# taz.de -- HSV weiter erstklassig: Strapaziertes Glück
> Der Aufstieg wäre für Karlsruhe nicht zu früh gekommen. Nun muss der KSC
> einen schweren, neuen Anlauf nehmen. Und der HSV? Hat auch zu tun.
IMG Bild: Freud und Leid, heißt es ja so schön, liegen dicht beinander – auch hier auf dem Platz. Daniel Gordon vom KSC, im Hintergrund HSV-Freude
Karlsruhe taz | Nicolai Müller war beleidigt. „Das ganze Jahr wollt ihr
nichts von mir, aber jetzt“, ätzte der Offensivspieler des Hamburger SV.
Und lachte. Natürlich blieb er dann bei den Reportern stehen. Es war kein
Tag, um beleidigt zu sein, aber so ganz konnte Müller den Frust der letzten
Monate dann doch nicht verbergen.
Müller, letzten Sommer für 4,5 Millionen Euro aus Mainz gekommen, hatte den
HSV mit seinem Tor zum 2:1 in der 115. Minute im Relegationsrückspiel beim
Karlsruher SC in der Bundesliga gehalten. Nicolai Müller! Einer jener acht
teuren Zugänge, mit denen alles hätte besser werden sollen – aber dann doch
alles wieder wie im Vorjahr mit dem Last-Second-Klassenerhalt in der
Relegation endete.
Hätte Schiedsrichter Manuel Gräfe in Karlsruhe in der 90. Minute der
regulären Spielzeit nicht auf absichtliches Handspiel und Freistoß
entschieden, nachdem Slobodan Rajkovic Jonas Meffert angeschossen hatte,
dann wäre der HSV abgestiegen. Aber so schlenzte Marcelo Diaz den Ball von
der Strafraumgrenze wie in Zeitlupe zum 1:1 ins Netz – das 1:1 aus dem
Hinspiel war in letzter Sekunde egalisiert.
Während der Siegtorschütze Müller erklärte, er hoffe, dass seine Karriere
beim HSV mit diesem Treffer nun endlich beginne, stand ein paar Meter
weiter Reinhold Yabo und rang nach einem Bild für seine Gefühle.
## „Das Herz herausgerissen“
Yabo hätte der Held des KSC werden können. Er hatte kurz nach seiner
Einwechslung das 1:0 erzielt (78.) und musste dann aber mitansehen, wie dem
KSC der ersehnte Aufstieg dank einer Fehlentscheidung des Schiedsrichters
und Müllers einzigem Moment der Saison der Aufstieg doch noch entglitt.
„Wenn man das Gefühl messen könnte, wie es ist, wenn das Herz
herausgerissen wird, dann würde es das gut beschreiben“, sagte Yabo, der
den KSC womöglich verlassen wird und dann sein Gemeinderatsmandat aufgeben
muss. Womöglich werden auch andere bei einem Erstligaangebot schwach.
Der Aufstieg wäre für den unter Altlasten leidenden Klub zwei Jahre vor
Baubeginn einer neuen Arena nicht zu früh gekommen. Mit den Mehreinnahmen
aus den TV-Geldern in Liga eins (21 statt 7 Millionen Euro) hätte der KSC
sein negatives Eigenkapital (5 Millionen Euro) tilgen können. Auch wenn der
Rechtehändler Michael Kölmel vom TSV-Geld stattliche 15 Prozent eingesackt
hätte. Nun muss der KSC einen schweren, neuen Anlauf nehmen. „Fußball“,
sagte KSC-Manager Jens Todt, „kann so wehtun.“
„Die Enttäuschung ist riesig“, gestand auch KSC-Trainer Markus Kauczinski.
Doch die Karlsruher erspielten sich in den letzten Tagen bundesweit große
Sympathien. So langsam bekommen auch über die Stadtgrenzen hinaus die
Fußballinteressierten mit, welch beeindruckende Aufbauarbeit Kauczinski und
Todt mit kleinem Budget in Baden leisten.
Die einzige richtige Entscheidung des HSV-Vorstandsvorsitzenden Dietmar
Beiersdorfer hingegen war es, Bruno Labbadia sechs Spieltage vor Saisonende
als vierten Trainer zu installieren. Der HSV war Letzter. Abgeschrieben.
Labbadia reanimierte ausgemusterte Profis wie Gojko Kacar oder Ivo Ilicevic
wieder und entwickelte ein neues Wir-Gefühl im hierarchielosen Kader.
„Abstiegskampf ist scheiße“, gab Labbadia hinterher ziemlich mitgenommen
zu. Jetzt dürfe man aber nicht blauäugig sein, mahnte der Coach.
Labbadia wird den Kader stark verändern. Rafael van der Vaart
beispielsweise absolvierte seine letzte Partie im HSV-Trikot. Der Holländer
steht symbolisch für die verfehlte Politik der letzten Jahre: teuer und auf
Pump des Gönners Kühne einkaufen. Am Montag hat der HSV mal wieder Glück
gehabt – zu oft sollte er es nicht mehr strapazieren.
2 Jun 2015
## AUTOREN
DIR Tobias Schächter
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