# taz.de -- Pensionsfonds ändert Anlagemodell: Ein einstimmiger Sieg fürs Klima
> Der zweitgrößte Pensionsfonds der Welt gehört dem norwegischen Staat. Er
> soll künftig nicht mehr in Kohle investieren.
IMG Bild: Wunderschön: Kohlekraftwerk im niedersächsischen Mehrum in der Abendsonne
STOCKHOLM/BERLIN taz | Norwegens staatlicher Pensionsfonds – hinter dem
japanischen Regierungsfonds GPIF der zweitgrößte der Welt – soll nicht mehr
in die Kohleindustrie investieren. Darauf einigten sich alle im Parlament
in Oslo vertretene Parteien: Der formale Beschluss soll am 5. Juni gefasst
werden. Er dürfte Vorbildfunktion für viele weitere Anleger haben und der
weltweiten „Divestment“-Bewegung neuen Schwung verleihen.
In Norwegen reagierten die Parteien euphorisch. „Das ist ein großer Sieg“,
erklärte der Sozialdemokrat Torstein Tvedt Solberg, Mitglied des
federführenden Finanzausschusses: „Nicht nur für das Klima, sondern auch
weil es so ein einhelliges Votum war.“ Und Trine Skei Grande, die
Vorsitzende der liberalen „Venstre“, twitterte: „Das war vermutlich der
größte und wichtigste klimapolitische Beschluss, an dem ich je beteiligt
war.“
Der landläufig als „Ölfonds“ bekannte Auslandspensionsfonds ist das
Sparschwein Norwegens: In ihn fließt der Großteil der staatlichen
Öleinnahmen, damit nach dem Ende des Ölzeitalters auch künftige
Generationen teilhaben können.
Derzeit haben sich hier über sieben Billionen Kronen – 820 Milliarden Euro
– angesammelt, und rechnerisch hat er alle Norweger mittlerweile zu
Millionären gemacht. Investiert wird in über 9.000 Aktiengesellschaften,
der Fonds ist Eigentümer von 1,3 Prozent des globalen und 2,5 Prozent des
an europäischen Börsen gehandelten Aktienvermögens.
Und er ist bis jetzt ein großer Akteur, was Investitionen in
Kohleunternehmen angeht. Nach einem in der vergangenen Woche von mehreren
Umweltschutzorganisationen vorgelegten Rapport mit dem Titel „Still Dirty,
Still Dangerous“ ist der Pensionsfonds einer der Top-Ten-Investoren der
globalen Kohleindustrie und hält Anteile an Gesellschaften, die für 23
Prozent der weltweiten Kohleförderung stehen.
## Wie ethisch ist die Kohle?
In Norwegen gibt es schon länger eine Debatte, inwieweit solche
Investitionen in klimaschädliche Aktivitäten in Widerspruch stehen zu einer
Grundregel des Fonds, nämlich des Verbots „unethischer Investitionen“. Im
Dezember hatte eine Expertengruppe der Regierung sich lediglich zu der
Aussage durchringen können, Kohleproduktion sei zwar möglicherweise „im
Einzelfall unethisch“, stehe aber nicht pauschal „im Widerspruch zu
allgemein akzeptierten ethischen Normen“. Trennen solle man sich nur von
Investitionen, die „in besonderem Maße schädlich für das Klima“ seien.
Diese Stellungnahme war von Umweltschutzorganisationen und den norwegischen
Oppositionsparteien scharf kritisiert worden. Eine Parlamentsmehrheit für
schärfere Richtlinien zeichnete sich ab und es kam zum jetzt gefundenen
Kompromiss, in der der Regierung empfohlen wird, „im Prinzip“ alle
Unternehmen auszuschließen, die mehr als 30 Prozent ihrer Einkünfte oder
ihrer Produktion mit Kohle generieren.
Da auch die Regierungsparteien diese Empfehlung mittragen, ist davon
auszugehen, dass das insoweit zuständige Finanzministerium der Zentralbank,
die das Mandat der Fondsverwaltung innehat, entsprechende Anweisungen
erteilt.
## Schwammige Richtlinien
Ob dort dann das umgesetzt wird, was sich die ParlamentarierInnen mit ihrer
jetzigen Empfehlung erwarten, wird sich zeigen. In der Vergangenheit wurden
ethische Richtlinien oft eher schwammig formuliert: Was Investitionen in
Waffenproduktion angeht, sind nur solche untersagt, deren „normaler
Gebrauch fundamentale humane Prinzipien“ verletzt. Bei umweltschädlichen
Geschäften sollen nur „schwere Umweltschäden“ ein Ausschlusskriterium sein.
Man gehe jedenfalls davon aus, dass der Kohleindustrie nun
Milliarden-Euro-Beträge entzogen würden, sagt Truls Gulowsen von Greenpeace
Norwegen. Und in einer gemeinsamen Erklärung sprechen WWF, Greenpeace und
die norwegische Umweltorganisation „Zukunft in unseren Händen“ von einem
„Tag für die Geschichtsbücher“.
Wenn der norwegische Staatsfonds die Forderung des Parlaments umsetzt, ist
er der mit Abstand größte Investor, der Kohle-Unternehmen aus seinem Depot
wirft – aber bei Weitem nicht der Einzige: Auf der ganzen Welt kämpfen
Klima-AktivistInnen im Netzwerk „Fossil Free“ für das sogenannte
„Divestment“. So haben sich auf Druck von studentischen Initiativen bereits
25 US-Universitäten entschieden, ihre – oft beträchtlichen – Gelder aus
klimaschädlichen Unternehmen abzuziehen.
