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       # taz.de -- Kolumne Eben: Laterne, Laterne! Läuft!
       
       > Wörter machen. Auch viel Unsinn. Beim Wortgeballer zwischen
       > Netzfeministinnen und ihren Kritikern gibt es einen neuen Höhepunkt:
       > „Morddrohung“.
       
   IMG Bild: Verrückte Sachen kann man nicht nur mit Wörtern machen, sondern auch mit Laternen.
       
       Mit Laternen ist es wie mit Wörtern. Man kann mit ihnen einiges machen.
       Auch Verrücktes. Früher riss man sie [1][aus dem Straßenpflaster raus,
       zwecks des Barrikadenbaus]. Heute werden Laternen – zumindest dort, wo
       nicht Herrschaften des Terrors regieren – benutzt, um dagegen zu pinkeln,
       Wohnungsgesuche und Fotos von entlaufenen Haustieren aufzuhängen, Werbung
       von Gebrauchthandyläden, Kaugummis und Turnschuhe zu platzieren. Die auf
       Laternen geworfenen Schuhe markieren Drogenverkaufsgebiete, verstorbene
       Gangmitglieder oder sehen einfach nur lustig aus.
       
       Laternen sollen ansonsten die Straße erleuchten, damit man sich des Nachts
       besser zurecht findet. Auch Wörter sollen beleuchten, in der Regel
       Gedanken, damit man sich in ihnen besser zurecht findet. An diesem
       Wochenende nun wäre man besser rausgegangen und hätte ein paar Turnschuhe
       auf Laternen geworfen statt anderen Leuten dabei zuzugucken, wie sie mit
       Wörtern um sich werfen und so lange an ihre Laternen pinkeln, bis alle
       Lichter ausgehen.
       
       Am munteren Worte hinwerfen beteiligt war ein linker Pfarrer:
       [2][“#Feminismus ist etwas für Unterprivilegierte. ‚Adel ist was für die
       Laterne‘. Ça irá, #BachmannPreis, ça irá, von Rönne!“]. Beteiligt war der
       FAZ-Blogger Don Alphonso, der diesen Tweet, der das französische
       Revolutionslied „[3][Ca ira]“ („Läuft!“) paraphrasiert, als
       „[4][Morddrohung]“ bezeichnete.
       
       Da war Ronja von Rönne, nominiert für den Bachmannpreis und Autorin eines
       [5][Textes in der Welt], in dem sie ihren „Ekel“ vor Feministinnen kundtat,
       die sich um „Unterprivilegierte“ statt um sich selbst sorgten. Nach der
       „Morddrohung“ erklärte von Rönne, dass sie ihren Blog vom Netz genommen
       habe.
       
       Als Auslöser für die „Morddrohung“ machte Don Alphonso die
       „Netzfeministinnen“ veranwortlich, die „Methoden totalitärer Regime“
       anwenden würden. Die „Netzfeministinnen“ hatten zuvor [6][getwittert], dass
       auch der „Ring rechter Frauen“ die Texte Rönnes „empfehlen“ würde und die
       Jurynominierung als Teil einer Diffamierungskampagne gegen den Feminismus
       gewertet.
       
       Und dann waren da die [7][Worte des Welt-Ressortleiters], der erklärte,
       dass Worte auch Wirkung haben. Dass die Worte der Feministinnen eine
       „Hasskampagne“ seien, die Worte von Rönnes hingegen Teil eines
       „Experiments“ seines Feuilletons, das mit Worten „verrückte Dinge“ mache
       und beim Leser Gedanken entstehen lasse, die er zuvor noch nicht gehabt
       hätte.
       
       Nur eine irrlichternde Posse aus der Welt der täglich ums Flutlicht
       kämpfenden Journalisten, in denen ein alberner, zwei mal retweeter Satz von
       einem singenden Pfarrer zur Morddrohung hochgejazzt wird? Sicher. Aber das
       Wort von der „Gesinnungspolizei“ fiel. Und die ist schlimmer als Hitler,
       Mundgeruch und Prenzlbergeltern zusammen. Also muss das einen ja
       interessieren und vom Rausgehen und Schuheauflaternenwerfen abhalten.
       
       Am Ende dieser wilden Wortballerei aber bleibt nur die Erkenntnis, dass es
       sich mit den Anschuldigungen „Gesinnungspolizei“ und „Hasskampgane“ so
       verhält wie sonst mit dem Vorwurf der Ideologie. Gesinnung, Hass und
       Ideologie haben immer nur die anderen. Man selbst hat und macht Kritik.
       Oder verrückte Dinge mit Wörtern.
       
       Während die FIFA nach polizeilicher Ermittlung wenigstens korrekt
       eingestanden hatte, dass die Bombendrohung auf ihrer Hauptversammlung ein
       Fake war, wurde das Wort „Morddrohung“ im Fall Netzfeminismus
       ausgesprochen, bevor der Staatsanwalt überhaupt nur Kenntnis von dem Fall
       nahm, was er wahrscheinlich sowieso nie tun wird.
       
       Ob es wirklich eine „Morddrohung“ war? Spielt ja keine Rolle. Das Wort
       auszusprechen war sicher eines dieser verrückten Experimente, das man mit
       Wörtern machen kann. Das hatte Gedanken entstehen lassen, die keiner zuvor
       hatte: Dass Feministinnen mörderische Wirkung entfalten können. Oder gibt
       es etwa Leute, die sich das immer schon irgendwie gedacht haben? Eben.
       
       1 Jun 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.youtube.com/watch?v=1XpUGyVq9jE
   DIR [2] http://blogs.faz.net/deus/files/2015/05/rtakn2.jpg
   DIR [3] http://youtu.be/1pZHXr4FE44
   DIR [4] http://blogs.faz.net/deus/2015/05/30/ein-tag-von-der-empoerung-der-ard-redakteurin-zur-morddrohung-der-antifa-2612/
   DIR [5] http://www.welt.de/kultur/article139269797/Warum-mich-der-Feminismus-anekelt.html
   DIR [6] http://twitter.com/mlle_krawall/status/603915171673833473
   DIR [7] http://www.welt.de/debatte/kommentare/article141720196/Wie-man-Sachen-mit-Woertern-macht.html
       
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   DIR Doris Akrap
       
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