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       # taz.de -- Keine Rechte für Flüchtlinge: Kein Pass, keine Teilhabe
       
       > Wer als Flüchtling nur geduldet ist, bekommt bei der Sparkasse in Bremen
       > neuerdings kein Konto mehr. Damit verstößt das Geldinstitut gegen
       > EU-Recht.
       
   IMG Bild: Nehmen nicht jeden (mit): Sparschweinförmiger Heißluftballon wirbt für die Sparkassen.
       
       Bremen taz | Geduldete Flüchtlinge haben in Bremen kaum noch Chancen auf
       ein eigenes Bankkonto. Das hat gravierende Folgen: Kein Konto, keine
       Teilhabe - so einfach ist das. Und es geht noch weiter: Kein Konto, keinen
       Job, keine eigene Wohnung, keinen Vertrag für ein Mobiltelefon, keine
       Mitgliedschaft in einem Verein oder Fitnessstudio. Auch Ämter fragen immer
       wieder nach dem Konto, wenn es ums Geld geht.
       
       Das Problem: Das Geldwäschegesetz verlangt von allen, die ein Girokonto
       eröffnen wollen, ein „amtliches Identitätspapier mit Lichtbild“. Also einen
       Pass. Aber den haben gerade Geduldete oft nicht, oder nicht mehr. Sie haben
       meist nur Duldungspapiere.
       
       Zwar hat die Sparkasse Bremen in der Vergangenheit auch mit derlei
       Bescheinigungen ein Girokonto eröffnet. Doch damit sei seit Ende Mai
       Schluss, erklärt ein Sprecher: Nicht nur wegen des genannten Gesetzes, auch
       weil „die Fallzahlen zunehmen“, akzeptiere man Duldungspapiere nur noch
       dann, wenn diese als „Legitimationspapiere“ gekennzeichnet seien. Das aber
       müssen sie nicht sein.
       
       In der Bremer Innenbehörde war das Problem allerdings bislang unbekannt.
       Auf Nachfrage heißt es, Geduldete hätten doch die Möglichkeit, bei der
       Ausländerbehörde einen Ausweisersatz zu beantragen. Man werde sich dann
       „schnellstmöglich“ kümmern. Außerdem wolle das SPD-geführte Bremer
       Innenressort auf Bund-Länder-Ebene „Lösungsmöglichkeiten erörtern“.
       
       Für eine Reform in diesem Zusammenhang haben sich auf Bundesebene jüngst
       die Grünen eingesetzt - scheiterten aber im Bundestag an den
       Mehrheitsverhältnissen und der großen Koalition. Dabei müsste Deutschland
       an diesem Punkt längst weiter sein: Schon seit 2014 gibt es EU-weit eine
       Richtlinie, die allen Menschen den diskriminierungsfreien Zugang zu einem
       Girokonto zusichern soll, Obdachlosen ebenso wie AsylbewerberInnen oder
       Flüchtlingen, die nur geduldet sind - und so eine Duldung kann viele Jahre
       dauern.
       
       Allein: Die Zahlungskontenrichtlinie ist noch nicht in deutsches Recht
       umgesetzt worden, Berlin hat dafür noch bis September 2016 Zeit. Auch
       Bremens Sparkasse wartet, bis es soweit ist. „Hier ist der Gesetzgeber
       gefordert, eine schnelle Lösung zu schaffen“, sagt ihr Sprecher.
       
       Während die Sparkassen im Bremer Umland schon länger als deutlich rigider
       gelten, ist jene in Hamburg großzügiger: „Geduldete Flüchtlinge können bei
       uns grundsätzlich ein Konto eröffnen“, sagt ein Sprecher der Hamburger
       Sparkasse. Privatbanken wiederum sind dazu tendenziell weniger bereit: Zwar
       habe man bei der Commerzbank in Bremen auch gute Erfahrungen gemacht, sagt
       etwa eine Sprecherin des Vereins Fluchtraum, der sich um unbegleitete
       minderjährige Flüchtlinge kümmert. Die Bank selbst aber erklärt, ein
       „gültiges Ausweispapier“ müssten auch Geduldete vorlegen.
       
       Als kulanter galt lange auch die Postbank, verlangt inzwischen nach eigenen
       Angaben aber von allen Menschen aus Nicht-EU-Staaten einen Pass. Sonstige
       Papiere werden demnach nur akzeptiert, wenn sie mit dem amtlichen Vermerk
       „Ausweisersatz“ versehen sind - Ausnahme: Bürgerkriegsflüchtlinge aus
       Syrien.
       
       Ob es bei Bank oder Sparkasse ein Konto gibt oder nicht, das wird also
       „sehr willkürlich gehandhabt“, sagt Gundula Oerter von der Bremer
       Flüchtlingsinitiative. Wer am Ende ein Konto bekomme, hänge auch schon mal
       von der jeweiligen Zweigstelle oder von einzelnen MitarbeiterInnen ab.
       
       Eine Ablehnung wird BetreuerInnen zufolge mal mit dem fehlenden Pass
       begründet, mal aber auch mit den Kontoführungsgebühren, auf denen die Bank
       womöglich sitzen bleiben könnte, wenn der Flüchtling abgeschoben wird. „Es
       gibt da keine Transparenz und keine Rechtssicherheit“, sagt Oerter.
       
       Wer aber kein Konto eröffnen kann, der kann auch kaum am wirtschaftlichen
       oder gesellschaftlichen Leben teilhaben. „Das ist höchst problematisch“,
       sagt Oerter - selbst Sozialämter zahlen nicht ohne Weiteres in bar aus.
       „Das ist ein wahnsinniger Aufwand“, so Oerter. Und ein „Dauerbrenner“ für
       all jene, die Geflüchtete betreuen.
       
       Die neuerdings gültige Regelung „ist ein klarer Rückschritt“, sagt Sylvia
       Pfeiffer von Fluchtraum: Geduldeten das Konto zu verwehren, nennt sie eine
       „Frechheit“. Dabei war die Sache mit dem Legitimitätsnachweis noch bis 2009
       kein Problem. Sie müsste es auch jetzt nicht sein, selbst wenn man die
       Geldwäsche bekämpft sehen will: Flüchtlinge, oft unverschuldet ohne Pass,
       müssen ja in der Regel ihre Fingerabdrücke abgeben. Ihre Identität steht
       also zweifelsfrei fest.
       
       3 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Zier
       
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