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       # taz.de -- Loyalität, Kommerz und Kiezkultur: Hamburger Streit um bewegte Bilder
       
       > Fürs Stadion-Freiluftkino kooperiert der FC St. Pauli mit einem neuen
       > Betreiber – und handelt sich eine Debatte ein.
       
   IMG Bild: Wenn Leinwand nicht gleich Leinwand ist: Mancher Filmfreund könnte das Millerntorstadion in diesem Sommer meiden.
       
       HAMBURG taz | Wer in diesem Jahr Filme in Stadionatmosphäre genießen will,
       muss sich auf Änderungen gefasst machen. Ein neuer Betreiber ist am Werk
       und bringt – manche sagen: erstmals – kommerzielle Interessen mit ans
       Millerntor. Im Stadtteil St. Pauli regt sich dagegen Widerstand.
       
       Als der FC St. Pauli 2003 vor dem Bankrott gerettet werden musste, geschah
       das unter anderem durch die vom 3001-Kino initiierten Filmnächte am
       Millerntor. Seither hat sich das jährliche Sommerkino am Millerntor im
       Hamburger Kinokalender etabliert. In diesem Sommer ist damit Schluss –
       zumindest für das 3001. Den Betrieb des Sommerkinos übernimmt erstmals die
       Outdoor Cine GmbH unter der Leitung von Dirk Evers. Bisher hat sich das
       Unternehmen vor allem durch die Organisation des beliebten Open-Air-Kinos
       im Schanzenpark hervorgetan.
       
       Im Stadtteil, aber auch in Reihen der St. Pauli-Fans werden dem sonst
       betont wenig kommerziell auftretenden Verein nun fehlende Loyalität mit dem
       einstigen Mit-Retter und rein profitorientiertes Handeln vorgeworfen.
       Vorausgegangen war dem Wechsel eine Anfrage des FC St. Pauli an beide
       Kinobetreiber. Aufgrund seiner sowohl sportlich als auch jetzt wieder
       finanziell angespannten Situation sah sich der FC gezwungen, die Erträge zu
       steigern.
       
       ## „Nachvollziehbares Vorgehen“
       
       Vereinssprecher Christoph Pieper sagt, man hätte gerne weiterhin mit dem
       3001 kooperiert – wenn beide Betreiber ähnliche Angebote gemacht hätten.
       Nun aber habe Outdoor Cine ein deutliche Mehreinnahmen versprechendes
       Angebot vorgelegt, das 3001 dagegen habe nicht mitziehen wollen, und so sei
       es zur Entscheidung für den neuen Veranstalter gekommen.
       
       Pieper begründet dieses „völlig nachvollziehbare Vorgehen“ mit der
       Verantwortung, die der Verein gegenüber den eigenen Beschäftigten habe. Da
       der FC St. Pauli noch in die 3. Bundesliga absteigen könnte, müsse er mit
       großen finanziellen Einbußen für die nächste Saison rechnen. Alleine die
       Fernseheinnahmen würden im Falle des Abstiegs um 90 Prozent sinken, statt
       mit acht Millionen Euro wäre nur noch mit 750.000 Euro zu rechnen. Da
       drohten sogar Entlassungen.
       
       Das 3001-Kino selbst, in Person von Teilhaber Carl Schröder, macht dem
       Verein keinen Vorwurf. Man wolle die Kommerzialisierung der Filmnächte
       allerdings nicht mittragen. Deshalb habe man von Seiten des Kinos kein
       verbessertes Angebot gemacht. Der Verlust der Kooperation stelle kein
       finanzielles Desaster dar, man müsse aber das entstandene Sommerloch
       füllen, so Schröder. Eine alternative Veranstaltung sei nicht in Sicht.
       
       Unglücklich verlaufen ist in jedem Fall die Kommunikation seitens des FC
       St. Pauli. Zwar habe man das 3001 persönlich über den neuen Anbieter
       informiert, sagt Sprecher Pieper, es dann aber versäumt, eine bereits
       formulierte Antwort an das Kino abzuschicken. Dafür habe sich der Verein
       entschuldigt.
       
       ## Ermäßigte Karten werden teurer
       
       Doch was ändert sich an den Filmnächten selbst? Das Programm bleibt laut
       Outdoor Cine ähnlich wie in den Vorjahren, orientiert sich also weiterhin
       abseits des Mainstreams: Programmkino, jüngere deutsche Produktionen,
       Filmklassiker. Zwar bleibt der reguläre Eintrittspreis gleich, acht Euro,
       ein ermäßigtes Ticket allerdings kostet statt fünf künftig sieben Euro.
       
       Interessant dürfte sein, dass das Programm von bisher zwei auf vier Wochen
       ausgebaut wurde und daher auch noch nach dem Liga-Saisonstart im August
       Filme gezeigt werden. „Mit dem Saisonbeginn ist der Sommer noch nicht
       vorbei“, meint Dirk Evers von Outdoor Cine. Einzig mit der in den
       Programmheften und vor den Filmen gezeigten Werbung müssen sich die
       Zuschauer nun abfinden. Die sei nötig, so Evers, damit mehr Geld beim FC
       St. Pauli lande.
       
       21 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kristof Botka
       
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