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       # taz.de -- Kommentar über Bremer Rücktrittspolitik: Was ist Verantwortung?​
       
       > Verantwortlich handeln heißt politisch handeln - und nicht als Politiker
       > in den Sack hauen.​ Dies jedoch ist in Bremen derzeit Trend.
       
   IMG Bild: Tritt nicht mehr als Bremer Fraktionschef der Grünen an: Matthias Güldner
       
       Verantwortung ist in Bremen derzeit, wie es scheint, billig zu haben. Wer
       irgendwie gerade nicht von den Massen auf den Händen getragen wird, sagt
       dort jetzt: So, dann übernehme ich halt Verantwortung, verpisst sich - und
       schwupp!, ist er der Darling. Matthias Güldner, langjähriger
       Grünen-Fraktionsvorsitzender, war schon der Zweite, der gezeigt hat, wie
       das geht.
       
       Zur Randnotiz verkümmert da, dass sich gestern auch noch die
       CDU-Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann wieder nach Berlin verabschiedet
       hat: Im Bundestag verantwortet es sich schließlich viel komfortabler als in
       der popligen Bürgerschaft des ewig klammen Bremen. Den Trend gesetzt aber
       hat Jens Böhrnsen, indem er sein Amt zur Verfügung gestellt hat - und auf
       diese Weise für das Ergebnis der Wahl vom 10. Mai die Verantwortung
       übernommen hat.
       
       Ist aber auch verständlich: Statt einer Zweidrittelmehrheit bloß noch vier
       Mandate übern Durst, ein mühsames Ringen um Kompromisse, zähe
       Auseinandersetzungen? Dann doch lieber Verantwortung übernehmen! Und schon
       war er den doofen und nervenden Posten des Bremer Bürgermeisters los. Und
       die lokalen Medien jubeln, ja doch!, das musste er tun!, das verdient den
       vollsten Respekt. Dass fast 20.000 Leute ihm ihre persönliche Stimme
       gegeben haben - na drauf geschissen! Hauptsache Verantwortung!
       
       Das ist ein problematischer Trend. Denn er entleert den Begriff der
       Verantwortung. Die erfüllt sich plötzlich in einer mehr der Galerie
       zugedachten symbolischen Geste des Verzichts. Und er diskreditiert das
       politische Handeln, das auf Probleme und Nöte reagiert, nach bestem Wissen
       und Gewissen, nach persönlichen Überzeugungen, aufgrund von zu erkämpfender
       Zustimmung, für die Personen, für die Mittel, für die Ziele: Verantwortlich
       handeln heißt politisch handeln - und nicht als Politiker in den Sack
       hauen.
       
       Wenn es Güldner ernst gewesen wäre mit der Verantwortung, wenn er, nachdem
       er sich acht Jahre lang durchaus aufgerieben hat in stiller Zuarbeit für
       die von ihm mitgetragene Exekutive, mehr Kontroverse und mehr grünes Profil
       gewollt hätte, hätte er das Amt als Fraktionsvorsitzender erneut anstreben
       - und es kämpferischer auslegen müssen: Wer, wenn nicht ein alter Kämpe wie
       er soll denn das nötige Standing dafür haben, mit dem Senat zu streiten?
       Was er aber tut, das ist der laute Abgang eines Frustrierten, einem
       erweiterten Suizid so unähnlich nicht. Das aber ist das Gegenteil
       verantwortungsvollen Handelns.
       
       Verantwortung degeneriert zur bloß symbolischen Geste des Verzichts.
       
       1 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
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