## Auch die Church of England
Dazu gehört etwa die renommierte Stanford University in Kalifornien, die
2014 beschloss, ihr Vermögen von 21 Milliarden Dollar nicht mehr in
Kohle-Unternehmen zu investieren; ProfessorInnen und StudentInnen fordern
eine Ausweitung auf Öl- und Gas-Konzerne. Auch zahlreiche Stiftungen und
religiöse Vereinigungen in den USA wollen auf klimaschädliche Investments
verzichten.
In Europa etwa hat die Church of England mit dem Rückzug aus fossilen
Anlagen begonnen; jüngst hat der französische Versicherungskonzern Axa
angekündigt, seine Beteiligungen an Firmen, die ihr Geld in erster Linie
mit Kohle verdienen, zu verkaufen – ein Portfolio im Wert von 500 Millionen
Euro.
Neben dem Klimaschutz hat dieser Ausstieg handfeste wirtschaftliche Gründe:
Die Aussichten der Branche sind so schlecht wie nie; der Kohlepreis ist in
den letzten vier Jahren um mehr als die Hälfte gesunken.
28 May 2015
## AUTOREN
DIR Reinhard Wolff
DIR Malte Kreutzfeldt
## TAGS
DIR Schwerpunkt Klimawandel
DIR Schwerpunkt Klimawandel
DIR Pensionsfonds
DIR Norwegen
DIR Kohle
DIR Ölindustrie
DIR CO2
DIR Schwerpunkt Klimawandel
DIR Münster
DIR Norwegen
DIR Bergbau
DIR Kohle
DIR Kalifornien
DIR Klima
DIR Schwerpunkt Angela Merkel
DIR Ökostrom
DIR Braunkohle
DIR Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Norwegens Staatsfonds plant Öl-Ausstieg: Öl und Gas sind nicht profitabel genug
Der norwegische Staatsfonds ist der größte der Welt. Nun will er 31
Milliarden Euro aus Öl- und Gasaktien abziehen – die Branche rechne sich
nicht mehr.
DIR Ausstieg aus klimaschädlichen Energien: Berlin durchbricht die CO2-Mauer
Das Land zieht sein Geld aus Kohle, Öl und Gas ab – die Divestment-Bewegung
jubelt. Damit Berlin im Jahr 2050 klimaneutral ist, braucht es aber mehr.
DIR Norwegen und Klimaziele: Grün ist die Hoffnung
Technikwandel soll Fahrzeuge mit fossilem Antrieb unattraktiv machen. Bis
2050 möchte Norwegen klimaneutral sein. Skepsis bleibt.
DIR Divestment in Deutschland: Münster will RWE-Aktien verkaufen
Die nordrhein-westfälische Stadt beschließt als erste in Deutschland,
öffentliches Kapital aus klimaschädlichen Industrien abzuziehen.
DIR Wegbrechende Einnahmen in Norwegen: Oslos Sparschwein verhungert
Der Ölpreis ist auf einem Zehnjahres-Tiefststand. Norwegens
800-Milliarden-Staatsfonds kann bald nicht mehr aufgefüllt werden.
DIR Klimapolitik in Norwegen: Kohleparadox im Norden
Das Land beschließt den Rückzug des Pensionsfonds aus Kohleinvestitionen.
Zugleich subventioniert es den eigenen Bergbau.
DIR Klimaschädliche Wirtschaft: Deutsche zögern, Geld zurückzuziehen
Divestment: Öffentlicher Druck auf die Firmen beginnt hierzulande gerade
erst. Eine Kampagne appelliert an Städte und Hochschulen.
DIR Ölpest in den USA: Kalifornien sperrt erneut Strände
Es ist der zweite Zwischenfall in nur zehn Tagen: Die Behörden in
Kalifornien haben erneut Strände schließen müssen. Woher kommt das Öl?
DIR Kommentar Norwegischer Kohleausstieg: Symbol einer neuen Klimapolitik
Der weltgrößte Pensionsfonds will nicht mehr in Kohle investieren. Das ist
ein erster Schritt, um mehr Geld in eine grünere Wirtschaft umzuleiten.
DIR Kommentar deutsche Klimapolitik: Die Kanzlerin duckt sich weg
International gibt sich Angela Merkel als progressive Klimapolitikerin. Zu
Hause aber schweigt sie und stärkt so die Kohlelobby.
DIR Klimaziele der G-7-Energieminister: Windparkeröffnung geschwänzt
Die Energie-Minister der G7 setzen in ihrer Erklärung auf mehr Effizienz.
Sie verzichten allerdings auf konkrete Klimaziele.
DIR Energiewende in Griechenland: Solarstrom in Bürgerhand
In Griechenland scheint an über 300 Tagen im Jahr die Sonne, doch das Land
setzt auf Braunkohle. Jetzt wollen Bürger die Selbstversorgung.
DIR Norwegen schützt fossile Energien: Ja zum Klimaschutz und zur Kohle
Der norwegische Pensionsfonds soll nicht mehr in erderwärmende Vorhaben
investieren. Klimaschützer sind trotzdem enttäuscht.