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       # taz.de -- Arbeitsbedingungen in Baltimore: US-Protest gegen Fraport
       
       > Geringes Gehalt, keine Sozialleistungen, ungleiche Behandlung:
       > US-Gewerkschafter kritisieren die deutsche Firma, die in Baltimore aktiv
       > ist.
       
   IMG Bild: Shaquetta Morris (links) demonstriert vor dem Flughafen.
       
       New York taz | Wer wissen will, woher die extreme Armut in Baltimore rührt,
       sollte einen Blick auf den internationalen Flughafen der Stadt werfen. Am
       Thurgood Marshall Airport arbeiten die Beschäftigten in den Läden und
       Fast-Food-Restaurants für durchschnittliche Stundenlöhne von 8,50 Dollar,
       nur eine Minderheit hat Krankenversicherung und bezahlte Urlaubs- und
       Krankentage. In den am schlechtesten bezahlten Jobs sind
       überdurchschnittlich oft Schwarze beschäftigt.
       
       Eigentümer der Läden ist ein deutsches Unternehmen. Der teilstaatliche
       Flughafenbetreiber Fraport hat das Handelsgeschäft an vier
       US-amerikanischen Flughäfen übernommen – darunter Baltimore. Zur
       Gesellschafterversammlung, die an diesem Freitag in Frankfurt stattfindet,
       ist auch eine Delegation aus Baltimore angereist. Die US-Beschäftigten
       wollen über ihre Arbeitsbedingungen informieren. Und um das Recht auf
       gewerkschaftliche Vertretung bitten.
       
       „Die Fraport-Aktionäre haben die Macht, das zu tun“, ist Shaquetta Morris
       überzeugt. Die 26-jährige Afroamerikanerin arbeitet seit dreieinhalb Jahren
       am Flughafen Baltimore. In ihrem Vollzeitjob als Supervisorin an einem
       Pizzastand von ASG bekommt sie 10 Dollar die Stunde. Das ist mehr, als
       andere verdienen, aber nicht annähernd genug zum Leben.
       
       Sie wohnt auf der Westside der Stadt – ein paar Blocks von der Kreuzung
       entfernt, wo im April Freddie Gray seinen tödlichen Genickbruch im
       Polizeigewahrsam erlitt, und direkt neben dem Drogeriemarkt CVS, der bei
       den anschließenden Unruhen ausgebrannt ist. Für das Essen für sich und ihre
       beiden fünf und sieben Jahre alten Kinder braucht Shaquetta Morris
       Unterstützung vom Staat: Lebensmittelmarken im Wert von 487 Dollar pro
       Monat. Und eine Krankenversicherung. Urlaub nimmt sie nicht. Ihr
       Arbeitsvertrag sieht das nicht vor. Er gibt ihr lediglich das Anrecht auf
       „bezahlte freie Tage“: Für 40 gearbeitete Stunden bekommt sie eine freie
       Stunde. Die sammelt sie für Notfälle.
       
       ## Rassistische Diskriminierung
       
       In der – vergeblichen – Hoffnung auf bessere Bedingungen hat Shaquetta
       Morris einmal den Job im Flughafen gewechselt. Sie hat – ebenfalls
       vergeblich – am Hauptsitz ihres Arbeitgebers ASG in Minnesota verhandelt.
       Und sie hat vor dem Flughafen demonstriert. Dabei trägt sie ein Schild um
       den Hals, auf dem das Wort „Equal“ – im Sinne von „gleichberechtigt“ – und
       das Foto des Namensgebers des Flughafens zu sehen ist: Thurgood Marshall
       war ein schwarzer Bürgerrechtler und der erste schwarze Oberste Richter der
       USA. Mehr als zwei Jahrzehnte nach seinem Tod erlebt Shaquetta Morris, dass
       Vorgesetzte sich eher an einen jungen weißen Kollegen wenden als an sie,
       die „Supervisorin“ .
       
       In Baltimore engagieren sich viele zugunsten der Beschäftigten. Die
       Bürgerrechtsorganisation NAACP hat „Ungleichheiten“ und rassistische
       Diskriminierungen am Flughafen festgestellt. Acht der dreizehn Ratsleute
       haben schriftlich an die Stadt Frankfurt und das Land Hessen als
       Hauptaktionäre von Fraport appelliert, die Bedingungen zu verbessern. Und
       die Gewerkschaft „Unite Here“ versucht seit Jahren, ein Rahmenabkommen mit
       den Eigentümern des Flughafen-Einkaufszentrums auszuhandeln. Es enthält
       Regeln für Arbeits- und Gewerkschaftsrecht, die für alle Pächter
       verbindlich sind. Nach diesem Modell sind auch andere Flughäfen in den USA
       verfahren.
       
       Als im vergangenen Sommer Fraport übernahm, schöpfte die Gewerkschaft neue
       Hoffnung: Weil Fraport mehrheitlich in öffentlicher Hand ist, weil es aus
       dem Land der Sozialpartnerschaft kommt und weil es Erfahrungen im
       Flughafengeschäft hat.
       
       Doch Fraport und seine US-Tochter Airmall lassen die Gewerkschaft
       abblitzen. Gegenüber der taz erklärt Fraport sich für nicht zuständig. Das
       Unternehmen wirft der Gewerkschaft vor, „für Unruhe zu sorgen“.
       
       Für Kollegen von Shaquetta Morris in den Läden am Flughafen Frankfurt
       beträgt der tarifliche Stundenlohn 13 Euro. Ihr Jahresurlaub beträgt sechs
       Wochen. Die deutsche Gewerkschaft Verdi unterstützt das Vorgehen ihrer
       US-Kollegen. Katharina Wesenick, bei Verdi zuständig für Verkehr und
       Tarife, sagt: „Eigentum verpflichtet.“
       
       29 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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