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       # taz.de -- Kommentar Abschaffung des Bargeldes: Leben ohne Schein
       
       > Die Debatte um die Bargeldabschaffung tobt. Versprochen wird das Ende von
       > Schwarzarbeit und Drogenhandel. Doch gibt es noch dubiosere
       > Interessenten.
       
   IMG Bild: Kein Bargeld? Könnt ihr haben!
       
       „Money makes the world go round“, sang Liza Minnelli in den frühen 70ern.
       Was sich seitdem verändert hat, ist nicht der Inhalt, sondern eher die
       Form: Geld gibt es zunehmend nicht mehr als Münzen und Scheine, sondern als
       Karte oder App – und das ist durchaus gewollt.
       
       Neuester Bargeld-Gegner: der Volkswirtschaftsprofessor Peter Bofinger, der
       im Spiegel-Interview das Bargeld geißelte. Der Drogenhandel! Die
       Schwarzarbeit! Und die Wartezeiten an der Supermarktkasse, wenn die Leute
       umständlich nach fünf Cent kramen! Bargeld abschaffen, gleich europaweit.
       
       Dass Bofinger offenbar schon länger nicht mehr im Supermarkt war, sonst
       wüsste er, dass es in der Regel deutlich länger dauert, per Karte zu
       zahlen, als bar – Schwamm drüber. Doch aufschlussreich ist ein Blick auf
       die Alternativen zum Barzahlen. Davon gibt es nämlich einige. Und Bofinger
       befindet sich mit seiner Forderung in bester Gesellschaft.
       
       Zum Beispiel in der von Banken und Konzernen wie Google, Paypal und Amazon.
       Auch die würden am liebsten eine Welt mit App oder Karte statt Münze und
       Schein sehen. Im Wochentakt gründen sich derzeit Start-ups, die alle ein
       Ziel haben: Sie wollen den Dienst entwickeln, über den wir in zehn Jahren
       unseren gesamten Zahlungsverkehr abwickeln. Quasi das Facebook des
       Bezahlens, Überweisens und Geldempfangens.
       
       Klar, dass auch Facebook selbst mitmischen und seinen Nutzern eine
       Überweisungsfunktion anbieten will. Und das Bestechende: Im Gegensatz zu
       einer Auslandsüberweisung, für die Bankkunden gerne zur Kasse gebeten
       werden, ist so ein Transfer bei den meisten Diensten kostenlos, auch über
       Ländergrenzen hinweg.
       
       Die Banken, die selbst ein großes Interesse an einer Abschaffung des
       Bargelds haben (mehr Kontrolle, kein Bank-Run bei eventuellen
       Negativzinsen, und ein paar Filialen könnte man auch noch schließen), sind
       daher nicht so glücklich über die neue Konkurrenz.
       
       ## Die Folgen der Abstinenz
       
       Es gibt wenig, das so sensible Informationen über uns verrät, wie das
       Konsumverhalten. Die Zahlung im Buchladen über die Absicht, mit dem Rauchen
       aufzuhören, die in der Apotheke darüber, dass es einem damit wirklich ernst
       ist, der Großeinkauf im Supermarkt über die Folgen der Abstinenz und der
       nächtliche Ausflug zur Tankstelle, dass es doch nicht so ganz geklappt hat.
       
       Und da sind routinemäßige Konsumgewohnheiten, die Rückschlüsse auf
       Familien- und Wohnsituation, Krankheiten und ihren Verlauf, Interessen und
       politische Einstellungen zulassen, noch gar nicht mit dabei. Diese übrigens
       müssen nicht unbedingt die Zahlungsabwickler interessieren. Denn wer greift
       gerne auf die Daten zurück, die bei Internetkonzernen lagern? Genau,
       Geheimdienste. Die Interessenten einer Abschaffung des Bargelds werden
       nicht weniger.
       
       Dabei bleiben die Bargeld-Gegner Antworten schuldig. Zum Beispiel: Wie
       sollen Menschen, denen ein Konto verweigert wird, dann einen Einkauf
       tätigen? Zurück zum Tauschen? Alle Zahlungen über Facebook abwickeln? Und
       sich dafür eine Kreditkarte von diesen dubiosen Anbietern besorgen, die auf
       die Bonitätsabfrage verzichten und dafür exorbitante Gebühren verlangen?
       
       Die Annahme, dass eine Austrocknung des Drogenhandels mit einer Abschaffung
       des Bargelds gelingen könnte, dürften dabei nicht einmal Strafverfolger
       unterschreiben. Zumindest nicht die, die an der Zerschlagung der
       Onlineplattform Silk Road beteiligt waren. Auf der wurden neben falschen
       Pässen und Waffen vor allem Drogen gehandelt. Zu zahlen mit der digitalen
       Währung Bitcoin.
       
       20 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
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