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       # taz.de -- Geplanter Cannabisverkauf in Berlin: Kreuzberg zieht es durch
       
       > In mehreren Läden sollen Erwachsene Marihuana kaufen können. Das sieht
       > der Antrag ans Bundesinstitut für Arzneimittel vor.
       
   IMG Bild: Und jetzt tief einatmen, Herr Gröhe: Kiffer in Berlin.
       
       Berlin taz | Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg schreibt in der deutschen
       Drogenpolitik Geschichte. Alle im Bezirk gemeldeten Personen ab 18 Jahren
       sollen bald in speziellen Fachgeschäften Cannabis erwerben können. Auch der
       Konsum direkt vor Ort soll möglich sein. Das sieht ein Antrag vor, den der
       Bezirk Ende Juni beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
       (BfArM) stellen wird.
       
       Zwei Jahre hat das Bezirksamt unter Bürgermeisterin Monika Hermann (Grüne)
       für das Vorhaben gestritten. Es gab öffentliche Veranstaltungen, Workshops
       mit Bürgern, Treffen mit Fachleuten. Zunächst hatte es geheißen, man wolle
       einen Coffeeshop nach holländischem Vorbild. Im Beschluss des
       Bezirksparlaments vom November 2013 war von einem Modellprojekt zur
       kontrollierten Abgabe von Cannabis die Rede. Der Antrag an das
       Bundesinstitut trägt nun den Titel: „Regulierter Verkauf von Cannabis in
       Friedrichshain-Kreuzberg“.
       
       Beantragt wird darin nach Paragraf 3, Absatz 2, des
       Betäubungsmittelgesetzes die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für den
       regulierten Verkauf von Dope. Begründung: das öffentliche Interesse. „Jenes
       liegt eindeutig vor“, sagt Horst-Dietrich Elvers und verweist auf den
       Drogenhandel rund um den Görlitzer Park und die daraus resultierenden
       Belastungen für den Kiez. Der Suchthilfekoordinator des Bezirksamts hat das
       Projekt federführend koordiniert.
       
       Sein 28-seitiger Antrag sei das Ergebnis eines langen Prozesses. „Wir haben
       es uns nicht leicht gemacht“, so Elvers. Gerade auch die Argumente der
       Skeptiker und Gegner habe man aufnehmen wollen. Er kenne die Vorurteile,
       die man zum Beispiel als Familienvater hat, schließlich sei er selbst
       einer. „Ich bin ganz kritisch an das Vorhaben herangegangen.“ Aber nun
       könne er voller Überzeugung sagen: „Das ist ein seriöses, rundes Projekt im
       Interesse des Landes Berlin.“
       
       275.691 Einwohner waren im Bezirk Ende 2014 gemeldet, 40.600 - also 14,7
       Prozent - unter 18 Jahren. Sie können nicht an dem Projekt teilnehmen: „Der
       Verkauf von Cannabis an Minderjährige ist verboten“, betont Elvers.
       Jugendschutz habe oberste Priorität. Genau dieser werde aber von der
       aktuellen Repressionspolitik ausgehebelt. Das Cannabisverbot bedeute in der
       Praxis, dass Kinder und Jugendlichen nahezu ungehinderten Zugriff auf die
       Droge hätten. Die legale, kontrollierte Abgabe eröffnet laut Elvers ganz
       andere Möglichkeiten, mit Jugendlichen über die Folgen des Konsums zu
       reden. „Wenn Cannabis als Suchtmittel wie Alkohol und Nikotin eingestuft
       ist, kann man viel offener und ehrlicher über Risiken sprechen.“ Die
       Prävention werde dadurch viel einfacher.
       
       ## Verkauf nur mit Ausweis
       
       Laut dem Antrag sind im Bezirk mehrere Cannabis-Fachgeschäfte geplant. Der
       zugelassene Personenkreis muss sich vorher an einer nichtstaatlichen,
       neutralen Stelle registrieren lassen und bekommt einen anonymisierten
       Ausweis. Dieser muss beim Kauf vorgelegt werden. Es gebe pro Person
       tägliche und monatliche Höchstbegrenzungen, betont Elvers. Das
       Verkaufspersonal werde speziell geschult, denn es handle sich gleichzeitig
       um einen Informationsladen. Konkrete Standorte für sie gebe es noch nicht.
       
       Das Cannabis soll möglichst in der Region angebaut werden. „Ideal wäre Gras
       aus Berlin“, meint Elvers: „kurze Wege, kein unnötiger CO2-Ausstoß.“ Ein
       Berliner Urban-Farming-Unternehmen habe bereits Interesse signalisiert. Der
       Antrag wird noch einem Feinschliff im Bezirksamt unterzogen, dann geht er
       in die Post. Das Bundesamt für Arzneimittel ist Gesundheitsminister Hermann
       Gröhe (CDU) unterstellt; letztlich trägt er die politische Verantwortung
       dafür.
       
       „Der Antrag ist logisch, schlüssig und auf den Aspekt des Jugendschutzes
       abgestellt“, betont auch Bezirksbürgermeisterin Herrmann. Das Projekt werde
       mit wissenschaftlicher Begleitung durchgeführt. Es sei so konzipiert, dass
       es auch leicht auf andere deutsche Kommunen übertragbar sei. Horst-Dietrich
       Elvers zufolge haben andere Kommunen schon Interesse signalisiert. Münster
       habe sich beim Bundesinstitut sogar nach den Rahmenbedingungen für die
       Einrichtung eines Cannabis-Sozialclubs erkundigt.
       
       Einen so weitreichenden Antrag wie Friedrichshain-Kreuzberg hat bislang
       lediglich Schleswig-Holstein gestellt. Monika Hermann ist gespant auf die
       zu erwartende Diskussion: „Die Frage ist: Zeigt sich die Bundesregierung
       offen für Argumente oder wird wieder rein ideologisch entschieden?“
       
       12 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Plutonia Plarre
       
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