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       # taz.de -- Wahl-Nachwehen in Bremen: Nicht ohne Linnert
       
       > Die Grünen Mitglieder in Bremen übte den Spagat zwischen machtpolitisch
       > kalkulierter Geschlossenheit und einem Ringen um ein grüneres Profil.
       
   IMG Bild: Dienstag stritten die Grünen über Irr- und Auswege
       
       Bremen taz | Vier Stunden dauerte die offene Aussprache, bis die Grünen
       einhellig beschließen konnten, mit der SPD Koalitionsverhandlungen
       aufzunehmen. Die Debatte war erzwungen worden von dem Fraktionsvorsitzenden
       Matthias Güldner, der nicht mehr für diese Position zur Verfügung stehen
       will und der in einem internen Papier deutlich gemacht hatte, dass die
       Finanzsenatorin Karoline Linnert die Verantwortung für die Wahlniederlage
       übernehmen sollte. Ihr Bild war das einzige Motiv auf den großen
       Plakatwänden des Grünen-Wahlkampfes gewesen.
       
       Aber Linnert versteht ihre Verantwortung darin, weiterzumachen. Für die
       zehnköpfige Verhandlungskommission war sie wie sechs andere Funktionsträger
       gesetzt. Die Mitglieder wählten auf einen der drei „freien“ Plätze Robert
       Bücking, den früheren Viertel-Ortsamtsleiter, der seine Wahl in die
       Bürgerschaft nicht seiner Platzierung auf der Liste, sondern seinen
       zahlreichen Personenstimmen verdankt.
       
       Bücking hatte vorher klargestellt: „Es geht nicht ohne Karo.“ Das traf die
       Stimmung unter den fast 200 Mitgliedern, die den Saal füllten - obwohl es
       nach der kritischen Rede von Matthias Güldner den größten Applaus des
       Abends gegeben hatte.
       
       Es habe in den vergangenen Jahren „erhebliche Konflikte“ an der Spitze der
       Grünen gegeben, erklärte Güldner, und er selbst habe als
       Fraktionsvorsitzender mit dafür gesorgt, dass die inhaltlichen und
       personellen Probleme mit den drei Senatoren „nicht transparent geworden“
       seien.
       
       Nur deswegen hätten „Verwaltungshandeln“ und die „Logik der Verwaltung“ den
       Politikstil der Grünen prägen können. Und er bekannte: „Ich bin mit meinem
       Latein am Ende.“ Konkret wurde seine Kritik nur in einem Satz über Wolfgang
       Golasowki, den Staatsrat im Umweltressort, der „wie ein Elefant im
       Porzellanladen“ in den Stadtteilbeiräten die Forderungen der grünen
       Basis-Vertreter abgebügelt hätte.
       
       „Du bist sehr allgemein geblieben“, hielt die sichtlich angefasste Linnert
       ihrem Fraktionsvorsitzenden entgegen. Und sie verwahrte sich dagegen,
       „eigene Leute öffentlich in die Pfanne zu hauen“. Zu viel Finanzlogik, zu
       wenig grünes Profil hatten die Mitglieder kritisiert - Linnert hielt dem
       entgegen, dass Bremens Sanierungspfad auch für eine andere Person auf ihrem
       Stuhl kaum Alternativen zulasse.
       
       Güldner hatte vorgeschlagen, dass die Grünen das Sozialressort abgeben und
       dafür das Bildungsressort übernehmen. Anja Stahmann, seit acht Jahren
       Sozialsenatorin, wehrte sich dagegen mit Hinweis auf ihre Verdienste und
       bekannte: „Ja, ich bin Staatsorgan, weil ich ein Stück des Staates auf
       meinen Schultern trage.“
       
       Konkret im Sinne der geforderten selbstkritischen Debatte wurde vor allem
       die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maike Schaefer. Linnert habe, so
       plauderte sie aus, im internen Kreis unter Bezug auf ein Zitat Winston
       Churchills erklärt, es gebe eben Zyklen des politischen Erfolgs - für vier
       Jahre würde es noch reichen, länger nicht.
       
       Solche Reden seien „wenig motivierend“, so Schaefer. Bei dem
       finanzpolitischen Sanierungskurs müsse man genauer hinschauen: Subventionen
       für die private Jacobs-Universität, gigantische Straßenbauprojekte und die
       Planungen für eine Y-Trasse, die wohl doch nicht kommt, seien keineswegs
       nachhaltig. „Zurück zu unseren Kernkompetenzen“ forderte sie - und klang
       wie Güldner mit dem Vorstoß, als Grüne das Bildungsressort zu beanspruchen
       und die Finanzverantwortung abzugeben.
       
       Von der Basis kam in der Diskussion wenig, was zu einem neuen Profil
       beitragen könnte. Für Spannung sorgte vor allem der Vorschlag, nicht 180
       Millionen Euro Steuergeld für das Offshore-Terminal in Bremerhaven
       auszugeben. Der grüne Umweltsenator Joachim Lohse intervenierte und
       erklärte, es gehe dabei um einen „Eckstein der grünen Energiewende“ - die
       Mehrheit der Mitglieder folgte ihm.
       
       Sollen die Grünen, die bei jedem zweiten Wohnungsbauprojekt gegen
       Flächenfraß und für die grüne Wiese protestieren, von ihrem Bausenator mit
       Blick auf die zunehmenden Flüchtlingszahlen mehr Wohnungsbau einfordern?
       Auch darüber wollten sie mit der SPD nicht verhandeln, nachdem Lohse seine
       Devise erklärt hatte: „abwarten“.
       
       3 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Wolschner
       
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