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       # taz.de -- G7-Gipfel in Elmau: Ein Rösti für die Fliegergruppe
       
       > Rund um Elmau haben die G7-Proteste begonnen – mit Hygieneprüfungen im
       > Anarchosektor. Wie es losging – und wie es weitergeht.
       
   IMG Bild: Das Rathaus der Gemeinde Krün, wo Angela Merkel und Barack Obama während des Gipfels erwartet werden.
       
       Krün taz | Herr Simon steht an diesem Freitagabend wieder hinter dem Tresen
       seiner Kneipe und bedient den Zapfhahn für die zwölf Herren von der
       Fliegergruppe der Bundespolizei. Es dämmert schon, die Männer haben Hunger.
       
       Eigentlich sollten sie Schweinefilet bekommen, mit Waldpilzsoße und
       Bratkartoffeln. Aber in der Küche von Herrn Simon sind die Zwiebeln
       angebrannt. „Die lernt‘s nie“, sagt Herr Simon. Er meint die Köchin. Jetzt
       gibt es Röstis dazu.
       
       Hier in Krün an der Schöttlkarspitzstraße, direkt vor der Gaststube von
       Herrn Simon oberhalb des Obernachkanals, sollen an diesem Sonntag Barack
       Obama und Angela Merkel vor der beeindruckenden Alpenkulisse auf Krüner
       Bürger treffen. Es gibt Brotzeit und Bier und die Einheimischen sind
       eingeladen, in Trachten zu kommen. „Für uns wird hier am Sonntag
       Weltgeschichte geschrieben“, sagt Herr Simon. Er lehnt an seinem Tresen,
       Schweißränder unter den Achseln, das gestreifte rote Polohemd aufgeknöpft.
       
       Die Pflastersteine vor seiner Gaststube wurden neu verlegt, die großen
       Kabelstränge für die Kameraleute des „Weltbildes“, das die TV-Stationen
       dann in die Welt senden werden, sind installiert, die deutsche und die
       amerikanische Fahne gehisst. Von seiner Position hinterm Tresen blickt Herr
       Simon direkt auf die beiden Fahnen. Hier darf am Sonntag nichts anbrennen.
       
       ## Veganes Essen für alle
       
       17 Kilometer entfernt, auf einer Wiese in Garmisch-Partenkirchen ist an
       diesem Freitagabend die Kochgruppe zugange, die, ginge es nach den
       örtlichen Behörden, ihre Töpfe hier nie hätte auspacken sollen. Protestcamp
       der G7-Gegner, es gibt veganes Essen für alle. Wer Allergien hat, möge sich
       melden. „Wir kochen für dich“, steht auf einem Schild.
       
       Unter anderem wegen Hochwassergefahr wollte die Bürgermeisterin von
       Garmisch-Partenkirchen dieses Camp verbieten. Sie hatte Angst vor
       Kriminellen und Chaoten, dann wurde ihr Entscheid von einem Münchner
       Gericht kassiert. Jetzt baden junge Frauen mit langen Rastazöpfen im
       kalten, klaren Gebirgsquellwasser der Loisach, dessen Pegel meterweit unter
       der Wiesenfläche verläuft. Im Camp herrscht Ordnung.
       
       Einige hundert Menschen sind da, am Samstag sollen es mehr werden. „Wenn
       Ihr Nachtschicht habt, kommt bitte nüchtern“, steht auf einem Schild. „Das
       hier ist ein politischer Protest und kein Volksfest“, auf einem anderen.
       Bierausschank gibt es im Protestcamp nur von 18 Uhr bis 1 Uhr nachts. Wer
       in der Kochgruppe mitmachen will, muss zunächst zum Hygienegespräch.
       
       ## An jeder Ecke Polizisten
       
       Im Camp wird gefeiert: Ein Bauer aus Garmisch hat den Demonstranten gleich
       nebenan eine weitere Wiesenfläche zur Verfügung gestellt. Er soll
       überrascht gewesen sein, dass hier alles so geregelt läuft, erzählen sich
       die Demonstranten.
       
       Rund um Elmau haben die Proteste gegen den G7-Gipfel begonnen, die Region
       befindet sich im Belagerungszustand. Allerdings eher durch die Polizei. Auf
       der Autobahn, von München kommend, stoppen Beamte jeden einzelnen Wagen,
       durchsuchen Demonstranten. Rund um Garmisch-Partenkirchen, dem nächst
       größeren Ort in der Nähe Elmau, stehen Polizisten an so gut wie jeder
       Straßenecke. Es sind tausende.
       
       Für den Samstag ruft das Bündnis „Stop G7“ zu einer Großdemonstration in
       Garmisch-Partenkirchen. Nachdem am Donnerstag in München bis zu 40.000
       Menschen auf die Straße gingen, rechnet das Bündnis auch in Garmisch mit
       einigen tausend. Es dürfte kämpferisch werden, aber, betonen die
       Organisatoren, „von uns geht keine Gewalt aus“. Was sie jedoch auch sagen:
       Sie wollen sich solidarisch verhalten zu jedem einzelnen, der mit ihnen
       gegen den Gipfel demonstriert.
       
       ## Bis zu 10.000 Protestierende erwartet
       
       Schon am Freitag hatten die Demonstranten zweimal in Garmisch demonstriert,
       friedlich, aber mit forschen, kraftvollen Parolen. Anders als in München,
       wo in erster Linie bürgerlichere Organisationen zu den Protesten gerufen
       hatten, kommt im Protestcamp in Garmisch vor allem das Antifa-nahe Spektrum
       zusammen. Bei einer Nachtdemonstration am Freitag liefen bis zu 500
       Menschen durch die Straßen des beschaulichen Örtchens. Ihr Anliegen:
       Solidarität mit Kurdistan, erst recht nach dem Anschlag vom Freitag auf
       eine Veranstaltung der HDP in der Türkei.
       
       Am Mittag sollen nun zunächst mit einer Kundgebung die größer angelegten
       Proteste rund um Elmau beginnen, ab 14.30 Uhr zieht dann der
       Demonstrationszug durch Garmisch-Partenkirchen. Die Organisatoren erwarten
       dazu bis zu 10.000 Demonstranten. Für den Sonntag, eventuell auch schon für
       Samstagabend, sind Blockaden der Zufahrtswege rund um das Schloss geplant.
       
       Hier gibt es noch juristischen Streit: Nachdem das Landratsamt den als
       Sternmarsch angekündigten Protest stark eingeschränkt hatte und lediglich
       erlaubte, eine Delegation von 50 Demonstranten müsse symbolisch die
       Möglichkeit haben, vor dem Schloss Elmau zu demonstrieren, gehen die
       Aktivisten juristisch dagegen an – ihnen reicht dieser symbolische Protest
       nicht. Eine Entscheidung hierz wird vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
       für den Samstagnachmittag erwartet.
       
       In Garmisch-Partenkirchen kommen unterdessen nach und nach immer mehr
       Demonstranten mit großen Rucksäcken, Isomatten und Zelten an. Sie laufen
       vom Bahnhof zu Protestcamp, vorbei an der Badestelle an der Loisach, vorbei
       am Infostand und am großen Gruppenzelt, wo es Essen gibt und erst am Abend
       wieder Bier. Die Kochgruppe bereitet das Essen für den Mittag vor. Die
       Polizei umlagert die Demonstranten. Es soll ja hier heute nichts anbrennen.
       
       6 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Kaul
       
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