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       # taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Das Folterinstrument der Wahl
       
       > Für die CO2-Bremse hilft als Peitsche nur die Verankerung im Grundgesetz.
       > Mit der richtigen Werbung könnte sie sogar hip werden.
       
   IMG Bild: CO2-sparen lecker versüßt: In dieser Schokoladenfabrik wird schon energieeffizient produziert
       
       Die richtig guten Ideen folgen meistens dem Muster: „Man sollte mal …“
       elektronische Briefe entwickeln, die in Sekunden um die Welt fliegen;
       Bettlaken durch Spannbetttücher ersetzen; gegen SED und Stasi auf die
       Straße gehen; Kinder in die Welt setzen. Oder: eine „CO2-Bremse ins
       Grundgesetz schreiben“.
       
       Diese gute Idee kommt von Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen im
       Bundestag. Analog zur „Schuldenbremse in Verantwortung für kommende
       Generationen“ wäre dem Staat damit ab einem bestimmten Zeitpunkt verboten,
       den Ausstoß des Treibhausgases zuzulassen. Natürlich auch in Verantwortung
       für kommende Generationen, weil von den universell geltenden Gesetzen der
       Physik nicht einmal die Braunkohle in Deutschland ausgenommen ist. Diese
       „grüne Null“ – naheliegende Anspielungen auf das Spitzenpersonal einer
       bekannten Öko-Partei mal beiseite – stünde dann im Grundgesetz. Und basta.
       
       Was der Vorschlag für das Killer-Image der Grünen als „Verbotspartei“
       bedeutet, hat Hofreiter zum Glück nicht bedacht. Aber recht hat er. Denn
       wenn wir mal ehrlich sind, hilft beim ökosozialen Umbau der
       Industriegesellschaft am Ende nur das gute, alte Ordnungsrecht: Da kannst
       du noch so viele Forschungsgelder verteilen, die Tische rund und runder
       machen, den Menschen gut zureden, sie mit Subventionen überhäufen und sie
       zu freiwilligen Selbstverpflichtungen überreden. Am Ende wollen Wirtschaft
       und Verbraucher doch nur das eine: die Peitsche.
       
       In dieser Sadomaso-Beziehung zwischen dem Öko-Diktator und dem Öko-Opfer
       wäre die CO2-Bremse das Folterinstrument der Wahl. Die Manager würden
       stöhnen, ächzen und jammern, wie sie es in den Kursen zur
       Öffentlichkeitsarbeit gelernt haben. Aber am Ende würden sie einknicken und
       ihr Geld mit grünen Produkten verdienen, wie sie es erfolgreich seit 30
       Jahren tun. Schließlich wäre es das Gesetz! Und gesetzestreu zu sein und
       auch noch etwas zu sparen, das ist unsere echte Win-win-Option. Deshalb
       funktioniert die Schuldenbremse bei uns so gut – auch wenn der Rest der
       Welt darunter leidet.
       
       ## „Saufen für den Regenwald“
       
       Über die CO2-Bremse dagegen würde sich kein Nachbar ärgern – im Gegenteil.
       Mit der richtigen Werbestrategie würden sie die Bremse „made in Germany“
       sogar mitmachen: „Freedom and Independence“ heißt schon jetzt der Slogan,
       mit dem in den USA erzkonservative Republikaner Energiewende machen. Mit
       „mehr Sex“ (weil im Dunkeln) wird immer wieder gern fürs Stromsparen
       geworben.
       
       In vielen Gegenden zieht am besten die Angebertour (“meine Solar-Batterie
       kann länger als deine“), mancherorts sicher das Fitnessbewusstsein
       ("Low-Carbon-Diät“). Man kann sich beim „Saufen für den Regenwald“ und beim
       Fressen für den Artenschutz (“Schützen durch Nützen“) engagieren. Und, ein
       ganz wichtiges Argument: Beim Emissionshandel kann man mit ein bisschen
       Übung und einem leistungsfähigen Laptop kräftig den Staat bescheißen.
       
       Alles spricht also für die harte Hand des Staates. Schließlich ist das ein
       Erfolgsmodell. Seit 1994 steht der Umweltschutz im Grundgesetz. Und? Haben
       wir etwa nicht das Öko-Paradies?
       
       12 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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