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       # taz.de -- 10 Jahre Tanzprojekt „Die Anderen“: Getanzte Inklusion
       
       > Beim Projekt „Die Anderen“ am Tanzwerk Bremen tanzen junge Leute mit und
       > ohne Beeinträchtigung miteinander. Jetzt feiern sie zehnjähriges
       > Jubiläum.
       
   IMG Bild: Mit oder ohne Beinträchtigung: „Die Anderen“ tanzen seit 10 Jahren.
       
       Bremen taz | Inklusion: Das ist eines dieser Schlagworte, die in allerlei
       Kontexten die Runde machen, von der Schule bis zur Kunst. Gerade eben gab
       es am Theater Bremen das „Mittenmang“-Festival für inklusives Theater. Und
       an Bremer Schulen lief mit viel Getöse das Projekt Inklusion im Unterricht
       an. „Seit Inkrafttreten des neuen Schulgesetzes 2009 haben sich die Bremer
       Schulen auf den Weg der inklusiven Beschulung begeben“, heißt es etwas
       steif auf der Seite der Bildungssenatorin. Pädagogen klagen derweil über
       Personalmangel und Defizite bei der Ausbildung.
       
       Beim Tanzprojekt [1][“Die Anderen“ am Tanzwerk Bremen] scheinen solche
       Probleme derweil weit weg. Seit zehn Jahren tanzen hier junge Leute mit und
       ohne Beeinträchtigung miteinander. Wobei Inga Becker, die das Projekt
       gegründet hat, meint, dass wir ohnehin alle Beeinträchtigungen haben.
       Während der Proben bittet sie ihre Teilnehmer ein bisschen ruhiger zu sein,
       damit sie sie besser verstehen kann. Sie höre auf einem Ohr nicht richtig.
       „Ich hab auch so meine Beeinträchtigung“, sagt sie. Die Tanzpädagogin
       betreut seit 15 Jahren Jugendliche am Tanzwerk. Als sie von Eltern
       angesprochen wurde, ob es nicht eine Möglichkeit für Kinder mit
       Beeinträchtigung gebe, mit anderen Kindern zusammen zu tanzen, war sie
       sofort begeistert.
       
       Eineinhalb Jahre dauerte es dann, bis die Aktion Mensch entsprechende
       Mittel für die ersten Projekte bewilligte, später kamen weitere Sponsoren
       dazu. In den vergangenen Jahren sind so vier Tanzproduktionen entstanden,
       die jetzt zu einer neuen verknüpft werden. Auch das ein inklusiver Gedanke,
       nicht nur künstlerisch. Denn von den rund 150 Kindern und Jugendlichen, die
       im Laufe der letzten zehn Jahre mitgetanzt haben, sind viele geblieben,
       einige sind seit 2005 dabei; derzeit sind es insgesamt rund 50 Teilnehmer.
       Seit einem Jahr proben sie für die Jubiläumsinszenierung, vierzehn Stunden
       im Monat. Daraus ist ein Zusammenschnitt entstanden, der auch die
       Vielseitigkeit der Truppe zeigt: Zwischen märchenhaften Szenen und den
       düsteren Bildern des Stücks „Erdöl“ spannt sich der stilistische Bogen.
       
       Aber natürlich geschieht bei alledem mehr als die Arbeit an den
       Choreografien: Es geht eben nicht zuletzt um Begegnung. Die 17-jährige
       Fiona zum Beispiel, seit zwei Jahren dabei, möchte das gemeinsame Tanzen
       nicht mehr missen. Die junge Frau mit Down-Syndrom bezeichnet Tanz als
       Lebensgefühl und ihre Leidenschaft, Freundschaften haben sich in dieser
       Zeit entwickelt. „Ich will auf jeden Fall weitermachen“, sagt sie. Und wenn
       man bei den Proben zuschaut, überträgt sich diese Freude unmittelbar.
       
       Wichtig ist Becker dabei, dass die Kinder und Jugendlichen möglichst viel
       von sich selbst einbringen. Deswegen laufen die Projekte in der Regel über
       drei Jahre. „Im ersten Jahr wird vor allem geforscht und ausprobiert, im
       zweiten Jahr wird dann ein Stück entwickelt, das im dritten Jahr zur
       Aufführung gebracht wird“, schildert Becker den Ablauf. Und nicht nur das
       Publikum nahm die Ergebnisse begeistert auf. Mehrere Preise wie den
       Förderpreis der „start JugendKunst Stiftung Bremen“ und den ersten Preis
       der Weserterrassen-Stiftung konnte das Projekt bereits entgegennehmen.
       
       Aber Becker weiß, dass es weitergehen muss. Nicht einfach weiter wie
       bisher. „Es soll hinausgehen“, in die Stadt, in die Gesellschaft. Denn
       gemeinsam zu tanzen ist gut. Aber die gesellschaftliche Wirkung ist
       begrenzt. Weshalb es in den nächsten Jahren in den Stadtteil hinausgehen
       soll: Das Tanzwerk liegt inmitten des Viertels, das sich bekanntlich gern
       als weltoffen und tolerant versteht. „Aber warum sitzt hier im Supermarkt
       zum Beispiel kein Mensch mit Beeinträchtigung hinter der Kasse?“
       
       Sie will deswegen in Betriebe und Geschäfte gehen, Performances in der
       Arbeitswelt zeigen, die Menschen mit Beeinträchtigung sichtbar machen. Und
       vielleicht ergeben sich daraus ja auch ganz konkret berufliche Perspektiven
       für die jungen Leute mit Handicap. „Mensch, mach dir Platz!“, heißt das
       Projekt, das im Juli beginnt.
       
       Jubiläum: Samstag um 19 Uhr im Schlachthof in Bremen. Am 4. Juli gibt es
       einen Kennenlern-Workshop. Anmeldung: [2][info@tanzwerk-bremen.de]
       
       29 May 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.tanzwerk-bremen.de/index.php?id=1338
   DIR [2] /info@tanzwerk-bremen.de
       
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   DIR Andreas Schnell
       
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