# taz.de -- Kommentar zum fahrscheinlosen Fahren: Erfolg als Hindernis
> Die Linke hat eine „Öffi-Flatrate“ vorgeschlagen. Der Haken: Würden alle
> viel mehr Bus und Bahn nutzen, müsste erst das Netz ausgebaut werden.
IMG Bild: Egal, welche Linie: noch muss man immer ganz normal bezahlen
Ob 2010, als die Kampagne „Berlin fährt frei“ für fahrscheinloses Fahren
warb, 2011, als die Piraten mit dieser Forderung ins Abgeordnetenhaus
einzogen, oder jetzt, wo sich die Linkspartei des Themas annehmen will:
Vorschläge, den öffentlichen Nahverkehr gemeinschaftlich zu finanzieren,
stoßen häufig auf heftige Abwehrreaktionen. Für etwas zahlen, das ich gar
nicht nutze: Das ist schwer vermittelbar, egal wie zentral dieses Prinzip
an anderer Stelle von der Krankenversicherung bis zur Mehrwertsteuer ist.
Dabei liegen die Vorteile so einer Finanzierung auf der Hand: Der
öffentliche Nahverkehr würde attraktiver, der Trend, in der Stadt auf das
Auto zu verzichten, verstärkt. Neben ökologischen Überlegungen sind es vor
allem soziale Fragen, die für diesen Vorschlag sprechen: Berlin würde sich
damit dafür entscheiden, seine BürgerInnen tatsächlich an dieser Stadt
teilhaben zu lassen – und zwar alle, auch diejenigen, die sich die
U-Bahn-Fahrt bei den aktuellen Preisen nicht leisten können.
Dafür müsste allerdings ein sozialeres Finanzierungsmodell her als die von
der Linkspartei vorgeschlagene Pauschalabgabe, von der es weiterhin nur
wenige Ausnahmen geben soll. Nur mit einer einkommensabhängigen Staffelung
der Beiträge käme der soziale Kern dieser Idee wirklich zum Tragen, auch
über die Beteiligung von Unternehmen muss nachgedacht werden.
Zum größten Problem beim Versuch, Mehrheiten für dieses Projekt zu
gewinnen, steht paradoxerweise die große Aussicht auf Erfolg: Es ist sehr
wahrscheinlich, dass mit so einem Modell tatsächlich viel mehr Menschen den
öffentlichen Nahverkehr nutzen würden als bisher. Das aber würde einen
umfassenden Ausbau des bestehenden Netzes erfordern, eine tatsächliche
Priorisierung des öffentlichen Verkehrs vor dem individuellen – davon ist
die aktuelle Verkehrspolitik noch deutlich weiter entfernt als viele Bürger
von der Einsicht, für etwas zahlen zu müssen, das sie selbst nicht nutzen.
1 Jun 2015
## AUTOREN
DIR Malene Gürgen
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