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       # taz.de -- Aufarbeitung von Missbrauch in 60ern: Senat untersucht Pädo-Modellprojekt
       
       > Schon vor zwei Jahren berichtete die taz über Missbrauch im Berlin der
       > 60er-Jahre. Nun endlich wird die Bildungsbehörde aktiv.
       
   IMG Bild: Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres will nun endlich den Fall untersuchen.
       
       BERLIN taz | Seit rund zwei Jahren weiß die Berliner Bildungssenatorin
       Sandra Scheeres (SPD) von einem brisanten Modellversuch mit pädophilen
       Pflegevätern im Auftrag ihrer Behörde – doch zur Klärung hat die
       Senatsverwaltung seither nichts unternommen. „Bezogen auf diesen konkreten
       Fall haben wir keine weiteren Nachforschungen angestellt“, räumte ein
       Sprecher der Senatorin am Montag ein.
       
       Im Herbst 2013 hatte die taz erstmals groß über ein [1][Modellprojekt des
       Berliner Senats Ende der sechziger Jahre in Berlin berichtet] – und der
       Senatsverwaltung sogar Unterlagen darüber zur Verfügung gestellt: Aus
       diesen geht hervor, dass einschlägig vorbestrafte pädosexuelle Hausmeister
       damals mit Wissen der Berliner Jugendverwaltung als Pflegeväter für
       Straßenkinder benannt und für ihre Betreuung der minderjährigen,
       obdachlosen Jungen mit staatlichem Pflegegeld entlohnt worden waren. Der
       renommierte Sexualwissenschaftler Helmut Kentler übernahm damals die
       Supervision des Projekts.
       
       In einem wissenschaftlichen Gutachten zur Eignung Homosexueller als
       Pflegeeltern berichtete Kentler der Berliner Behörde 1988 offiziell über
       das Projekt mit pädosexuellen Straftätern und Teenagern aus der
       Stricherszene – und stellte es als Erfolgsgeschichte dar. Dass die
       pädophilen Pflegeeltern mit ihren Zöglingen Sex haben wollten, gehörte für
       Kentler sogar ausdrücklich zum Konzept: „Mir war klar, dass die drei Männer
       vor allem darum so viel für ‚ihren‘ Jungen taten, weil sie mit ihm ein
       sexuelles Verhältnis hatten“, schrieb der Wissenschaftler in dem
       Senatsgutachten.
       
       Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar: Sex zwischen Betreuern und ihren
       Schutzbefohlenen – gefördert von einer Behörde. Doch der Aufschrei blieb
       aus, sowohl 1988 wie auch 2013. Die Berliner Senatsverwaltung hielt es
       nicht für nötig, im Landesarchiv nach Akten aus der damaligen Zeit zu
       suchen.
       
       ## Nun wird ermittelt
       
       Am vergangenen Wochenende rollten die Berliner Morgenpost und die Welt noch
       einmal den Fall auf. Jetzt versichert die SPD-Senatorin Sandra Scheeres:
       „Wir wollen Licht in dieses Dunkel bringen.“
       
       Es solle eine „unabhängige historische Expertise“ in Auftrag gegeben
       werden, kündigte ihr Sprecher an. Aber warum wurde diese Untersuchung nicht
       schon 2013 in die Wege geleitet? Seine Behörde habe die Sache „erst mal
       nicht so dramatisch eingeschätzt“, sagt ihr Sprecher der taz. Inzwischen
       könne man den Versuch aber nicht mehr als „Einzelhaltung“ abtun.
       
       Denn am Wochenende kam ein weiterer Vorfall ans Licht. Nach einem Bericht
       der Morgenpost soll die Bildungsbehörde noch 1991 die Erstellung einer
       „Adressenliste zur schwulen, lesbischen und pädophilen Emanzipation“
       gefördert haben. Die Liste wurde von dem Schwulen-Beratungszentrum
       „Mann-O-Meter“ erstellt – „mit freundlicher Unterstützung durch das Referat
       für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Berliner Senatsverwaltung für
       Jugend, Frauen und Familie“.
       
       Auch dieses Papier, das der taz vom Schwulen Museum in Berlin zur Verfügung
       gestellt wurde, konnte die Behörde zunächst nicht genauer einordnen. Laut
       Scheeres’ Sprecher ist zunächst unklar gewesen, ob die Behörde wissentlich
       die Sammlung von Lobbyadressen aus der Pädophilenszene förderte – oder
       dieser Teil der Liste ohne Absprache mit der Verwaltung erstellt wurde.
       Dann bliebe jedoch zu klären, ob und was die Behörde gegen diese so nicht
       abgesprochene Liste unternahm. Offen ist auch, ob dafür staatliches Geld
       floss.
       
       Auf der Liste finden sich neben Schwulen- und Lesbengruppen auch
       Initiativen aus der Pädosexuellenszene – darunter eine Münchner
       „Pädogruppe“, die „Interessen- und Arbeitsgemeinschaft Pädophilie NRW“ und
       die Nürnberger Indianerkommune.
       
       1 Jun 2015
       
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