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       # taz.de -- Rede des neuen Direktors: Frontex will mehr abschieben
       
       > Der neue Frontex-Direktor Fabrice Leggeri legte in Berlin seine Sicht der
       > Dinge dar. Die Rhetorik ist teilweise neu, das Handeln nicht.
       
   IMG Bild: Kennt sich mit Zahlen, Karten, Abschiebungen aus, mit Schicksalen von Menschen aber nicht: Fabrice Leggeri.
       
       Berlin taz | Die EU-Grenzschutzagentur Frontex rechnet mit einer dauerhaft
       hohen Zahl von irregulären Einreisen in die EU. „Ich sehe bis nächstes Jahr
       keine Lösung in Syrien und auch keine Lösung in Libyen“, sagte der neue
       Frontex-Direktor Fabrise Leggeri am Mittwoch in Berlin. „Wir müssen uns
       darauf vorbereiten, diese Lage auf Dauer zu haben.“ Es war der ersten
       öffentliche Auftritt Leggeris in Deutschland.
       
       Im Laufe diesen Jahres seien über 100.000 Menschen ohne Erlaubnis in die EU
       eingereist. Frontex verzeichnete eine starke Verlagerung des
       Fluchtgeschehens vom zentralen ins östliche Mittelmeer. Über Libyen würden
       vor allem Flüchtlinge aus Eritrea, Somalia, Sudan und Westafrika kommen.
       „Die meisten Syrer reisen jetzt über die Türkei nach Griechenland“, sagte
       Leggeri. Dort stieg die Zahl der irregulären Grenzübertritte im Vergleich
       zum Vorjahr auf das Sechsfache.
       
       Die Lage dort sei sehr prekär, sagte Leggeri, auch, weil es kaum
       Infrastruktur zur Aufnahme der Ankömmlinge gebe. Frontex will seine
       „Poseidon“ genannte Operation in der Ägäis ausweiten und mehr Grenzbeamte
       entsenden. Das sei mit der Syriza-Regierung abgestimmt.
       
       Leggeri forderte, die EU müsse Griechenland mehr Geld geben, damit das Land
       neue Flüchtlingsunterkünfte errichten könne. Derzeit freilich streitet die
       Syriza-Regierung mit Brüssel um die Umwandlung EU-finanzierter
       Internierungslager in offene Unterkünfte. Brüssel will Millionen
       zurückverlangen, wenn Athen die Immigranten nicht mehr in den Lagern
       einsperrt.
       
       Nach den schweren Schiffsunglücken im Mittelmeer im Frühjahr hatte die EU
       das Frontex-Budget für Mittelmeer-Operationen mit 25 Millionen Euro
       zusätzlich verdreifacht. Im nächsten Jahr kann die Agentur im
       Mittelmeerraum rund 45 Millionen Euro zusätzlich ausgeben. Frontex hat
       jetzt insgesamt sechs Schiffe in de Region im Einsatz, vorher waren es
       zwei.
       
       ## 50.000 Menschen im Mittelmeer aus Seenot gerettet
       
       Die Fregatten, die die deutsche Bundesmarine ins Mittelmeer entsandt habe,
       seien aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht Teil der Frontex-Operation:
       Sie dürfen nicht zum Grenzschutz eingesetzt werden, sagte Leggeri. Deshalb
       würden sie „bilateral“ die Seenotrettungseinsätze der Italiener
       unterstützen. Erst im Dezember hatte Frontex Italien aufgefordert, nicht
       mehr zur Seenotrettung vor der libyschen Küste zu patrouillieren.
       
       50.000 Menschen wurden in diesem Jahr im Mittelmeer aus Seenot gerettet,
       davon allerdings weit weniger als die Hälfte unter Frontex-Beteiligung. Um
       die übrigen kümmerte sich vor allem die italienische und maltesische
       Marine. Leggeri unterstrich erneut, dass die Grenzschutzagentur gar kein
       Mandat für eigene Rettungsoperationen habe. Frontex könne lediglich „mehr
       Kapazität für Grenzüberwachung“ in das Seegebiet schicken und die Schiffe
       und Flugzeuge dann bei Rettungsoperationen helfen lassen.
       
       Leggeri kündigte an, dass die Agentur auf Wunsch des Rates und der
       Kommission künftig verstärkt Abschiebungen aus Europa organisieren werde.
       Derzeit führt Frontex etwa zwei Prozent aller Abschiebungen aus der EU
       durch. Die übrigen schieben die Mitgliedsstaaten direkt ab. Die Agentur hat
       seit 2011 ein Mandat für Abschiebungen.
       
       ## Migranten identifizieren
       
       In der kommenden Woche will die EU in Brüssel ihren Einsatzplan für die
       militärische Anti-Schlepper-Operation in Libyen vorstellen. Leggeri bemühte
       sich, Frontex hiermit nicht in Verbindung zu bringen. „Wir sind eine zivile
       Agentur, Grenzschutz ist eine zivile Aufgabe“, sagte er. Aber eben nicht so
       ganz: Frontex werde sich „natürlich mit der militärischen Komponente der EU
       koordinieren“ und „kooperieren“.
       
       Migranten, die „von der militärischen Seite gerettet werden“ würden „normal
       ins zivile Verfahren eingeleitet“ – so, als ob Frontex-Mitarbeiter sie
       aufgegriffen hätten. Zudem könnten die eingesetzten Militäreinheiten, falls
       nötig, die Frontex-Patrouillen schützen, sagte Leggeri.
       
       Während der frühere Frontex-Direktor Illka Laitinen immer betont hatte,
       dass Frontex sich verpflichtet fühlt, unerlaubte Einreisen zu verhindern,
       klang dies bei Leggeri anders: Der Zweck der Grenzüberwachung sei „nicht,
       die Migranten abzuschrecken, sondern nur, sie zu identifizieren“, sagte er.
       „Kein Reisender soll in die EU gelangen, ohne Grenzbeamte zu treffen.“ Und,
       auch dies keine neue Erkenntnis, aber ein Novum in der Frontex-Rhetorik, es
       sei „ganz klar, dass legale Wege“ – gemeint war: für Flüchtlinge in die EU
       – „die Herausforderungen an den Außengrenzen wahrscheinlich erleichtern.“
       
       11 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Jakob
       
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