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       # taz.de -- Streit über hohe Mietpreise: Die Eigentümerbremse
       
       > Die Mietpreisbremse ist bundesweit beschlossen. Aber in Hamburg sperrt
       > sich die Immobilienbranche gegen eine flächendeckende Einführung.
       
   IMG Bild: Hier haben auch Mietpreisbremsen keinen Zweck mehr: in Blankenese
       
       Hamburg taz | Ab Montag könnte der Hamburger Wohnungsmarkt etwas
       entspannter werden - wird er aber nicht. Dabei wären die Voraussetzungen
       dafür gegeben, denn am 1. Juni tritt deutschlandweit die Mietpreisbremse in
       Kraft: Das Gesetz gibt vor, dass bei Neuvermietungen die Miete nicht mehr
       als zehn Prozent über dem Mietenspiegel liegen darf.
       
       Danach liegt der Hamburger Durchschnitt aktuell bei 7,56 Euro kalt pro
       Quadratmeter. Neuvermietungen für zehn Euro oder mehr, wie sie in Hamburg
       auch für durchschnittliche Wohnungen in durchschnittlicher Lage längst
       Standard sind, wären damit illegal.
       
       Die Umsetzung des Gesetzes zur Mietendeckelung ist jedoch Ländersache - und
       Hamburg lässt sich Zeit. Seit Ende April verhandelt das „Bündnis für das
       Wohnen“, zu dem sich Stadt, Immobilienwirtschaft und Mieterverbände
       zusammengeschlossen haben, über die Bremse. Der Hauptstreitpunkt ist, ob
       sie in ganz Hamburg gelten soll oder nur in Stadtteilen, die besonders
       stark von Gentrifizierung betroffen sind.
       
       Im Bürgerschaftswahlkampf hatte die SPD noch eine hamburgweite Einführung
       versprochen. „Umgehend und landesweit“ solle das Instrument greifen, sagte
       SPD-Stadtentwicklungsexperte Dirk Kienscherf im Oktober. Der
       Grundeigentümerverband drohte daraufhin, aus dem „Bündnis für das Wohnen“
       auszusteigen. „Die flächendeckende Einführung der Mietpreisbremse ist der
       Tod für den Wohnungsbau“, sagte dessen Vorsitzender, Heinrich Stüven. Die
       „gesamte Wohnungswirtschaft“ werde aussteigen, wenn der Senat sich stur
       stelle.
       
       Die SPD, so Stüven, könne nicht ständig mehr Wohnungsbau fordern und
       gleichzeitig den Mieten an den Kragen gehen. Zudem sei der Staat selbst
       Schuld an den hohen Mieten - durch immer neue Auflagen wie
       Energiesparverordnungen, Rauchmelder und Ähnliches erhöhe er die Kosten
       fürs Bauen, und die wiederum trieben die Mieten in die Höhe. „Bauen muss
       sich rechnen, sonst wird niemand mehr investieren“, sagte Stüven. „Niemand
       versenkt Geld, um einfach nur Geld zu versenken.“
       
       Der Mieterbund hingegen rief die Stadt auf, sich nicht erpressen zu lassen,
       und forderte die Umsetzung der Mietpreisbremse flächendeckend und sofort.
       „Die Voraussetzungen dafür sind in ganz Hamburg gegeben“, sagte die
       Geschäftsführerin von „Mieter helfen Mietern“, Sylvia Sonnemann. Sie
       verwies auf eine Erhebung des Hamburger Ohmoor-Gymnasiums, nach der in den
       letzten Jahren die Mieten in fast allen Hamburger Stadtteilen stark
       gestiegen sind. „Dass schon in Barmbek und Horn Mieten von 10, 12 Euro
       verlangt werden, darf einfach nicht sein!“
       
       Zu einem ähnlichen Ergebnis kam das Online-Immobilienportal Immowelt.
       Demnach sind die Angebotspreise für Neuvermietungen in Hamburg im letzten
       Jahr um sieben Prozent gestiegen, auf aktuell 11,20 Euro pro Quadratmeter
       netto kalt.
       
       Eine Einigung zwischen den Gesprächspartnern in Sachen Mietpreisbremse ist
       jedoch absehbar. Sein Verband sei „kompromissbereit“, sagte
       Grundeigentümer-Vorsitzender Stüven. Aus der Behörde für Stadtentwicklung
       und Umwelt (BSU) heißt es, man sei im Gespräch und wolle „zeitnah“ eine
       Lösung finden. Den Vorwurf, die Stadt lasse sich erpressen, wies
       BSU-Pressesprecher Magnus-Sebastian Kutz zurück. Es gebe eben
       unterschiedliche Interessen und über die werde gesprochen, denn zu einer
       Lösung komme man nur gemeinsam, sagte er. „Eine Entlastung am Wohnungsmarkt
       geht eben nur in Verbindung mit Neubau.“
       
       In der Tat war das Neubau-Versprechen von 6.000 Wohnungen pro Jahr ein
       zentraler Punkt in Olaf Scholz erfolgreichem Wahlkampf. „Dass er die
       Immobilienfirmen jetzt nicht vor den Kopf stoßen will, ist klar“, sagte
       Sonnemann, „er braucht sie ja, um sein Wahlversprechen umzusetzen.“ Davon
       abgesehen sei die Mietpreisbremse an sich schon ein „riesiges
       Kompromisspaket“ - „wir nennen sie auch das
       Ausnahme-und-Einschränkungs-Gesetz“.
       
       Ausgenommen von der Mietpreisbremse seien zum Beispiel Neubauten und
       Wohnungen, die umfassend saniert wurden. Die größte Einschränkung - und
       laut Sonnemann der Skandal an dem Gesetz - ist die Ausnahme von Wohnungen,
       deren Quadratmeterpreis auch schon vorher über dem Mietenspiegel lag: Wenn
       die ehemaligen MieterInnen auch schon zu viel gezahlt haben, können die
       neuen MieterInnen nichts daran ändern.
       
       Damit die Mietpreisbremse überhaupt zur Anwendung kommt, müssen
       NeumieterInnen aktiv werden. Allerdings können sie ihren Vermieter per
       Anschreiben rügen, auch wenn sie den Mietvertrag bereits unterschrieben
       haben: Ab dem Zeitpunkt der Rüge ist der Vermieter verpflichtet, die Miete
       zu senken.
       
       29 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
       ## TAGS
       
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