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       # taz.de -- HSV in Relegation: Hoffen auf die Rettung
       
       > Mit dem 2:0-Sieg gegen Schalke schleppt sich der HSV in die Relegation.
       > Die Fans schwanken zwischen Freudentaumel und Entnervung.
       
   IMG Bild: Fans in der Hamburger "UnabsteigBar" dürfen noch hoffen: HSV taumelt in die Relegation
       
       HAMBURG taz | In einem einzigen Jubelschrei entlädt sich die Anspannung
       eines von Nervosität nur so strotzenden Stadions. Es ist die 49. Minute im
       für den HSV wohl wichtigsten Spiel seiner Vereinsgeschichte, als sich Ivica
       Olic ein Herz fasst und den Ball aus sechs Metern in die Maschen drischt.
       Die Menge tobt und es dauert mindestens fünf Minuten, ehe der
       Adrenalin-Spiegel der Fans wieder zu sinken beginnt.
       
       Zwei Stunden zuvor ist Olic gerade in der Kabine angekommen und das Stadion
       im Hamburger Volkspark ist noch leer. An der S-Bahnstation Stellingen
       sammeln sich die HSV-Anhänger. Die Stimmung ist ziemlich normal. Man
       lauscht lockeren Gesprächen und blickt in entspannte Mienen. Die Anspannung
       sitzt zu diesem Zeitpunkt noch wie ein rosa Elefant neben der Menge. Für
       jeden sichtbar zwar, aber irgendwie noch zu ignorieren.
       
       Wenig später drückt ein älterer Mann im Fahrstuhl zur Pressetribüne auf den
       Knopf für die zweite Etage. Es ist Uwe Seeler höchstpersönlich. Nur 20
       Fahrstuhl-Sekunden bleiben: „Herr Seeler, was für eine Ehre“, höre ich mein
       Gestammel. „Haben Sie Angst?“ „Angst hatte ich noch nie“, antwortet er,
       „aber auf jeden Fall gemischte Gefühle.“ Dann ist er auch schon wieder weg.
       Dumme Frage. Ist doch klar, dass Uwe Seeler keine Angst hat.
       
       Doch es sind genau diese gemischten Gefühle, die er mit den anderen knapp
       57.000 im ausverkauften Stadion teilt. Zum einen spürt man, wie sich das
       ganze Stadion gegen den Abstieg stemmt. Wie jedes Mal, wenn der HSV einen
       Konter einleitet, die ganze Bandbreite an Emotionen in die Stadionluft
       platzt – wie Knallgas in den Chemiesaal.
       
       Zum anderen kommt zu dieser hoffnungslosen Verbundenheit eben auch eine
       Mischung aus Resignation, Wut und, ja, Scham. Denn eigentlich wissen genau
       wie Uwe Seeler auch alle anderen Zuschauer, dass es keinen Verein gibt, der
       den Abstieg gerade mehr verdient hätte als der Hamburger Sportverein.
       
       Kein anderer Verein hat in dieser Erstliga-Saison weniger Tore geschossen,
       keine Mannschaft hat so stümperhaft versucht, Fußball zu spielen. Kein
       anderer Verein hat aus seinen finanziellen Mitteln so wenig gemacht wie der
       HSV.
       
       Und es gibt keinen Bundesliga-Verein, der sich im Untergang an einen so
       ausgelutschten Status festklammert wie der „Bundesliga-Dino“. Die
       vermeintlich Unabsteigbaren taumelten teilweise durch die Liga wie eine
       jamaikanische Skifahrerin bei Olympia. Getreu dem Motto: Dabei sein ist
       alles.
       
       Deshalb tanzt nach dem Spiel in Stellingen keiner über den Asphalt. Man
       hört man keine „Immer erste Liiiga“-Gesänge mehr. Stattdessen läuft das
       Bier wie zur Beruhigung durch die Kehlen. Erleichterung ist zu spüren. Doch
       auch die hält höchstens bis Donnerstag, wenn der Karlsruher SC zum ersten
       Relegationsspiel nach Hamburg kommt.
       
       Ein Fan sagt nach dem Spiel, er leide jetzt schon seit 1987 mit dem Verein.
       Ihm wäre heute ein Ende mit Schrecken fast lieber gewesen. „So nimmt dieser
       Schrecken nie ein Ende“, sagt er. Die Fans wissen, dass sie das
       Gerechtigkeitsempfinden der Fußballnation erheblich strapaziert haben.
       
       „Im Osten haben wir samstags immer die Sportschau gesehen“, erklärt ein
       Mann, wie man in Halle HSV-Fan wird. „Und Anfang der Achtzigerjahre hat der
       HSV eben den besten Fußball gespielt. Da bin ich dann hängen geblieben.“
       Aus seinem Mund klingt das fast schon wie eine Entschuldigung.
       
       25 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kristof Botka
       
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