
       nach der 8000-Dollar-Behandlung von Lungenproblemen schon „am nächsten Tag
       wieder auf dem Golfplatz“. Stattdessen hatte der Patient nach der
       Stammzellen-Gabe ins Blut einen Herzstillstand und konnte auch im
       Krankenhaus nicht mehr gerettet werden.
       
       Schon zwei Jahre zuvor verlor eine Patientin ihr Leben. Die
       Rollstuhlfahrerin hatte gehofft, dank der Stammzellen-Therapie wieder
       laufen zu können. Nach der Infusion der Zellen in eine Hirnarterie erlitt
       sie aber einen Schlaganfall und schwere Hirnschädigungen. Nach einigen
       Tagen wurden die lebenserhaltenden Maßnahmen im Krankenhaus eingestellt.
       
       Der Arzt betont, er gehe nicht davon aus, dass die Todesfälle im
       Zusammenhang mit der Stammzellen-Behandlung standen. Die Behörden in
       Florida entzogen ihm dennoch die Lizenz. Jetzt praktiziert der Mediziner in
       der Dominikanischen Republik.
       
       19 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Matthew Perrone
       
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